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Kolumne Helden der BewegungDer nicht einzigartig sein will

Kolumne
von Frederic Valin

Guido Burgstaller hat nicht viel getroffen diese Saison, drei Mal bloß in der Fußball-Bundesliga. Was dann aber folgt, ist sehr viel auf einmal.

Wieder mal nicht getroffen: Guido Burgstaller Foto: dpa

E s gibt Spieler, die nach Toren nicht jubeln; und dann gibt es Spieler, die es nicht interessiert, wie man jubelt. Letztere sind häufig Verteidiger, die sich nie einen Kopf darüber gemacht haben, weil die Vorstellung, dass sie je einmal treffen, eine sehr abstrakte war. Ganz selten aber gibt es auch einen Stürmer, den es nicht juckt, wie er aussieht, wenn er sich freut. Guido Burgstaller ist so einer.

Burgstaller macht, wenn er ein Tor macht, alles auf einmal. Er winkt, er läuft, er lacht, er klatscht ab, schaut nach rechts, nach links, nach oben und nach unten, ganz so wie er lustig ist. Er denkt nicht darüber nach, wie es wirken könnte; und gerade deshalb wirkt es so unkoordiniert, ungelenk. Es ist etwas Kindliches in diesem Jubel, etwas sehr sympathisches; gerade weil er nicht so tut, als wäre er authentisch, ist er es.

Der Torjubel ist die ideale Mischung aus Inszenierung und Emotion. Er ist künstlich genug, um nicht intuitiv zu wirken; und er ist emotional genug, um die künstliche Überformung ironisch zu brechen. Es ist ein Authentizitätstheater, das keiner richtig ernst nimmt; Mario Gomez etwa zieht nach seinen (seltener werdenden) Toren eine imaginäre Muleta vor sich durch die Luft, als wäre er ein Stierkämpfer. Das tut er, weil er spanische Wurzeln hat. In der Regel lächelt er dabei, weil er sich über sein Tor freut, was die ganze Geste wieder aufhebt: kein Matador würde während einer Corrida lächeln.

Torjubel sind oft als Ausbruch des Individuums aus den Zwängen des Kollektivs gefeiert worden. Einer der ersten kolportierten Torjubel fand 1938 statt, beim sogenannten Versöhnungsspiel, nach dem die österreichische Mannschaft in einer gesamtdeutschen aufgehen sollte. Matthias Sindelar, Wiener und einer der wohl besten Spieler seiner Zeit, soll nach seinem Tor zum 2:0 vor die Tribüne gegangen sein, auf der die ganzen Nazi-Größen saßen, und dort ein Tänzchen aufgeführt haben.

Der einsam Feiernde vor der Gewalt der Masse, der stumme Protest der Lebensfreude vor der stumpfen Diktatur: das ist Teil des Mythos rund um Matthias Sindelar. Es blieb symbolisch, später hat er von der Arisierung profitiert und einem befreundeten jüdischen Geschäftsmann dessen Café weit unter Marktpreis abgekauft. Er starb unter ungeklärten Umständen kurz danach in seiner Wohnung.

Verfeinerte Coreografien

Der Torjubel ist in zweierlei Hinsicht ein Fußabdruck des Fernsehens. Einerseits hat die Videoanalyse die mannschaftlichen Abläufe automatisiert, sodass es auf dem Platz immer weniger Raum gibt für den Ausdruck von Individualität; der aber umso exzessiver genutzt wird, durch auffällige Frisuren, Tattoos, den Jubel.

Andererseits hat das Fernsehen die Choreografien verfeinert und so auch recht schnell den Versuch, Individualität herzustellen, scheitern lassen; am deutlichsten durch Cristiano Ronaldo, der seinen eigenen Move zum Teil seiner Marke gemacht hat und als Selling Point etabliert hat, und durch Pierre-Emerick Aubameyang, der sich zu Dortmunder Zeiten einmal eine Maske seines Sponsors über das Gesicht gezogen hat. Gegen Schalke war das, im für viele Fans wichtigsten Spiel des Jahres.

Guido Burgstaller hat nicht viel getroffen diese Saison, drei Mal bloß in der Liga. Sein letztes Tor war der Endstand in Hoffenheim, die zwei im 2:5, und auch da hat er sich nicht gefreut: nach dem Schuss blieb er noch für eine Sekunde auf dem Arsch sitzen und trabte dann ohne große weitere Geste zurück zum Mittelkreis. So läuft kein Star, so läuft einer, bei dem es gerade scheiße läuft.

Ein Unterkandidelter, einer wie jeder, der halt gerade gar nicht ist wie jeder; sonst könnte er sich dem Selbstinszenierungswahn ja nicht entziehen. Das Sympathische an ihm ist gerade, dass er nicht scheinen will. Nächsten Samstag vielleicht ausnahmsweise, wenn Schalke gegen Dortmund versuchen wird, die komplette Saison zu retten. Aber selbst wenn er dann trifft, wird er sich nur freuen, nicht mehr.

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1 Kommentar

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  • Zitat: „Aber selbst wenn er dann trifft, wird er sich nur freuen, nicht mehr.“

    Ist unechter Jubel wirklich „mehr“ als echte Freude? Wenn ja, für wen? Und wer behauptet das?