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Kolumne GerüchteBloß keine Witze über die Evolution

Männer, die sich sexuell belästigt fühlen, sind ein schwieriges Thema. Für die Frauen.

M änner, die sich sexuell belästigt fühlen? Harhar. Lustig - das denken Sie vielleicht. Finde ich aber nicht. Denn Gleichberechtigung auf diesem Feld ist eine ganz neue Sache. Für die Frauen.

"Die Stimmung war immer fröhlich", erzählt Freundin Britt betreten, "der Typ hatte oft einen witzigen Spruch auf den Lippen, mehrfach hatte er sogar das Styling von Kolleginnen kommentiert." Wir sitzen im Biergarten. Im Hintergrund läuft die WM. Uruguay gegen Frankreich.

Britt hatte einem männlichen Kollegen, der in ihrem ansonsten lockeren Büro gerade zum Projektleiter befördert worden war, sektselig gratuliert. Mit ihrem ironischen Unterton, der sie schon oft in Schwierigkeiten brachte: "Hey Chefsein, super, wieder eine Stufe höher im evolutionsbiologischen Ausleseprozess! " Der sonst umgängliche Kollege fand das nicht lustig und hatte Britt vor allen anderen zurechtgewiesen, sie solle bitte ihre "Projektionen" nicht auf ihm "abladen", für ihre "Probleme mit Männern" könne er nichts, sie solle die "blöde Anmache" künftig lassen.

Bild: privat

Barbara Dribbusch ist Redakteurin im Inlands-Ressort der taz.

Blöde Anmache! Mir schwant schon länger, dass sich etwas ändert im Geschlechterverhältnis. Lukas, 48, und nebenberuflich Klettertrainer, versicherte mir neulich in der T-Hall, er würde "nie, nie wieder" einen Kurs leiten, in dem sich zu 80 Prozent Frauen befinden. "Diese saublöden Sprüche!"

Theresa steckte mir später die Details: Während der Kletterwoche in Franken hatte die 80-Prozent-Frauengruppe Lukas' Armmuskelperformance mehrfach kommentiert, durchaus positiv, aber auch einmal kichernd, als er beim Vorstieg ins Seil stürzte. Am Ende der Woche wollten ihm die Teilnehmerinnen zum Dank ein Bier ausgeben, das er wütend wegkippte. Die Woche endete in Betroffenheit.

"Ich kam mir superblöd vor mit dem Kollegen", fährt Britt fort, während die Vuvuzelas im Hintergrund dröhnen, "vielleicht haben wir Frauen zuwenig Training, um zu wissen, wann wir Grenzen überschreiten".

Auch mein Bekannter Friedrich, der ein Softwareunternehmen leitet, berichtete mir von einer Untergebenen, die beim fachlichen Gespräch mit ihm plötzlich einen provozierenden Ton anschlug, "das klang fast anbaggernd, ich hätte sie am liebsten gewarnt, sie soll mich doch in Ruhe lassen", empörte sich Friedrich.

Mir fällt eine Website des Männerberaters Peter Thiel ein, der darauf hinweist, dass Männer schon bei der eigenen Mutter oft leidvoll erfahren müssen, dass sie "weibliche Grenzüberschreitungen hinzunehmen haben." Neulich zum Beispiel, in der Yogaschule, habe ich dem nett aussehenden Herrn auf der Nachbarmatte mehrfach zugelächelt, während wir die "Katze" und den "Baum" übten. Nur einmal grinste er zurück. Hatte das nicht gequält ausgesehen, so rückblickend betrachtet ? Vielleicht sollte ich vorsichtiger sein.

"Es ist ein Rollenproblem", seufzt Britt, "aber Frauen können doch nicht wieder Bambi spielen!" "Jedenfalls sollte man das Wort 'Evolution' bei Witzen nicht verwenden", schlage ich vor. Die Vuvuzelas tröten. Das Fussballspiel endet 0:0. Sehen schon gut aus, die Urus. Manchmal gibt es eben keine Gewinner. Dann ist das Spiel wieder offen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

17 Kommentare

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  • F
    Franzmann

    Ich bin ein Mann und lebe in Frankreich. Mit den Frauen in Frankreich bin ich "auf Augenhöhe", was diese sehr schätzen. Die unangenehmen "Kommunikationsstrukturen" welche ich in Deutschland von Frauen oft erlebe, die sehe ich in Frankreich nicht. Haben wir da etwa eine "kulturelle" Komponente in der Männer -Frauen Beziehung...?

  • U
    udid

    Frau konnte sich gegen sexuelle Belästigung immer auch schon selber wehren, wenn sie schlagfertig und nicht feige war.

     

    Wenn man nicht schlagfertig war musste man rumheulen. Heute müssen die Jungs rumheulen, die sich Sprüche von Frauen gefallen lassen müssen, denen sie das Recht nicht zugestehen auf gleicher Augenhöhe zu witzeln.

     

    Chefchen möchte eindeutig nicht schlagfertig sein. Er ist in eine Leitungsposition aufgestiegen und hat das Bedürfnis vom netten, lockeren Kollegen zum respektierten Vorgesetzten zu werden. Also muss er ein Exempel statuieren. Also ist die coole Sprücheklopferin dran.

     

    Hier geht es also um die als übergriffig wahrgenommene Form, nicht den Inhalt.

  • MM
    meine meinung

    "ganau diese Ach-die-Jungs-vertragen-das schon-Haltung ist eine der Sachen, die für Männer wirklich nerven können"

    eben - nerven. (sexuelle) belästigungen sind aber nicht einfache nervereien.

    dieser artikel und einige der kommentare verharmlosen damit ernsthafte probleme, denen vor allem frauen immer noch im alltag gegenüberstehen.

    und zum total normalen rumnerven: das können männer auch ganz super.

  • M
    Mediterran

    @Meinung

    "Die Emanzipationswelle der 70er/80er hat viele Kerle

    dazu gebracht, zu Weicheiern(sog. Softis) zu werden.

    "

    Genau diese Art von Wortlaut "KERLE" ist es die die Männer nicht mehr hören wollen. Wenn heutzutage eine Frau auch nur den Hauch einer sexuellen Belästigung "fühlt" wird ganz grosses Geschütz aufgefahren. Auch Männer sind dann sofort auf der Seite des Retters. Bitte gleiche Rechte für beide Geschlechter, oder wollen Sie als "Tussie" betitelt werden ?

    Ich nicht

  • R
    rechthaba

    Ein sehr guter Artikel, der leider schon wieder jede Menge blödsinniger Kommentare auf sich gezogen.

     

    Feministische/Gleichberechtigungs-TheoretikerInnen sollten sich dringend einmal mit dieser Thematik auseinandersetzen, ganz offensichtlich gibt es hier bei einigen Frauen erheblichen Nachholbedarf (siehe Carla/Diana, ganau diese Ach-die-Jungs-vertragen-das schon-Haltung ist eine der Sachen, die für Männer wirklich nerven können).

  • W
    Wüffel

    @conrado

     

    Ja, ausländische Frauen.

     

    Ich frage mich schon seit Jahren, wie die es in einigen Ländern hinbekommen, eine weibliche, liebevolle Ausstrahlung zu besitzen und dennoch auf gleicher Augenhöhe mit den Männern zu sein.

     

    Unsere Gleichstellungsbemühungen erinnern da mehr an das Nachschlagen auf einen bereits KO gegangenen Gegner.

     

    Völlig lächerlich das Ganze.

  • M
    Meinung

    Frauen ... ist eine Pauschalisierung,

    die wie jede Ihrer Art nur des Pudels Fell streichelt,

    aber nicht seinen Kern trifft.

    Während die eine zickt, gibt sich die nexte Burschikos,

    eine macht auf Domina die nächste auf Nesthäkchen ....

    üsw usw usw -Die einzige Pauschalisierung die wirklich triff,ist das zwischen den Beinen.

    (sexistisch ? Hoffentlich -.- )

     

    Die Emanzipationswelle der 70er/80er hat viele Kerle

    dazu gebracht, zu Weicheiern(sog. Softis) zu werden.

    -Nun gibt es vielfaches Bedauern-

    Nun schlagen manche Kerle halt zurück und nicht jeder möchte wegen seiner Position angebaggert werden Frau Sekret-ärin - untergräbt nämlich das Chefchen - untergebenen--verhältnis.

    Nach Feierabend und unter 4 Augen möglich - vor Versammelter Belegschaft ein Faux-pas

    Wo also mag da wohl die Grenze sein ?

     

    gruss

    Eine Meinung

  • C
    Conrado

    Wenn alle verunsichert sind und staendig Angst haben, auf "Mienen" zu treten, hilft nur noch das Eine: Entspannen! Ja, das Leben ist komplex, aber man muss Komplexitaet reduzieren, um handlungsfaehig zu bleiben. Dann sind Sprueche und Bemerkungen ploetzlich wieder das, was sie sind: Spueche und Bemerkungen.

    Ich lebe seit Jahren im osteuropaeischen und asiatischen Ausland und moechte hier nur sagen, dass der Artikel und die meisten Kommentare mir doch sehr "deutsch" vorkommen. Das soll heissen, sie sind ganz eindeutig landes- und zeitspezifisch. Also, bitte: Entspannen! Wenn's nicht klappen will: Auswandern!

  • DW
    Dieter Wüffel

    Als IT-Fachmann musste ich schon durch so einige Büros und kann den Artikel nur bestätigen.

     

    Ich habe viele niveaulose, dämliche Anmachen von dämlichen Frauen hinter mir. Einige dieser Frauen schwangen umgekehrt, falls ein Mann sie mal "anmachte", plötzlich einen femifaschistischen Hammer vom Allerfeinsten.

     

    Feminismus ist für viele der Damen nach wie vor scheinbar Auslegungssache. Mich nervte es einfach nur noch und lebe inzwischen glücklich alleine.

  • S
    Spruchklopfer

    Alle im Beitrag genannten Beispiele zeugen für mich von Überempfindlichkeit.

     

    Wie trist wäre die Welt, wenn Mann oder Frau beim Yoga (oder wobei auch immer) nicht rüberlächeln dürften.

     

    Ein Klettertrainer, der abrutscht, hätte auch bei männlichen Teilnehmern einen Spruch einzustecken. Warum auch nicht.

     

    Der Spruch gegenüber dem neuen Projektleiter ist "geschlechtsneutral" denkbar und zeugt ja durchaus auch ein bisschen von Anerkennung.

     

    Bitte, liebe politisch Korrekte, übertreibt es nicht. Manchmal habe ich den Verdacht, Ihr bekommt zu wenig solcher Sprüche und gönnt sie anderen nicht.

  • D
    Diana

    Ach was, alles Mumpitz!

     

    Was sind wir blöd angemacht worden (ja leider, früher)! Was haben wir Sprüche zurückgegeben!

    Die Jungs sind / waren einfach schmerzfreier.

     

    Ein guter Spruch ist ein guter Spruch, ob er richtig ankommt; wen interessiert's? In dieser Situation kann doch jedeR alles so verstehen, wie es seine/ ihre Stimmung gerade hergibt.

     

    Und dass man wegen einem Spruch komplett be- (ver)urteilt wird? Ach nee, läuft doch alles schon vorher.

     

    Nur wir Frauen, wollen immer gemocht werden. Sind irritiert, wenn wir jemanden irritieren. Ts Ts Ts

  • E
    Edgar_Wibeau

    Erinnert sich jemand Robert, den vielleicht 16jährigen aus der Schokoriegel-Werbung? Vier dicke alte Tanten umwerben und umturteln ihn den ganzen Spot lang, Rooooooooooobert! Und füttern ihn - auf seinem Bett! - zärtlichst mit Schokoriegeln.

     

    Dreht mal die Geschlechter um und schaut, was passiert.

     

    Ich fand den Sport schlicht widerlich.

     

    Im Allgemeinen bin ich nicht prüde, mag Komplimente und - im Rahmen - anzügliche, nur falls einer fragt.

  • M
    minimacho

    Naja Volker, ich nehmen mal an dass viele Frauen viele Männersprüche für ebenso unlustig halten.

     

    Wir sind in der Geschlechterdiskussion eben grundlegend "verunsichert", wie man das glaube ich heutzutage bezeichnet.

     

    Unter Männern kann man sich jeden Blödsinn an den Kopf werfen, da wissen wir woran wir sind. Unter Frauen - hmmm, da droht meiner Beobachtung nach bisweilen Zickenkrieg.

     

    Aber geschlechterübergreifend? JedeR ist doch zutiefst argwöhnisch, ob hinter der Frotzelei nicht etwas tieferes steckt, was er/sie nicht kapiert. Ebenso ist es mit Komplimenten -wer macht denn heute von uns Kerlen noch ein Kompliment?

     

    Das erste Merkmal ist nunmal Aussehen/Kleidung - aber frau argwöhnt entweder versteckte Kritik, versteckte Anmache, versteckte Diffamierung, was auch immer. Alles absolut vermintes Gelände.

     

    Ich habe im spanischen Ausland gelebt, da ist man nicht so geizig. Deswegen lasse ich mir Komplimente auch nicht nehmen, auch wenn ich mir das eine oder andere verkneife, wo ich das Gefühl habe meine Botschaft kommt nicht so an, wie sie gemeint ist.

     

    Um auf die Ursprungsfrage zurückzukommen:

    ich persönlich hätte nix gegen einen Frauenzoo (deine Wortwahl, nicht meine) um mich herum. Ich kann dumme Sprüche von Kerlen einordnen, und ich hätte nichts gegen Sprüche von Frauen, und wenn es nur um den Knackarsch geht.

     

    Ich habe aber auch mein Ego durch ein Selbstbewusstsein ersetzt...

  • C
    Carla

    Männer haben mehr Humor als Frauen. Deshalb kann ich den Artikel nicht ganz nachvollziehen. Es kommt wohl auf Feinheiten an, aber normalerweise freuen sich Männer wenn man mit ihnen flirtet mittels lockerer Sprüche

  • U
    Unzeit-gemäß

    Seien wir mal ehrlich: Nach männlicher Sprachlogik ist "sexuelle Belästigung" ein Widerspruch in sich, uns stört sowas in keinster Weise.

  • K
    Kenubajuk

    @volker Ziemlich gute Einschätzung!

    Wobei der Spruch,

    "Hey Chefsein, super, wieder eine Stufe höher im evolutionsbiologischen Ausleseprozess!",

     

    schon cool ist!

  • V
    volker

    Ich denke nicht das Männer sich durch solche Sprüche sexuell belästigt fühlen, sondern sie sind ganz einfach genervt durch das dumme, pointenlose Gelabere von manchen Frauen. Da kann man schon mal die Countenance verlieren.

     

    Wer will beim Klettern schon einen dumm gackernden Zoo umsich haben, der jede ernsthafte sportliche Aktivität auf das Niveau einer Atemübungshechelgruppe herabzieht.