Kolumne Geht's noch?: Armer Cliff Huxtable!
Bill Cosby bedient sich seiner Rolle als beliebter Familienvater aus der „Bill Cosby Show“, um einer Haftstrafe zu entgehen.
![Bill Cosby und Keshia Knight Pulliam lachen auf dem Weg zum Gericht Bill Cosby und Keshia Knight Pulliam lachen auf dem Weg zum Gericht](https://taz.de/picture/2083037/14/0313.jpeg)
B ill Cosby geht nicht ins Gefängnis. Der 79-jährigen Schauspieler, dem von beinahe 60 Frauen sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, hat nochmal Glück gehabt: Die Jury konnte kein einstimmiges Urteil fällen. Wenn das mal nicht mit seiner berühmtesten Rolle zusammenhängt: Dr. Cliff Huxtable.
Die „Bill Cosby Show“ , die zwischen 1984 und 1992 lief, genießt eine besondere Stellung im kulturellen Gedächtnis der USA. Zeitweise hatte die Sitcom, die sich als eine der ersten um eine gutbürgerliche, afroamerikanische Familie drehte, ohne in Stereotypen abzudriften, sogar Einschaltquoten von 50%. Grund dafür war vor allem die Figur des unterhaltsamen Cliff Huxtable, der immer einen Weg fand, seine Kinder mit väterlicher Situationskomik aufzuziehen.
Diese Rolle nutzte Bill Cosby nun, um sich aus der Affäre zu ziehen. Zum Prozessbeginn Anfang Juni begleitete ihn keine andere als Keshia Knight Pulliam, die acht Jahre lang Cliff's jüngste Tochter Rudy spielte.
Eine PR-Strategie mit klarer Absicht
„Hier wird die Wahrheit herauskommen“, sagte sie nach dem Verhandlungstag. „Letztendlich ist es einfach, jemanden zu unterstützen, wenn die Dinge gut stehen“, fuhr sie fort, aber echte Familie, Freundschaft und Integrität zeige sich daran, wie man sich verhalte, wenn die Situation mal nicht so rosig sei.
Was diese PR-Strategie bewirken sollte, ist klar – die Vermischung der Person Cosby mit seinem liebenswerten Alter Ego Huxtable.
Bill Cosby wird vorgeworfen, eine junge, hübsche Frau mit Tabletten willenlos gemacht und sich an ihr vergangen zu haben. Dass er zum ersten Verhandlungstag mit einer ebenfalls jungen, hübschen Frau am Arm auftauchte, wirkt beinahe schon hämisch. Dass es aber gerade Rudy war, die sich für ihren Rollenvater aussprach und mit ihm für seinen Twitter-Account posierte, macht die Sache noch viel schlimmer.
In der „Bill Cosby Show“ war Rudy nicht nur die niedliche, naive Fünfjährige aus Staffel eins. Das Publikum sah sie über Jahre hinweg zu einer Feministin heranwachsen, die Geschlechterrollen kritisch hinterfragte und sich mit ihrem Kumpel Kenny über seine chauvinistischen Ansichten stritt.
Mit dem medial in Szene gesetzten Auftritt der Schauspielerin machte Knight Pulliam ihrer damaligen Rolle keine Ehre. Pünktlich zum Prozessauftakt erinnerte ihr Erscheinen an die herzensgute Vaterfigur, die Cosby jahrelang verkörpert hatte. Cliff Huxtable hätte niemals jemanden vergewaltigt – wie wäre also Bill Cosby dazu imstande?
Cosby zieht sein Alter Ego mit nach unten
Der Schauspieler ist sich der Bedeutung seiner Figur natürlich bewusst und spielt die Verwirrung für sich aus. Selbst hat er sich zwar nie öffentlich geäußert, auch nicht vor Gericht, aber die Wahl seiner Begleitung und dass er den Reportern vor dem Justizgebäude mehrmals seinen Catchphrase „Hey, hey, hey!“ aus der Zeichentrickserie „Fat Albert and the Cosby Kids“ zurief, sprechen Bände.
Neben Knight Pulliam hatte sich Phylicia Rashad, die Cliff's Ehefrau Claire in der Show spielte, bereits 2015 an die Seite ihres Schauspielkollegen gestellt. “Vergesst diese Frauen“, soll sie dem Filmkritiker Roger Friedman gesagt und erörtert haben, dass es sich bei den Vorwürfen um eine Inszenierung handle, um das Vermächtnis Cosbys in den Schmutz zu ziehen. Sie sei falsch zitiert worden, erklärte sie später. Äußern will sie sich zu dem Fall nicht mehr.
Armer Cliff Huxtable! Cosby hätte den liebenswerten Arzt nicht in seine Machenschaften hineinziehen sollen – denn „America's Dad“ stand nicht wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht, sondern der Schauspieler Bill Cosby.
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