Kolumne Klatsch: Sex doesnt sell!
Keine Ahnung, warum meine alten Sexbücher niemand mehr haben will - und wie ich sie wieder loswerde.
A ls sich auch die Tür im unteren Abstellraum unserer Wohnung nicht mehr öffnen ließ, weil das Gerümpel bis unter die Decke angewachsen war, entschloss ich mich, jeden Tag eine Sache wegzuschmeißen oder zu verschenken. Man müllt ja zu im Laufe der Jahre, vor allem wenn man seit fünf Jahren nicht mehr umgezogen ist. Kürzlich mietete ich sogar eine dritte Garage, weil die Autos nicht mehr in die zwei dafür bestimmten Garagen passten. Dort standen mittlerweile ein Kanu, ein Rasenmäher, Autoanhänger, Ersatzteile, Schlitten, Skier und die Tischtennisplatte.
Philipp Maußhardt (49) ist Mitglied der Reportage-Agentur "Zeitenspiegel" und hat große Angst davor, seine Leser zu langweilen oder einzuschläfern. Darum klatscht er beim Schreiben oftmals laut in die Hände in der Hoffnung, dass sie es beim Lesen hören.
Sperrmüll war früher die Lösung des Problems, doch seit die Mülldeponien geschlossen und alles, was niemand mehr haben will, nur noch "Wertstoffe" sind, ist es schwieriger geworden. Bei uns kommt gerade noch einmal im Jahr die Müllabfuhr, um Sperrmüll abzufahren. Viel zu selten. Ich bräuchte sie wöchentlich. Zudem sind Müllmänner keine Müllmänner mehr, sondern Schnüffler und Detektive: Sie durchforsten die Sperrmüllberge, ob auch ja nichts darunter ist, was nicht darunter sein darf. Eisen und Holz dürfen da nämlich nicht hinein, auch keine kaputten Elektrogeräte. Eigentlich darf gar nichts mehr in den Sperrmüll. Schon gar keine Bücher, die gehören ins Altpapier.
Weil mein Sohn inzwischen Gefallen daran findet, in den Sperrmüllstapeln der Nachbarn zu wühlen, stehen am Ende der Abfuhr dann wieder mehr Dinge in der Garage als zuvor. Aber ich bin ja auch nicht blöd. Heimlich stehle ich die kaputten Spielzeuge wieder aus dem Kinderzimmer und werfe sie in den Restmüll - oder ich stelle die Sachen, mit einem Schild "Zu verschenken" versehen, vor die Haustür. Poster zum Beispiel, die niemand mehr sehen kann, mitsamt Rahmen. Aber den auf einer Toilette sitzenden Affen "Charlie" wollte auch niemand anders sehen, und so holte ich ihn abends wieder herein.
Mit Büchern, dachte ich, geht es einfacher. Der Tennisverein holt bei uns regelmäßig das Altpapier ab, und jedes Mal stelle ich eine Kiste mit Büchern auf die Straße. Da dienen sie wenigstens noch einem letzten guten Zweck, denn der Tennisverein kann sie für ein paar Cent an den Altpapierhändler verkaufen und sie so wiederum gegen ein paar Körner roten Sand eintauschen.
Aus nicht mehr ganz nachvollziehbaren Gründen fand sich in meinem Bücherregal auch eine größere Sammlung erotischer Literatur. Die Titel klingen auch noch Jahre nach ihrem Erscheinen durchaus aktuell: "Das Liebeskarussell", "Die sexuellen Phantasien der Männer", "Josefine Mutzenbacher", "Die Sache - 21 Variationen", "Die Schule der Lust", "Der Garten der Liebe", "Die Kinder der Lust", "Yonosuke, der dreitausendfache Liebhaber", und "Emmanuelle 3". Eigentlich klingen die Titel sogar viel zu schön, um sie einfach wegzuschmeißen, zumal die Mitglieder des Tennisvereins, wie ich hörte, gerne über die Funde vor den einzelnen Türen unseres Dorfes reden und ich auch in Zukunft noch beim Metzger einkaufen möchte, ohne dass er zu grinsen anfängt, wenn ich nach harter Schwarzwurst verlange.
Ich versuchte es bei Amazon. Beim elektronischen Buchhändler kann man seine gelesenen Bücher verhökern, und so bot ich Mutzenbacher und Kolleginnen für den symbolischen Preis von 69 Cent im Netz an. Täglich wartete ich auf die Bestellungen, die Bücher lagen schon zum Versenden bereit. Bis mich vor wenigen Tagen ein automatisches Schreiben informierte: "Leider hat sich kein Käufer gefunden." Was ist los mit diesem Land? Mit seinen Männern? Kochbücher, sagte mir ein Freund, gehen besser.
Jetzt stehen sie wieder an ihrem angestammten Platz im Regal. Diese Kolumne ist die letzte Chance, sie loszuwerden. taz-Leser sind doch nicht prüde? Also bitte melden, sonst werfe ich sie in den Kachelofen - obwohl das laut baden-württembergischer Feuerstättenverordnung eigentlich streng verboten ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde