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Kolumne Gott und die WeltWo der Nazi-Syrup klebt

Kolumne
von Micha Brumlik

Es gibt Straßen in Koblenz, die nach den Wünschen vieler umbenannt werden sollten. Die Namensgeber waren Größen in der NS-Zeit.

Am Deutschen Eck zu Koblenz: Um die Ecke stehen ein paar fragwürdige Straßenschilder Foto: imago/Sascha Ditscher

H eimat – der Begriff ist in aller Munde und am 30. April hat die FAZ einen vorzüglichen, ganzseitigen Artikel unter dem Namen von Bundesheimatminister Horst Seehofer (CSU) veröffentlicht, der dort etwa sagt: „Heimat ist aber nicht nur der Ort, wo wir leben, es ist auch und vor allem die Art, wie wir leben.“ Und das kann durchaus hässlich sein. Eine unfreundliche Definition von „Provinz“ lautet: Das ist dort, wo es schäbiger ist als unbedingt nötig. Analog ließe sich sagen: Heimat ist dort, wo alte Nazis stärker geehrt werden als unbedingt nötig.

Das ist derzeit in einer der ältesten Städte Deutschlands der Fall, in der etwa 2000 Jahre alten Stadt Koblenz, wo nach der Französischen Revolution dorthin geflüchtete französische Aristokraten die politische Theorie der Reaktion und erste Rassetheorien erfunden haben. Die idyllisch gelegene Stadt schafft es bis heute nicht, sich vierer Straßennamen zu entledigen, die allesamt mindestens nationalistisch kontaminiert sind.

Eine ist nach Hans Bellinghausen (1887–1958) benannt, einem bis in die Knochen deutschnationalen Heimatdichter und Historiker, der als entschiedener Feind der Besetzung des Rheinlandes durch Frankreich nach 1918 bekannt wurde. Dann wäre noch Hanns Maria Lux (1900–1967) zu erwähnen, dessen Katholizität schon durch seinen Namen bezeugt wird. Als junger Mann ging der Reformpädagoge und Jugendbuchautor nach China, wo er drei Jahre verbrachte und chinesische und japanische Lyrik zurückbrachte.

Entnazifizierung und Ehrenbürger

1937 wurde Lux Mitglied der ­NSDAP und noch im selben Jahr zum kommissarischen „Leiter der Reichsschrifttumskammer im Gau Moselland“ berufen. Lux wurde nach dem Krieg entnazifiziert und Ehrenbürger von Oberwesel. 1920 schon hatte er das Lied „Deutsch ist die Saar“ gedichtet, in dem es hieß: „Deutsch bis zum Grab, Mägdlein und Knab’ / deutsch ist das Lied und deutsch das Wort / Deutsch ist der Berge schwarzer Hort“.

Ein Straßenname gilt dem Arzt und Kunsthistoriker Fritz Michel (1877–1966), der von 1927 bis 1947 Chefarzt am Evangelischen Stift in Koblenz war. Ob seiner kunsthistorischen Arbeiten ehrte ihn die Stadt Koblenz 1989 mit einem Skulpturendenkmal vor dem Krankenhaus des Sankt-Martin-Stifts. 1952 wurde er zum Ehrenbürger von Koblenz ernannt. Indes: Unter Fritz Michels Verantwortung wurden zwischen 1942 und 1944 bei mehr als 100 „Ostarbeiterinnen“ Zwangsabtreibungen vorgenommen. So viel zu einem „christlichen“ Krankenhaus.

Last but not least wurde 1952 (!) eine Straße nach Friedrich „Fritz“ Syrup (1881–1945) benannt, in der NS-Zeit ein Organisator antisemitischer Zwangsarbeit und an der Planung des genozidalen Hungerkriegs gegen die UdSSR beteiligt. Als „Preußischer Staatsrat“ nahm er an einer Besprechung teil, in der laut Protokoll gesagt wurde, dass „der Krieg nur weiter zu führen (ist), wenn die gesamte Wehrmacht im dritten Kriegsjahr aus Russland ernährt wird. Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen verhungern, wenn von uns das für uns Notwendige aus dem Lande herausgeholt wird.“

Anträge auf Umbenennung zurückgewiesen

Er starb 1945 im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen. Nicht nachvollziehbar ist, warum eine Straße in Koblenz erst 1952 (!) nach diesem Kriegsverbrecher benannt wurde. Anträge der Grünen auf ihre Umbenennung im Jahr 2017 wurden mit dem Hinweis auf finanzielle Belastungen für Bürger im Rat zurückgewiesen.

Joachim Hennig, der 2017 im „Jahrbuch für deutsche Landesgeschichte“ der Frage nachgegangen ist, warum sieben Jahre nach Kriegsende eine Straße nach einem Naziverbrecher benannt wurde, stieß auf den ursprünglich dem katholischen Zentrum angehörenden Verwaltungsangestellten Josef Kirsch, auch er zeitweiliges Mitglied der NSDAP, der den Vorschlag machte, eine Straße nach Syrup zu benennen.

Der Grund: Man wünschte 1951, dass Koblenz Sitz der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung werden sollte und wusste, dass Syrup von 1927 bis 1938 Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sowie zeitweise Reichsarbeitsminister war. Eine deutsche Heimat: in der Nazigrößen stärker geehrt werden als unbedingt nötig – bis zum heutigen Tag.

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7 Kommentare

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  • Im "sowjetischen Speziallager".

    • 9G
      96177 (Profil gelöscht)
      @John1976:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Syrup

       

      das sowjetische Speziallager war übrigens das KZ Sachsenhausen.. gut, daß das hier nicht extra erwähnt wurden, nicht wahr?

    • 9G
      96177 (Profil gelöscht)
      @John1976:

      ich kann da jetzt kein Unrecht erkennen.. wenn Sie die Zusammenhänge stehenlassen: "Als „Preußischer Staatsrat“ nahm er an einer Besprechung teil, in der laut Protokoll gesagt wurde, dass „der Krieg nur weiter zu führen (ist), wenn die gesamte Wehrmacht im dritten Kriegsjahr aus Russland ernährt wird. Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen verhungern, wenn von uns das für uns Notwendige aus dem Lande herausgeholt wird".... im übrigen reichen die alten Freundescliquen ja über den Tod hinaus: "Joachim Hennig, der 2017 im „Jahrbuch für deutsche Landesgeschichte“ der Frage nachgegangen ist, warum sieben Jahre nach Kriegsende eine Straße nach einem Naziverbrecher benannt wurde, stieß auf den ursprünglich dem katholischen Zentrum angehörenden Verwaltungsangestellten Josef Kirsch, auch er zeitweiliges Mitglied der NSDAP, der den Vorschlag machte, eine Straße nach Syrup zu benennen."

  • 9G
    96177 (Profil gelöscht)

    http://www.taz.de/Kommentar-AfD-auf-dem-Katholikentag/!5502562/

     

    hier sind alle Gründe genannt... die Verantwortlichen übernehmen keine Verantwortung, sie schwadronieren nur davon.

  • Das spiegelt unsere Gesellschaft zum großen Teil, jedoch nicht komplett. Es ist keiner da, es ist kein Verantwortlicher da der mal sagt, so, jetzt werden wir die vier Staßennahmen mal sofort umändern, ob es einigen gefällt oder nicht und basta. Genauso funktioniert die Politik in Berlin. Es wird viel geredet, es wird gemahnt, es gibt viel bla, bla, bla, aber es passiert sogut wie nichts. Wo ist das Problem? Wir Deutsche machen es uns bei den einfachsten Dingen schon schwer genug, ich würde sagen viel zu schwer, wie legen uns selbst Steine in den Weg obwohl dies vielerseits garnicht nötig wäre.

  • In Köln-Neubrück hat man es geschafft erst 1968 eine Straße nach dem rechtsnationalen, katholischen Arbeiterdichter und HJ-, und NSDAP-Mitglied Heinrich Lersch zu benennen.

    Ein Antrag auf Umbenennung läuft seit einigen Monaten erst.

    • 9G
      96177 (Profil gelöscht)
      @häppi:

      wer hat den Antrag gestellt und mit wessen Stimmen ist das abgewinkt worden?