Kolumne G-nervt: Fette Beats und Markenklamotten
Linke Jugendliche tragen schwarze Kleidung und versuchen, alles richtig zu machen. Aber warum sollten sie mehr auf die Reihe kriegen als alle anderen?
Warum wird von der linken Jugend so viel erwartet? Und wieso regen sich alle auf, wenn sie Markenklamotten trägt? Diese Fragen stellte ich mir, als ich mir ein Video anschaute, das durch meine Facebook-Timeline gespült wurde. Mehr als 44.000 Klicks, über 470 Likes und zahlreiche Kommentare.
Es handelt sich um ein Mobilisierungsvideo, das zur Demonstration gegen G 20 aufruft und auf der Seite des Protestkollektivs „G 20 entern“ veröffentlicht wurde. Was in diesem Video zu sehen ist? Fette Beats, Jugendliche in Markenklamotten mit bengalischen Fackeln, die den Himmel über dem Hamburger Hafen rot färben. Überinszeniert, aber ziemlich stimmungsvoll. Am Ende werden über dem Bild eines Enterhaken schwingenden Menschen die Daten großer Demonstrationen während des Gipfels eingeblendet.
Wenig überraschend bezeichnet die Hamburger Morgenpost das Video als „martialisch“ und „gewaltverherrlichend“. Doch kam Kritik auch von anderer Seite: Linke Kommentierer*innen stießen sich an der zu poppigen Aufmachung und den bösen Markenklamotten. Sie wünschten sich weniger Lifestyle und mehr revolutionäre Inhalte.
Damit sind die linken Kritiker*innen ähnlich streng wie die populistische Mopo: Beide gehen so an die jungen Aktivist*innen aus dem Video heran, als wären sie ausgewachsene Revolutionär*innen. Mopo und Linke erwarten von ihnen das Einstürzen des politischen Systems, nur dass die einen daraus ein Horrorszenario entwerfen und die anderen meinen, dafür seien die Jugendlichen nicht gut genug.
Keine Revolution
Wer selbst ein Mensch unter 40 ist oder schon mal Teil einer Bewegung oder Szene war, weiß aber, dass viele Jugendliche einfach Bock haben auf Style. Warum sollte das bei Linken anders sein? Sollen sie sich abkapseln, in den Wald gehen und sich ihre Klamotten selber nähen?
Als ich für ein paar Monate in einem besetzten Haus in der „Küche für alle“ mitkochte, wollte ich mich im Viertel engagieren. Ich dachte, Essen ist etwas, über das sich alle Menschen freuen. Die Aktivist*innen dort haben auch schwarze Kleidung getragen und versucht, alles richtig zu machen. Aber eine tatsächliche Änderung des Systems hätte ich von ihnen nicht erwartet. Ich wäre schon zufrieden gewesen, wenn sie verantwortungsvoll mit ihrem Putzdienst umgegangen wären.
Auch beim revolutionärsten Lifestyle kommt am Ende keine Revolution heraus – schon gar nicht bei den vielen Klaus und Juttas, die sich fair gehandelte Hemden leisten können. Sie kriegen am Ende auch nicht alles auf die Reihe. Genauso wie die Jugendlichen im Video, aber immerhin haben sie ein Video gemacht.
Daher mein Rat: Hört nicht auf, die linke Jugend ernst zu nehmen, aber erhebt an sie nicht höhere Ansprüche, als ihr selbst je erfüllen könnt.