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Kolumne FrauenEin Vampir, der nur kuscheln will

Kolumne
von David Denk

Mütter wünschen sich ihn als jungen Lover, Töchter als ersten Freund: Robert Pattinson.

N eulich habe ich einen Schrein entdeckt, im Schaufenster der Bahnhofsbuchhandlung von Baden-Baden. Das fand ich schon einigermaßen ungewöhnlich. Gewidmet war er nicht etwa einem reichen Russen, der viel Geld in der Stadt gelassen hat, sondern einem jungen Mann, der wohl noch nicht mal genau weiß, wo Baden-Baden liegt. Muss er auch gar nicht, er ist ja erst 23, also noch weit entfernt vom Kurbedarf - wobei: Wenn das so weitergeht mit dem Hype um seine Person, ist er schneller reif für Baden-Baden, als ihm und seinen Fans lieb ist.

Die Rede ist natürlich von Robert - und ab hier etwa müssen Sie sich infernalisches Teeniegekreische denken - Pattinson. Den kennen Sie nicht? Dann sind Sie ziemlich sicher ein Mann. Pattinson, von dem seine Fans - Vorsicht Wortspiel! - "robsessed" sind, ist Schauspieler und spielt die Hauptrolle in der Vampirromanze "New Moon", die heute in unsere Kinos kommt und in den USA 72,7 Millionen Dollar eingespielt hat - am ersten Tag. In Deutschland sind 300.000 Tickets vorbestellt.

Bevor Sie jetzt denken, soso, der Denk steht auf kleine Jungs, möchte ich betonen, dass ich bis vor kurzem keine Ahnung hatte, von wem 13-jährige Mädchen (und auch manche Mutter) derzeit so träumen. Ich sage es nur ungern, aber ich habe teeniepopkulturell wohl endgültig den Anschluss verloren. Jedes Mal, wenn ich die Bravo durchblättere, wirft die Lektüre bei mir mehr Fragen auf, als sie beantwortet: Wer sind bloß all diese Menschen? Justin Bieber? Selena Gomez? Taylor Momsen? Die Sprouse Twins? Die Atzen? Machen wir uns nichts vor: Ich bin raus. Immerhin - und darüber bin ich froh - habe ich neulich bei "Wetten, dass …?" Lady GaGa erkannt - die ich übrigens nicht für die neue Madonna halte, aber auch das belegt wahrscheinlich nur, dass ich längst jenseits von Gut und Böse bin.

Bild: taz

David Denk ist Redakteur im taz-Medienressort.

Doch zurück zu meinem angelesenen Wissen über Robert Pattinson und "New Moon": Wenn man der Münchner Abendzeitung glauben darf, die der Fortsetzung von "Twilight" eine ganze Seite widmet und in deren Redaktion sogar ausgewachsene Kolleginnen dem "schönsten Vampir der Welt" verfallen sind, ist Pattinson "der junge James Dean mit dem Weltschmerz im Blick, der Pomade im Haar und der Zigarette im Mundwinkel, den jede Frau retten will". James Dean? Geht's auch ne Nummer kleiner? Offenbar nicht, Pattinson wurde kürzlich von Glamour zum "World's Sexiest Man" gewählt.

Pattinson mit Sex in Verbindung zu bringen ist einigermaßen kühn, denn seine Imageberater tun alles dafür, ihren Schützling als Inbegriff der Keuschheit zu positionieren und damit als ungefährlich für junge Mädchen, die Liebe suchen, aber (noch) keinen Sex. Mit James Dean hat Pattinson nur den Fünftagebart gemein: War Dean die virile Symbolfigur für die Auflehnung einer Generation gegen das Establishment, steht Pattinson für das Anlehnungsbedürfnis einer aus Verunsicherung wertkonservativen Jugend, die nur kuscheln will.

"New Moon" bedient das Harmoniebedürfnis der Zuschauer und kommt ganz ohne Jungfrauenblut aus, zeigt Vampire mit Beißhemmung. An seiner geliebten Bella (Kristen Stewart) will Edward (Pattinson) erst nach der Hochzeit knuspern - prüde wie Kommunionsunterricht ist der Film, ganz wie die ebenfalls erfolgreichen Romanvorlagen der Mormonin Stephenie Meyer.

Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Eine kleine Umfrage im taz-Kollegenkreis ergab, dass "alle Väter 15-jähriger Mädchen" Robert Pattinson kennen, andere aber durchaus Wissenslücken zeigten. Ich bin nicht allein.

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Ressortleiter tazzwei

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