Kolumne Kriegsreporterin: Lieber Lakritz als Lerchenberg
Wenn rauskommt, dass ich zu Hause gern im Elvis-Kostüm herumlaufe und mich dabei mit Lakritzschnecken bewerfen lasse, ist es vorbei mit meinen Chancen als ZDF-Chefin.
H allo, taz-Medienredaktion! Den anderen aufs Pult kacken und seinen Ruf als von allen gehasste Oberpetze weiter ausbauen möchte offensichtlich der Bauer Verlag. Dr. Gerald Mai, Medienrechtsbeauftragter des Hauses Bauer, das sich durch Titel wie Adel exklusiv, Selbst ist der Mann und Bravo einen Namen machte, hat sich hingesetzt und in stundenlanger Fleißarbeit Briefe an Deutschlands Schulleiter geschrieben, in denen er sich erkundigt, auf welcher rechtlichen Grundlage die Verbreitung des Jugendmagazins Spiesser an den Schulen erfolge.
Angeblich verlange das Schreiben den Schulleitern eine Stellungnahme ab, sonst sähe man sich gehalten, sich an "die zuständige Schulbehörde beziehungsweise das verantwortliche Ministerium zu wenden", so Spiegel Online. Vor welchem Hintergrund diese Handlung erfolgt, ob man sich über die Anzeigenerlöse ärgert, die statt in die Bauer-Kasse in die von Spiesser fließen - zumal eine Kooperation zwischen Bravo und der Bundesagentur für Arbeit dem Verlag viel Ärger brachte -, oder ob man schlichtweg die Konkurrenz zu Laura oder Schlüsselloch fürchtet, ist unklar. Der Verlag möchte mir da auch leider keine Auskunft zu geben.
Bleibt die Frage, ob Bauer aus Angst vor Abschreibern demnächst das Verlagsgebäude mit aufgeklappten Federtaschen umstellen lassen wird. Oh Mann, auch ich habe in der Unterrichtsstunde "Messer & Karriere" wieder nicht richtig aufgepasst! Wo war ich nur mit meinen Gedanken, als mitgeteilt wurde, man könne sich im Internet um die Intendantenstelle beim ZDF bewerben?! Hatte ich letzte Woche noch meine Erleichterung darüber geäußert, nicht SWR-Intendantin geworden zu sein, unter anderem wegen der vielen Quatschköppe in der ARD, könnte so eine Stelle auf dem Lerchenberg doch ganz schön sexy sein. "Kommissar Süden - ein Mann ohne Kompass", "Die Landärztin geil und willenlos", "Frontal 00" - all die schönen Formate und ich hätte den Chefinnenhut auf!
Gegen Bellut eh keine Chance
DIE KRIEGSREPORTERIN berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.
Besonders ärgere ich mich darüber, das verpasst zu haben, weil sich nämlich keiner, ich wiederhole: KEINER im Internet um die Nachfolge Schächters beworben hat. Was vielleicht daran liegt, dass man annimmt, gegen Bellut eh keine Chance zu haben. Ich aber, mit meinem Charme, meinem Esprit, meinem unkaputtbaren Tatendrang, meiner Furchtlosigkeit in Kombination mit meiner kampferprobten Ausrüstung - mir sollte es doch leichtfallen, die 77 Weisen des Fernsehrats auf meine Seite zu ziehen!
Allerdings darf ich die Verbindungen nicht unterschätzen, die die ZDFler haben. Nicht dass dort alle miteinander in die Kiste hüpfen, manche halten es ja nicht einmal aus, in der Kantine an einem Tisch zu sitzen, aber immerhin wurde ja der Programmgeschäftsführer "nachweislich" darüber informiert, dass die Leidenschaft von Kika-Mann Marco K. fürs Casino die Grenzen des Normalen überschritten habe. Petzalarm! Wenn rauskommt, dass ich zu Hause gern im Elvis-Kostüm herumlaufe und mich dabei mit Lakritzschnecken bewerfen lasse, ist es womöglich auch vorbei mit meinen Chancen.
Vertane Chancen halten Fernsehleute aber von gar nichts ab, wie Sabine Christiansen beweist. Die Oberstreberin schlaumeierte in irgendein Mikrofon: "In immer mehr Sendungen treffen sich die gleichen Leute, um mit den ständig wiederholten Argumenten das bereits aus den anderen Talkshows bekannte Thema zu diskutieren." Leider vergisst unsere Klassenbeste zu erwähnen, wer dies zur Kunstform erhoben hat: Sabine Christiansen. Aus der Eselsecke zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern