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Kolumne Fremd und befremdlichVom Wert der Schönheit

Kolumne
von Katrin Seddig

Schönheit ist etwas bewundernswertes. Und trotzdem wird der Schönheit in unserer Gesellschaft ein falscher Platz zugewiesen. Sie müsste weiter unten stehen.

Schöne Frauen im Wettbewerb: Miss Südafrika, Miss Thailand und Miss USA Foto: dpa

I ch bewundere Schönheit. Ich bewundere einen schönen Menschen wie eine schöne Vase oder ein Reh. Ich mag Mode. Ich sehe mir gerne Modenschauen an. Ich sehe es gerne, wie diese großen, schönen Menschen in diesen wundervollen Klamotten über den Laufsteg balancieren, als wären sie aus einer anderen Welt. Aus einer kühlen, unwirklichen, aus einer künstlichen Welt. Ich erwarte nicht, dass sie natürlicher aussehen, durchschnittlicher in ihren Proportionen, dass die Mode erschwinglicher und tragbarer ist.

Das wäre wie, wenn ich verlangen würde, Kunstwerke sollten so beschaffen sein, dass sie in meine Genossenschaftswohnung über mein Sofa passen. Ich weiß natürlich um die Diskussionen über Körpernormen, ich weiß um den Druck, der durch solche Vorbilder in jungen Köpfen erzeugt wird, insbesondere in den weiblichen. Aber Schönheit ist ein Wert, der wird nicht dadurch verschwinden, dass wir so tun, als bestünde er nicht. Oder wenn wir so tun, als wären wir alle gleich schön wie Models. Sind wir nicht.

Meine Haut und meine Haare, die sind nicht mehr so, wie sie waren, als ich zwanzig war. Aber es lässt mich kalt. Ich bin klüger. Ich bin nützlicher und gütiger. Ich bin sogar glücklicher. Das sind alles Werte. Wir dürfen einfach den Wert der Schönheit nicht so hoch einschätzen. Sie ist doch um einiges weniger wert als die Güte. Als die Klugheit. Aber dennoch ist sie ein Geschenk. Das Problem ist, dass der Schönheit in unserer Gesellschaft ein falscher Platz zugewiesen wurde. Sie müsste weiter unten stehen.

Das Problem ist aber nicht, dass manche Menschen schöner als andere sind. Manche Menschen sind auch klüger als andere, mutiger, sie laufen schneller oder spielen besser Fußball. So sind die Gaben nun einmal verteilt. Aber damit müssen wir fertig werden. Wir werden nicht dadurch damit fertig, dass wir so tun, als bestünden diese Unterschiede nicht. Selbst Kinder wissen, dass wir sie anlügen, in solchen Fällen.

Meine Haut und meine Haare sind nicht mehr so wie mit 20, aber es lässt mich kalt
Lou Probsthayn
Katrin Seddig

ist Schrift-stellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

In Bad Zwischenahn, in Niedersachsen, finden Schönheitswettbewerbe statt. Da wird die Miss Germany gesucht. Der Mister Germany. Und jetzt eben fand die Wahl zur schönsten Frau über Fünfzig statt. Miss Germany 50+. Ich habe mir die Gewinnerin angesehen und ich finde, sie sieht wirklich sehr gut aus. Auf eine angenehme Art. Die jungen Miss Irgendwas gefallen mir oft nicht, weil sie so puppenhaft aussehen. Weil so etwas Unbedarftes aus ihren strahlenden Augen herausschaut. Aber das weiß ich natürlich nicht. Ich weiß nichts über diese Frauen und ich verurteile sie nicht, weil sie sich diesem Wettbewerb aussetzen. Wir setzen uns alle täglich einem Wettbewerb aus.

Auf unserem Arbeitsplatz. In unserer Sportgruppe. Mit unseren Hobbys. Wir brauchen Anerkennung. Warum melde ich mich für einen Marathon an? Warum poste ich meine Urlaubsbilder auf Facebook? Warum stelle ich meine Bilder in einer Galerie aus? Warum lackiere ich mir die Nägel, trainiere meine Muskeln, bewerbe mich um einen Literaturpreis? Es ist alles die Lust am Wettbewerb, der Drang, sich auf irgendeinem Gebiet zu beweisen.

Lust am Wettbewerb

Solange wir diesen Wettbewerb spielerisch nehmen, solange wir nicht von Ehrgeiz zerfressen werden und mit nur einem weinenden Auge verlieren, ist es in Ordnung. Schwierig finde ich, wenn vor allem Männer Frauen bewerten. Dass der Wert von Schönheit bei Frauen insgesamt viel zu hoch bewertet wird, dass Frauen objektiviert werden, auf ihren Körper reduziert, dass ihr Wert oft überhaupt nach ihrem Aussehen bemessen wird, das ist ein Problem, an dem mitschuld zu sein, sich Misswahlen vielleicht vorwerfen lassen müssen.

Aber das liegt mehr daran, wie sie ablaufen, als an ihrer bloßen Existenz. Die Jury des Miss-Germany-Finales bestand in diesem Jahr aus vier Frauen und sieben Männern. Das könnte man sicher besser machen. Aber sonst? Und vielleicht muss man erst einmal zweiundfünfzig sein, um überhaupt auf die entspannte und fröhliche Art an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen zu können.

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