Kolumne Fernsehen: Danke, bis bald, tschüss
Jauch und Raab haben dem Publikum mit ihrem stilvollen Abschied einen letzten Gefallen getan. Daran waren „Wetten, dass..?“ und Lanz gescheitert.
Am Ende musste Stefan Raab tatsächlich weinen. 16 Jahre lang hatte er „TV total“ moderiert. Am Mittwochabend war Schluss. Und er machte es kurz: „Machen Sie es gut. Danke schön.“ Er wollte einfach weg. Raab nahm seinen Kompagnon Elton, lief die Showtreppe hinauf und verschwand mit dem Fahrstuhl hinter der Bühne. Er hatte Tränen in den Augen. Er lachte. Übersprungshandlung nennt man das wohl. Gefühlsduselig war Raab nun mal nie. Und er wollte es auch jetzt nicht sein.
Am Samstag ist dann sein letzter Auftritt – bei „Schlag den Raab“. Es ist das einzige Raab-Format, das es wert ist, vermisst zu werden. Mitten in die – na ja, nennen wir es mal – Debatte darum, ob der Samstagabend als Ort für große Unterhaltung tot sei, lieferte er ab 2006 Show um Show den Beweis, dass der Sonnabendabend noch immer gefahrlos vor dem Fernseher verbracht werden kann – ohne dass einen beim Rumgammeln und -lümmeln auf dem Sofa ganz plötzlich die Erkenntnis kommt, dass man sich und sein Leben aufgegeben hat.
Aber: Mit diesem letzten Samstagabendrefugium ist es nun auch bald vorbei. Für immer. Der Ableger „Schlag den Star“ war und ist (der wird nämlich fortgeführt) langweilig. Denn die Show funktioniert nicht ohne Raab.
Derlei Probleme musste Günther Jauch nicht mit sich herumschleppen, als er vor ein paar Wochen Schluss machte mit der ARD. Die Sorge, dass der Sonntagstalk nach dem „Tatort“ ohne ihn nicht mehr funktionieren würde, treibt nur Wolfgang Bosbach um – nicht aber den Wer-wird-Millionär-Ach-ich-bin’s-doch-schon-Günni.
Auch Jauch legte übrigens einen angenehm unaufgeregten Abschied hin: „Danke Ihnen, wünschen Ihnen alles Gute und jetzt noch einen schönen Abend. Danke und auf Wiedersehen.“ Lächeln. Schnitt. Abspann. Raus.
Keine Fühlerei, keine Blumensträuße, kein Umarmen, kein Konfetti, kein Gang ins Licht (wie einst bei Thomas Gottschalk). Es ist einfach Schluss.
Haben Sie „Wetten, dass..?“ vermisst?
Bei „Wetten, dass..?“ hatte Markus Lanz 2014 versucht, eine große Abschiedsshow zu zelebrieren. Die geriet dermaßen lächerlich, dass sie als ultimativer Beweis taugte, weshalb „Wetten, dass..?“ nun wirklich niemand mehr brauchte – und sie zeigte auch, welche Show die größte Schuld daran haben könnte, dass am Samstagabend niemand, der noch ein bisschen Selbstachtung in sich trug, mehr fernsehen wollte.
Und haben Sie seitdem „Wetten, dass..?“ auch nur ein einziges Mal vermisst? Saßen Sie an einem Samstag um 20.15 Uhr auf der Couch, schalteten wie immer aufs ZDF, waren geschockt, dass nicht die Eurovisionshymne ertönte, verwirrt, ängstlich und verirrten sich dann in die heruntergekommensten Ecken des Fernsehens (zum Beispiel zum MDR)?
Nein? Dann geht’s Ihnen wie allen. Ist doch schön. Gefühle sind schließlich viel weniger individuell, als wir so denken. Gerade im Fernsehen. Wir kriegen vorgesetzt, was wir fühlen sollen. Und bei Raab und Jauch fühlte ich nichts.
Ein sehr beruhigendes Gefühl war das, dieses Nichtsfühlen. Kann ich jedem nur empfehlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen