piwik no script img

Kolumne EbenOrdnung, Ordnung, Hausordnung

Doris Akrap
Kolumne
von Doris Akrap

Varoufakis verschmäht ein Gala-Dinner und ist jetzt raus, weil er seinen Job angeblich nicht gemacht hat. Dabei hat er ihn vortrefflich gemacht.

Everybody's Darling. Na ja, nicht ganz. Bild: Reuters

I m Blödfinden ist man sich gerade wieder sehr einig. Alle finden blöd, dass auf einer Messe Konzerne sich selbst präsentieren statt „kritische Themen“. Kreuzberger samt Bürgermeisterin finden das Myfest blöd, obwohl es mal erfunden wurde, weil Kreuzberger samt Bürgermeister den Mykrawall blöd fanden. Alle finden Facebook blöd, außer einige Feuilletonisten, die finden das gedruckte Feuilleton blöder.

Blöd angequatscht fühlten sich die EU-Experten vom griechischen Finanzminister. Weswegen sie ihn so lange zur Minna machten, bis es seinem Chef zu blöd wurde und er ihn zurückpfiff.

Die hiesigen Kommentatoren von FAS bis Joschka Fischer sind sich mit den EU-Bürokraten einig: Varoufakis hat nicht verstanden, wie Politik funktioniert. Besser, er geht. Die Begründungen: zu spät zum Termin mit der Chefin gekommen, Galadinner mit den Eurofinanzministern geschwänzt, Regieren nicht von Wahlkampf unterschieden.

Vorbild Roosevelt

Postdemokratie und die Propaganda der Alternativlosigkeit – alle klagen drüber. Aber wenn dann mal einer kommt, der keine Dienstpläne macht und die Regeln infrage stellt, wird er als Clown verlacht. Über mangelnde Krawatten und Manieren wurde geflachst, über sein finanzpolitisches Programm geschwiegen.

Aus Angst. Varoufakis ist kein Krawalltourist in Turnschuhen, sondern renommierter Wirtschaftswissenschaftler und kennt, anders als Wolfgang Schäuble und Joschka Fischer, die Materie, über die er spricht, sehr genau. Und eins ist seins: Das Spiel, so wie es bisher lief, spielt er einfach nicht mit.

Varoufakis stolperte aber nicht etwa über einen verrutschten Anarchospruch, den er an die Wände von Brüssel gesprüht hat. Es war ein Zitat des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, das den Zorn erregte: „Sie sind sich einig in ihrem Hass auf mich – und ich freue mich über diesen Hass“ (Twitter, 26.4.). Ein Halunke wagte es, den EU-Politikern "Hass" zu unterstellen, wo die doch nur ihren Job machen?

Journalisten sollten in der Zeitung nicht über sich reden, sondern ihren Job machen, schrieb Ulrich Greiner in der Zeit. Klingt griffig. Unterschätzt aber, dass Journalist wie Politiker, Künstler oder Sänger keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Wie der Job zu machen ist, bestimmen im Wesentlichen die Leute, die ihn machen. Es gibt keine unabänderliche Hausordnung.

Sicher, es braucht jemanden, der Dienstpläne macht, Tagesordnungen erstellt, Kontrolle über Abläufe hat. Aber das ist der Job von Protokollanten, Sekretären und Hausmeistern. Als erste Amtshandlung legte Varoufakis’ Nachfolger den EU-Ministern eine Tagesordnung vor. Große Erleichterung! Den Griechen wird jetzt wohl mehr zugestanden, als ihnen lieb ist. Und zwar nur, um Varoufakis zu verhindern. Gut gemacht, Yanis!

Wer Tocotronic die Spießerbeschimpfung gestattet – „Wir sind Babys. Wir spucken ihnen ins Gesicht“ – und Varoufakis einen Clown nennt, der wird im Leben kein Galadiner mit dem Finanzminister ausschlagen. Er wird sich nichts vorzuwerfen haben, weil er ja immer alles richtig gemacht hat. Was genau? Im Wikipedia wird stehen: „Er war immer pünktlich“. Eben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Varoufakis stolperte aber nicht etwa über einen verrutschten Anarchospruch, den er an die Wände von Brüssel gesprüht hat. Es war ein Zitat des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, das den Zorn erregte."

     

    Und genauso wie Roosevelt als New Yorker "Patrizier" von der eigenen Klasse als Verräter beschimpft wurde, zieht der Varoufakis den Zorn des Brüsseler Establishments auf sich, weil er eben kein, wie womöglich gehofft, semi-kommunistischer Wirtschaftsignorant ist.

    Da muss man ihn halt auf der persönlichen Ebene angreifen.

  • "…Aus Angst. Varoufakis ist kein Krawalltourist in Turnschuhen, sondern renommierter Wirtschaftswissenschaftler und kennt, anders als Wolfgang Schäuble und Joschka Fischer, die Materie, über die er spricht, sehr genau. Und eins ist seins: Das Spiel, so wie es bisher lief, spielt er einfach nicht mit.…"

     

    Dufte -

    Wer seine beiden letzten so gut lesbaren Bücher - auch das gemeinsame feine schmale -

    und das sticky-finger-Interview hat auf sich wirken lassen,

    hat klar - der Rest kann ihm das Wasser nicht reichen.

    Solche Eishockeyspieler - die alle halben Satz - so wirtschaftspolitische Flachpfeifen

    wie uns Wolfgang&Angie&Joschie & …ff bitte selber einsetzen -

    aus dem Sattel heben -

    Ja - da ist doch klar, daß uns Wölfie nach der ungebügelten

    No-name-Jeans schielt - &

    La Solaria wimmert -

    Haltet den Dieb.

     

    Aber - gemach - mit Alexis Sorbas -

    "Hast du schon mal …" so einen

    schönen Abgang gesehen?

    &im backstage - ist er - nach

    Wellenbrecher - im Geiste von

    Alekos Panagoulis - genau richtig.

    Massel tov - I Elliniki - Ein Mann.