Kolumne Geht’s noch?: Nicht mehr komisch
Wolodimir Selenski, Präsident der Ukraine, meint, die schönen Ukrainerinnen seien ein Markenzeichen seines Landes. Die finden das gar nicht witzig.

A ls hätte Wolodimir Selenski, der quasi über Nacht vom Komiker zum ukrainischen Staatspräsidenten avancierte, nicht schon genug Probleme am Hals: ein Friedensprozess in der Ostukraine, der diesen Namen nicht verdient. Ein längliches Gezerre um den Termin für vorgezogene Wahlen (jetzt wohl am 21. Juli), weil das Verfassungsgericht bockig war.
Und eine drohende Rückholung Russlands in den Europarat – als Belohnung dafür, dass die Krim immer noch völkerrechtswidrig besetzt ist und der Krieg in der Ostukraine mit freundlicher Unterstützung Moskaus weitergeht.
Während seiner Antrittsbesuche in Paris und Berlin Anfang dieser Woche griff der Politneuling dann auf internationalem Parkett so richtig schön in den Abort. Bei der Begrüßung Selenskis mit militärischen Ehren in Berlin fing Bundeskanzlerin Angela Merkel an zu zittern, was weniger freudiger Erregung denn temporärer Dehydrierung geschuldet war. Doch auf solche Feinheiten kommt es nicht an. Er habe neben ihr gestanden und die Kanzlerin sei die ganze Zeit in voller Sicherheit gewesen, ließ Selenski wissen. Ein echter Beschützer, ein Mann mit Eiern eben.
Dieses Statement nahm sich jedoch noch vergleichsweise harmlos aus im Vergleich zu dem, was der erste Mann der Ukraine in Frankreich zum Besten gegeben hatte. Die schönen Ukrainerinnen seien ein Markenzeichen seines Landes, was auch Touristen schon aufgefallen sei, meinte Selenski.
Unter Generalverdacht der Prostitution
Eine derart plumpe PR fanden vor allem viele Frauen in der Ukraine alles andere als komisch – wie Kommentaren unter dem Hashtag #Iamnotyourtourismbrand zu entnehmen ist. Ein touristisches Markenzeichen? Von wegen, wettert eine Ukrainerin, die eine Entschuldigung fordert. Sie, wie tausende andere Frauen auch, seien eine hoffnungsvolle Rückenstärkung der ukrainischen Kämpfer.
Sexistische Anwandlungen Selenskis sind das eine, erhebliche Wissenslücken im Fach Geschichte bzw. Landeskunde das andere. Offensichtlich erinnert sich Selenski nicht an den Visa-Skandal zu Zeiten des grünen Außenministers Joschka Fischer.
Reiselustige UkrainerInnen standen unter dem Generalverdacht der Prostitution – perverse Fantasien, die auch heute noch durch kranke Hirne geistern. Oder die feministische Gruppe Femen, die mit spektakulären Aktionen für Frauenrechte kämpfte, und das nicht nur in der Ukraine.
Man stelle sich vor: barbusige Frauen, die Redebedarf haben und den Amtssitz Selenskis stürmen. (K)eine lustige Vorstellung.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden