piwik no script img

Kolumne Gangneung StylePurzelnde Kalorien, Berge von Bacon

Olympia ist für unseren Autor alltäglich geworden. Als Sportreporter sitzt er oft stundenlang in Bussen oder wartet auf Pressekonferenzen.

Für manche Teil des Olympia-Programms: Bacon zum Frühstück Foto: imago/CHROMORANGE

Der tägliche Gruß des olympischen Murmeltiers ereilt mich stets im Lift. „We’ll present you with a gift of lifelong memories“, steht da an der Tür. Die Region Gangneung wirbt für Küche und Sehenswürdigkeiten. Nach ungezählten Olympiatagen haben sich einige Routinen eingeschlichen. Olympia ist alltäglich geworden.

Wenn ich zum Beispiel ins Fitnesscenter gehe, dann sehe ich immer den dicken Ami, der über eine verblüffende Kondition verfügt. Ich sehe den magersüchtigen Deutschen, der offensichtlich den gleichen Ernährungsberater hat wie unsere Skispringer.

Deutsche und Amis kriegen anscheinend nie genug. Es reicht nicht, jeden Tag 8.000 Zeichen zu schreiben oder 20 Kilo Fotoausrüstung auf den Berg zu schleppen, nein, in aller Frühe müssen auch noch 450 Kalorien purzeln, sonst hat das Leben keinen Sinn. Einer humpelt sogar mit einem verstauchten Knöchel ins Fitnesscenter und gibt sich dann mit Gewichten die Kante.

Im Frühstückssaal sitze ich immer im gleichen Bereich, man hat halt so seine Vorlieben. Außerdem sind Toaster und Orangensaft nur zwei Schritte entfernt. Das Problem: Mein früherer Chef hat sich das gleiche Areal ausgesucht, um dort Berge von Bacon in sich hineinzuschaufeln. Neulich setzte sich der Exchef, zu dem ich, um es vorsichtig auszudrücken, ein gespaltenes Verhältnis habe, drei Meter neben mich.

Geduld und Demut sind Tugenden, die bei Olympia geschult werden

Ich fand das so albern, dass ich ihn einlud, sich doch zu mir zu setzen. Was er dann auch tat. Wir plauderten mehr schlecht als recht. Auf meine Frage, ob er hier auch mal zu Sportveranstaltungen gehe, gab er die für mich wenig überraschende Antwort: „Nö, warum?“ Darauf gäbe es meiner Meinung nach mindestens ein halbes Dutzend gute Antworten, aber mei. Ich nahm diese Aussage zur Kenntnis wie früher irgendwelche Anweisungen.

Ich darf verraten, dass ich hier sogar täglich zu Sportveranstaltungen gehe. Aber die meiste Zeit verbringe ich im olympischen Transfer­bereich. Man sitzt stundenlang in Bussen, steht sich stundenlang in der Mixed Zone die Beine in den Bauch, wartet stundenlang darauf, dass endlich die Pressekonferenz anfängt, hockt stundenlang in zugigen oder überheizten Zelten.

Geduld ist eine Tugend, die bei Olympia geschult wird. Und auch die Demut vor dem Pensum der Kollegen. Mein WG-Genosse kommt oft mitten in der Nacht nach Hause, erschöpft von seinen vielen Texten, die er wieder an verschiedene Redaktionen geschickt hat. Im Vergleich dazu komme ich mir vor wie ein fauler Sack, verfilzt in seine olympischen Routinen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!