Kolumne Immer bereit: Sommer, Sonne, Zombies
In der Stadt herrschen die Untoten: verwaiste Straßen, staubige Wege, aber und an schlurft ein Wesen vorbei mit stumpfen Blick und Eisresten am Kinn.
Immer bereit |
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Sommer in Berlin. Parkplätze überall. Keine Party nirgends. Unter einer Wasserpumpe am Straßenrand liegen drei halb verdurstete Touristen. Sie haben nicht verstanden, dass sie den Hebel bewegen müssen, damit da Wasser rauskommt. Und gestern Nacht kamen wir in Pankow an einer Handvoll Teenager vorbei, die mitten auf der verlassenen Straße standen und Boccia mit Bierflaschen spielten.
Kein Wunder, dass ich im Sommer am liebsten Zombiefilme gucke. Vor der Tür sieht es schließlich auch aus wie am Tag nach der Apokalypse: verwaiste Straßen, staubige Wege. Ab und zu schlurft mal ein Wesen vorbei, der Blick ist dumpf, Eis klebt am Kinn, es stinkt nach Körperflüssigkeiten.
Früher habe ich mich noch gewehrt gegen die Sommerdummheit. Heute gebe ich einfach nach. Vor drei Jahren hab ich mich erst durch alle Romero-Filme geguckt und dann die Fachliteratur zum Thema gewälzt. Ich mag die langsamen Zombies lieber als die High-Speed-Killer in „28 Days later“.
Bei George A. Romero sehen die Zombies nämlich schon seit den 60ern aus wie eine Behinderten-Schulklasse auf Wandertag. Ich weiß, wovon ich rede. Ich war selber sechs Jahre auf einer Körperbehindertenschule. Spastische Lähmungen, Epilepsie, manchen fehlten Gliedmaßen, einigen lief Speichel aus dem Mund. Für uns Kinder war das Normalität.
Romero selbst liebt die toten Wiedergänger. Im Vorwort zu dem ansonsten relativ nichtssagenden Buch „Zombies. Die illustrierte Geschichte der Untoten“ von Jovanka Vuckovic empört sich der Altmeister, „wie schlecht Zombies heutzutage bei einigen Filmemachern wegkommen“. Ein Zombie kann nicht rennen, sagt Romero, er ist tot. Das Fleisch ist schwach. „Seine Knöchel würden einfach durchbrechen!“
Zombies sind nicht nur „die zentrale Metapher der Trash-Kaptalismuskritik“, wie Georg Seeßlen in „Wir Untote!“ schreibt; Symbol einer unterdrückten und ausgegrenzten Masse; Lagerhäftlinge, Flüchtlinge. Sie sind auch „ein drastischer Bezug zu verlorener Körperlichkeit“ im Mainstream-Kino. Es ist die Masse der Benachteiligten, der Nicht-Perfekten, die den Reichen und Schönen ans Leder will.
Normal ist nichts
Die Faszination des Zombiefilms rührt aus dem Bewusstsein, dass das, was wir als normal betrachten – also all die durchtrainierten, geraden Körper mit dem vernunftbegabten Geist innen drin –, dass die gar keine Normalität sind, sondern eine Ausnahme. Die Faszination, das Schauerliche des Zombies rührt aus der Angst vor dem Eindringen des Fremden, der Armut in unsere kleine, heile Welt. Europa, es rüttelt an deiner Türe!
Beim Filmegucken bin ich irgendwann zu Vampiren übergegangen. Ich wollte „Twilight” sehen. Das hat mich geheilt. Strunzlangweilige, faschistoide Herrenmenschenscheiße! Danach war der Sommer vorbei. Mein Gehirn kühlte wieder auf Betriebstemperatur runter.
Dieses Jahr ist es ganz schlimm. Letzte Woche habe ich angefangen, „The Walking Dead“ zu gucken. Das hat fünf Staffeln! Ich hoffe, das reicht bis zum Ende der Hitzewelle! Im Onlineforum Serienjunkies hat irgendein Klugscheißer sich beschwert, warum es in der Serie keinen Winter gibt. Schwachsinnige Frage. Weil ich im Winter Harry-Potter-Filme gucken will natürlich!
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