Kolumne Geht’s noch?: Nie wieder Rock ’n’ Roll
Barack Obama kommt zum Kirchentag. Ja, genau der Obama. Dieser Präsident, der mal richtig cool war. Damit ist es nun vorbei.
D er Evangelische Kirchentag in Berlin, weltweit größter Aufmarsch in Birkenstock-Latschen sowie Umschlagplatz von ökologischer froher und Friedensbotschaft, ist die uncoolste Nummer, die man sich vorstellen kann. Im Vergleich sind Pfadfinderlager oder Parteitage der Jungliberalen Messen des Rock ’n’ Roll. Nichtsdestotrotz hat Barack Obama sein Erscheinen bei dem Protestantentreffen zugesagt.
Obama: War das nicht dieser gut aussehende, witzige, vor allem aber ziemlich coole US-Präsident? Vorbei. Viele Frauen werden weinen. Männer, die ja oft große Schwierigkeiten mit Konkurrenzkonstellationen haben, werden sich hingegen freuen. Der Typ wird nach seiner Teilnahme an der Rotbäckchenparade endgültig verbrannt sein: als Intellektueller, als Hoffnungsträger, als Sexsymbol. Keine andere der typischen Beschäftigungen für gelangweilte Rentner wäre seinem guten Ruf auch nur annähernd so abträglich: mit dem Auto im „versehentlich eingelegten“ Rückwärtsgang die eigene Frau totfahren, im Keller mit der elektrischen Eisenbahn spielen, mit den leer getrunkenen Bierdosen von der Parkbank aus nach Eichhörnchen werfen. Könnte er alles machen. Bloß nicht Kirchentag.
Noch so ein Loser
Und als wäre das nicht demütigend genug für den einst so stolzen Mann, fährt er nach dieser öffentlichen Selbstdemontage auch noch weiter nach Baden-Baden, um den Deutschen Medienpreis entgegenzunehmen. Vor ihm haben den schon Bono, Boris Jelzin und Joachim Löw erhalten; es ist also ein Preis für Leute, die man noch irgendwie ehren muss oder will, man weiß nur nicht recht, wie, womit und wofür.
Zwar scheißt der Teufel weiter auf den größten Haufen, doch in diesem Fall ist der Stuhl schon reichlich flüssig. Dazu holt Obama den Trostpreis auch noch selber ab! Was kommt dann bloß als Nächstes? Besucht er auf dem Weg ein Bundesligaspiel des FC Ingolstadt? Spricht er zur Eröffnung einer Aldi-Filiale in Pirmasens?
Er sollte sich ein Beispiel an Bob Dylan nehmen. Der hat zwar seinen Preis am Ende zähneknirschend abgeholt, aber erstens unter Ausschluss der Öffentlichkeit, zweitens, nachdem alle Welt ein halbes Jahr lang verbal auf ihn eingedroschen hat wie auf einen toten Esel, und drittens war es immerhin der Literaturnobelpreis. Und nicht so ein Blumentopf für Loser.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit