Kolumne Idole: Spenden, ohne zu schweigen
Tue Gutes und rede nicht darüber – eine alte Weisheit. Leider hält sich heute niemand mehr daran.
I ch würde berühmt werden, indem ich ein Weltproblem löste. Aber welches? Clooney hat Darfur, Sting hat den Amazonas und Bono hat Aids." Lieber Brüno, diesen Satz hast Du im letzten Jahr In Deinem Film gesagt. Inzwischen bist Du ja bereits ein Star. Aber falls Du diese Zeilen liest und gerade ein kleines Promitief erleben solltest, lass mich Dir einen Tip geben: Haiti.
Ich weiß, es haben sich schon alle Idole der westlichen Welt (von Clooney bis Gottschalk - das ist dieser Deutsche mit den blind machenden Anzügen) engagiert. Aber Haiti ist das Charity-Ding des Moments, das solltest Du nicht verpassen.
Es ist leider so: Dieses ganze Haiti-Charity-Ding kommt mir im Moment so vor, als würde ich live einer Satire a la "Brüno" beiwohnen. Das ZDF sendet für die Produktion von Empathie - ergo Spendenbereitschaft - eine Show, bei der ich, wenn ich sie anschauen müsste, sofort auf Schmerzensgeld klagen würde: Sarah Connor, Chris de Burgh. Fehlt eigentlich nur Veronica Ferres. Heather Mills, einbeiniges Exmodel und Ex-Beatle-Ehefrau, sammelt Geld für Prothesen für Haiti. Das ist mitdenkend, pragmatisch und angenehm unglamourös - aber geben Sie es zu: Sie haben beim Lesen dieser Information auch ungläubig geguckt und sich ein Lachen verbissen. (Wenn nicht, sind Sie ein besserer Mensch als ich.) Na, und in den USA rennen alle Stars zu ihrem Stylisten, um sich für die Gala "Hope for Haiti" einmal waschen, schneiden, legen zu lassen. Während dort die Erde nachbebt.
Kirsten Reinhardt ist taz.de-Redakteurin.
Wer ist hier zynisch? Natürlich ist es gut, wenn Leute, die viel haben, auch etwas abgeben und dazu anregen, es ihnen gleichzutun. Aber bei diesem öffentlich ausgetragenem Gehelfe wird mir einfach immer übel. Leute, die so penetrant helfen, sind mir einfach furchtbar unsympathisch. (Wer kann Bono noch ertragen, Hand hoch!) Können die nicht einfach spenden und schweigen? "Tue Gutes und rede nicht darüber" ist alt wie Aristoteles, aber das wäre mein Rat an all die Haiti-Helfer.
Mir ist schon klar, dass diese Idole ihre Popularität nutzen, um Menschen anzuregen, es ihnen gleichzutun: "Wenn Clooney 5 Millionen gibt, kann ich auch 5 Euro abzwacken." Aber warum brauchen wir einen Clooney, um uns zu sagen, dass wir helfen sollen? Der empathische Weltbürger, der ein paar Minuten nach der Katastrophe schon die ersten Bilder von Kinderleichen unter Trümmern im Netz findet, kann doch sofort selbst per Onlinebanking zur Mutter Theresa werden.
Das Bedürfnis der Menschen nach einem Bono oder einer Lady Di, die ihnen den Weg weisen, ist einfach groß. Klar, wo es doch so viel Elend auf der Welt gibt, dass man sich gar nicht entscheiden kann, wohin man denn nun spenden soll. Für ehemalige Kindersoldaten im Kongo? Landminenopfer? All diese langwierigen Probleme verlieren auf Dauer natürlich etwas vom Glamour-Faktor. Also vielleicht doch lieber das Leid mit den frischesten Bildern?
Und von der Charity-Sache haben am Ende ja alle was. Die Betroffenen bekommen Geld beziehungsweise Hilfsleistungen; die Stars bringen sich ins Gespräch. Und der gemeine Bürger, der sich abends auf dem Sofa vor der Glotze ausruht, kann sein schlechtes Gewissen, vom Übel der Welt mal wieder nicht betroffen zu sein, mit einem kleinen Ablass von dieser Bürde befreien. Und in die Leerstelle kommt wohlige Empathie.
Nur mich kriegen sie damit leider nicht. Da hätte Thomas Gottschalk schon Brüno einladen müssen.
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