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Kolumne Gott und die WeltAuf den Werktag warten

Kolumne
von Micha Brumlik

Intelligente Werbung soll - so denkt sich das die Branche - die Leute dort abholen, wo sie stehen. Wie aber lockt die Evangelische Kirche neue Schäfchen?

Niedrigschwelliges Angebot: Osterfeuer („heller Bereich“) in der Nacht („dunkler Bereich“). Bild: dpa

I ntelligente Werbung soll – so denkt sich das die Branche – die Leute dort abholen, wo sie stehen, oder sie doch wenigstens auf das beworbene Produkt neugierig machen. Sie soll also möglichst viele Leute mit möglichst witzigen und dennoch anspruchslosen, „niedrigschwelligen“, Aufmerksamkeit erregenden Hinweisen dazu motivieren, das Produkt wenn schon nicht zu erwerben, so doch genauer zu betrachten.

Schwierig wird das allenfalls dann, wenn sich das Produkt hinter seiner Werbung in Nichts auflöst. Das ist jetzt der EKHN – wie?: der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau – widerfahren, die den christlichen Glauben in einer Zeit unaufhörlicher Kirchenaustritte wieder bekannt machen will.

Spaziergänger in der Innenstadt von Frankfurt am Main mochten sich die Augen reiben. Hing doch am Turm der altehrwürdigen Katharinenkirche an der Hauptwache ein Banner, das nicht mehr zu ignorieren war und das gewohnte Stadtbild so nachhaltig störte, das eigentlich der Denkmalschutz hätte eingreifen müssen.

Auf dem Banner ist ein freundlich lächelndes Frauengesicht zu sehen: im oberen Teil überaus hell, unterschrieben mit einem gelb unterstrichenen Schriftzug: „Lichtblick Ostern.de“, während der untere Teil des Banners dasselbe Bild verdunkelt und nur mühsam zu erkennen präsentiert.

Abschied und Schmerz versus Glück und Auferstehung

Man kennt dieses erleichtert lächelnde Gesicht aus dem vorabendlichen Fernsehprogramm – vornehmlich aus Filmchen, die Kopfwehtabletten oder Baldrian bewerben. Klickt man sich schließlich zur entsprechenden Website durch, wird man auf dunkle „Bereiche“ wie Abschied, Schmerz und Tod hingewiesen, aber auch – auf der rechten Seite – auf die hellen „Bereiche“ wie Wiedersehen, Glück und Auferstehung.

Bild: Horst Galuschka
Micha Brumlik

Jahrgang 1947, als Kind jüdischer Flüchtlinge in der Schweiz geboren, lebt seit 1952 in Deutschland. Er ist Professor für Erziehungswissenschaften.

Ja, dort steht tatsächlich „Bereiche“; wer da nicht sofort an „Alles im grünen Bereich!“ denkt, wäre ein Schelm.

Wie also bewirbt man das Zentrum des christlichen Glaubens, diesen gewaltigen kosmischen Mythos von der Verendlichung, Verfleischlichung und Ermordung Gottes sowie seiner Selbsterweckung aus dem Reich des Todes? Offenbar durch den Hinweis, dass man auf so etwas Schönes auch heute noch warten kann.

Der Neurologe und die Kirche

Dass aber Warten Glücksgefühle fördern kann, weiß wiederum die neuerdings allzuständige Neurobiologie, die auf der Website zu Wort kommt:

„Der Neurologe Gregory Berns hat herausgefunden, dass wir unsere Glückshormone und Glücksgefühle schon durch das Warten auf etwas Schönes, Neues und Positives aktivieren können. In christlichen Predigten und in der Religionspädagogik kommt das Wort ’Glück‘ jedoch kaum vor. Weder Martin Luther noch der protestantische Philosoph Immanuel Kant reden“, so unsere Website, „in diesem Sinne von Glück, sondern ausschließlich von Zufriedenheit und Pflichterfüllung.“

Protestantische Arbeitszeiten auch in der Seelsorge

Das ist zwar, was Kant betrifft, nicht ganz richtig – setzt sich der doch ausführlich mit der Frage der „Glückswürdigkeit“ auseinander, was aber keine Rolle mehr spielt. Vielmehr kommt es dem Werbekonzept darauf an, den Leuten konkret etwas anzubieten – etwa psychotherapeutische Beratung „online“: „heller Bereich“!

Doch leuchtet auch dieses Licht – wir haben es mit protestantischer Ethik zu tun – nur während der Regelarbeitszeit, denn, so der warnende Hinweis an Leute, die das Angebot zu ernst nehmen: „Bitte beachten Sie, dass die Seelsorgerinnen und Seelsorger diese Onlineberatung nebenamtlich anbieten. Sie sind bemüht, Ihnen so schnell wie möglich zu antworten, unter der Woche in der Regel am nächsten Tag. An Wochenenden und an Feiertagen haben Sie bitte Geduld, Sie erhalten am nächsten Werktag eine Antwort.“

Ganz wie der christliche Gott, der seinen Sohn, den gekreuzigten Jesu, drei Tage lang, bis zum nächsten Werktag, ins Totenreich verbannte. Wunder dauern eben etwas länger.

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Autor und Kolumnist
1947 in der Schweiz geboren, seit 1952 in Frankfurt/Main. Studium der Philosophie und Pädagogik in Jerusalem und Frankfurt/Main. Nach akademischen Lehr- und Wanderjahren von 2000 bis März 2013 Professor für Theorien der Bildung und Erziehung in Frankfurt/Main. Dort von 2000 bis 2005 Direktor des Fritz Bauer Instituts – Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte des Holocaust. Forschung und Publikationen zu moralischer Sozialisation, Bildungsphilosophie sowie jüdischer Kultur- und Religionsphilosophie. Zuletzt Kritik des Zionismus, Berlin 2006, Sigmund Freud. Der Denker des 20. Jahrhunderts, Weinheim 2006 sowie Kurze Geschichte: Judentum, Berlin 2009, sowie Entstehung des Christentums, Berlin 2010.Darüber hinaus ist er Mitherausgeber der „Blätter für deutsche und internationale Politik.“

8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • S
    Siegmar

    @ dirk

    leider zu einseitig gedacht..

    wenn es unabhängige religiöse "Freitage" zur jeweiligen glaubensabhängigen Verfügung gäbe, dann würde sich das schon "einigermaßen gerecht" ausgleichen. nur Nihilisten haben dann wohl Pech. :-)

  • E
    Eva

    Liebe taz,

     

    was will uns bloß Herr Brumlik mit diesem Artikel vermitteln?

    Dass er Denkmäler geschützt wissen will, deren Inhalte er gar nicht für denkenswert erachtet?

     

    Oder dass ehrenamtliche Mitarbeiter, wenn sie schon meinen, die Welt könnte ihrer Hilfe bedürfen, bitteschön rund um die Uhr zur Verfügung stehen mögen?

     

    Trotz alledem: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

  • D
    dirk

    Hallo @Siegmar: Wie wärs einfach alle kirchlichen Feiertage abzuschaffen? Dann hätten wir, jedenfalls in Bayern, Zeit für 10 zusätzliche Arbeitstage. Cool.

  • WW
    Wolfgang Weissgerber

    "...in einer Zeit unaufhörlicher Kirchenaustritte..."

    Dass Mich Brumlik die Wochenendmentalitat der Seelsorger peinlich findet, geht in Ordnung. Aber dass der Herr Professor kenntnisfrei den Unfug "unaufhörlicher Kirchenaustritte" wiederkäut, ist mehr als peinlich. Die Austrittsquote der evangelischen Kirchen liegt bei sensationell niedrigen 0,5 Prozent, und das seit vielen Jahren. Parteien und Gewerkschaften wären über solche Schwundraten entzückt, und Zeitungsverlage auch.

  • S
    Siegmar

    Durch Werbung wird ein schlechtes Produkt auch nicht besser!! wir sind kein Gottesstaat! also was haben die Kirchen in unserer Gesellschaft zu suchen? Es reicht doch schon das "Wort zum Sonntag", dass ich als Heide mit der Medienabgabe mitfinanzieren muss und die christlichen Feiertage, die ich tolerieren muss..

  • TD
    Thomas Diboczewski

    Vielen Dank für den schönen Artikel. Unsere Kirche ist für jede Art von Aufmerksamkeit dankbar. Ich habe nur eine kleine Korrektur anzubringen.

     

    Selbstverständlich stehen Ihnen unsere Seelsorgerinnen auch Sonn- und Feiertags zur Verfügung. Sie sind zwar afk, bieten aber an diesen Tagen Gruppensitzungen an. Wenn sie Interesse haben, goggeln sie doch einfach mal nach nach dem Begriff "Gottesdienste". Sie werden sicher auch in ihrer Stadt eines unsere Angebote finden. Schauen sie doch einfach mal vorbei. Die Teilnahme ist kostenlos, während und/oder nach der Veranstaltung wird um eine Spende gebeten.

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    Euer Herr Jakob hat sich doch offfenbar der Meinung angeschlossen, daß die Protestanten lustfeindlich seien. Meine diesbezügliche Email-Rückfrage blieb ohne Antwort.

     

    Da gab es doch mal eine Zeitung, von der Ihr Euch absetzen wolltet? Was Protestantismus angeht, habt Ihr doch eher wenig beizutragen.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Mit Werbung gewinnt die Kirche,die Kirchen keine Schäflein.Nicht immer hält der Inhalt das,was das Produkt verspricht,dies trifft auf die Kirche,die Kirchen unweigerlich zu.Demokratie,Basisdemokratie wird in der Kirche,in den kirchen nicht gelebt.Hier herrscht ein hierarchisches,monarchisches Modell.Leitende Geistliche geben Pressereklärungen heraus,ohne diese mit dem Kirchenvolk ab zu stimmen.Nicht mit allem was die Kirchenleute,Berufschristen im Umlauf geben ,identifiziert sich das Kirchenvolk.Nicht alles was in der Kirche geschieht,kann sich auf Jesus christus beziehen,worauf die Kirche,hier die Berufschristen sich beziehen.

    In der Ev.luth. Landeskirche Hannovers unter der Federführung von Ralf Meisetr,gwählter Landesbischof von 78 People blockt man wenn es negative Kritik im Bezug auf den Landesbischof gibt.Menschen können zwar Wünsche an den Möchte gern Landesbischof Ralf Meister schreiben,gefällt es der Bischofskanzlei nicht,wird der Beitrag gelöscht.Hier voran gehend die immer noch weiter entwickelte Referentin des Landesbischofs,die vorher schon bei der Landesbiscjhöfin Käßmann tätig war:

    Von einer Beauftragten,von einem Beauftragten für die Belange von gehandicapten Menschen in der EV.luth. Landeskirche Hanneovers,möchte der der zeitige Landesbischof Ralf Meister aus der Hansestadt Hamburg kommend,wo die Pfeffersäcke eine nicht unwesentliche Rolle spielen im Bezug auf den Stadtsäckel nichts wissen.Ralf Meister antwortet auch nicht den Schreibern.Er überläsast wenn überhaupt dies seinen "Tippchen" aus der Bischofskanzlei.Dies ist nicht die feine englische Art,schon gar nicht der Hanseatischen Art.

    Glauben Ja,Kirche Nein,so wie sie sich gibt wird keinen Zulauf haben ud dies zu Recht.

    Kirchentage geben nicht das Stimmungsbild wieder,wie Kirche funktioniert instrumentalisierrt.

    Ohne Poppen würde die Institution Kirche menschlicher,realitätsnäher sein.

    Die beste Werbung sind nicht geschaltete Anzeigen,Banner,Flyer,sondern die Mund zu Mund Empfehlungen.