Kolumne Einfach gesagt: Rührende Rechte

Es gibt immer mehr Rechte, die nicht so genannt werden wollen. Aber Rassismus ist keine Meinung. Rassismus ist Rassismus.

Demonstranten mit Deutschlandfahnen und "Merkel muss weg"-Schild.

Rechte, die nicht so genannt werden wollen, finden sich zum Beispiel auf den Hamburger „Merkel muss weg“-Demos Foto: dpa

Irgendwie rührend, die Rechten, die nicht so genannt werden wollen, sagte meine Freundin und exte ihren zweiten Sambuca.

„Du trinkst zu schnell, das macht bräsig“, sagte ich.

Sie bestellte noch einen und wir setzten uns nach draußen vor die Bar am Neuen Pferdemarkt.

„Du findest Rechte also rührend?“

„Nur, wenn sie nicht so genannt werden wollen. Dann wissen sie in einer Ecke vom Kopf vielleicht doch noch, dass es unselig ist.“

„Da sind Hopfen und Malz vielleicht noch nicht verloren“, ergänzte der gute Freund und nippte am Cabernet.

„Eben“, sagte die Freundin, „die ältere Schriftstellerin sah tieftraurig aus, als sie sagte, man komme ihr immer gleich mit der AfD-Keule, wenn sie eine andere Meinung hat.“

Ein Typ, der sich einen Haufen Zigaretten drehte, sagte: „Die Frage ist, wie ihre andere Meinung lautet. Ist ja nicht so, dass ihr mich AfD nennen würdet, wenn ich sage, Filterzigaretten schmecken scheiße, oder?“

„Doch, das ist voll AfD, du Selbstdreh-Nazi!“ rief meine Freundin. Eine Frau lachte, bat um Feuer und sagte: „Ich hab neulich im Streit zu meinem Mann gesagt, er benehme sich wie die AfD, mich erst beleidigen und dann so tun, als hätte er es nicht so gemeint. Da ist der endlich mal ausgeflippt, obwohl er sonst immer ruhig bleibt, was mich seit zwanzig Jahren nervt.“

„Ich vermute, weil er politisch links steht“, sagte der Zigarettendreher.

Sie nickte und meine Freundin sagte: „Und die Promis, die nicht AfD sein wollen, sind auch noch immer irgendwo in der Hirnanhangdrüse links, aber völlig verdreht im Hauptraum.“

Die ältere Schriftstellerin sagte neulich in einem Fernsehinterview, bei ihren Lesungen erzählten Menschen, sie hätten ihren Job wegen ihrer nichtlinken Meinung verloren. Die Zustände würden an die DDR erinnern.

Niemand verliert in Deutschland seinen Job, weil er politisch eher rechts steht. Wegen eindeutig rassistischen Verhaltens, zum Beispiel bei Facebook, allerdings schon. Rassismus ist keine Meinung. Rassismus ist Rassismus.

Es geht um Stimmungsmache gegen Menschen. Menschen, deren Glaube bedrohlich sei und die in Deutschland eindringen würden. Der Islam breite sich aus und zerstöre unsere Kultur, überall Kopftücher! Die besorgten Schriftsteller schauen aus ihrem Elfenbeinturm angewidert auf die undankbaren Horden und Flutwellen von Fremden herab, die Merkel aus einer Laune heraus in ihr idyllisches Deutschland gelassen hat. Bald schon würden sie unsere kulturellen Errungenschaften durch ihre Andersartigkeit zerstören.

So reden sie, die Etablierten, die nicht rechts genannt werden wollen.

Neulich wurde im Spiegel-Interview von einem Schriftsteller behauptet, er kenne hinreichend viele Leute, die aus Berlin wegzögen, weil es ihnen dort nicht mehr behage – sie fühlten sich fremd im eignen Land. Ich kenne hinreichend viele Leute, die zum Beispiel sehr gern nach Kreuzberg ziehen würden, sich die Miete aber nicht leisten können, weil das Viertel so beliebt ist. Sicher nicht bei Altersrassisten, die keineswegs rührend und auch nicht senil, aber mit der Zeit ziemlich dummdreist geworden sind.

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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