Kolumne Die rätselhafte Welt des Sports: Zieh dir was an, Madl!

Im Sport geht das Gänsehaut-Pur-Gefühl um. Deshalb muss der Biathlon-Engel Magdalena Neuner jetzt auch anfangen zu stricken.

Magdalena Neuner strickt. Gänsehaut pur!! Bild: dpa

Wer oder was zum Hoeneß ist Thomas Sabo? Das fragen sich viele, wann immer die Thomas Sabo Ice Tigers in der Deutschen Eishockey Liga antreten. Wo, bitte schön, soll diese Stadt liegen, ist es das ehemalige Karl-Marx-Stadt? Oder die vormalige Thomas-Müntzer-Stadt Stolberg im Harz? Das versunkene Atlantis? Oder liegt Thomas Sabo in der Nachbarschaft von Brose, der bekannten deutschen Universitätsstadt in Oberfranken, die durch ihre Basketballmannschaft Brose Baskets für Furore sorgt?

Bei den Kokurrenten in der Basketballliga, den Artland Dragons, ist die Sache schon einfacher, die kommen aus der niedersächsischen Stadt Quakenbrück, und da war doch jedem klar, dass alles besser ist als das. Vormals hießen die Thomas Sabo Ice Tigers übrigens Sinupret Ice Tigers. Sinupret muss ein Nachbarort sein, der vielleicht verschnupft ist, weil sein Verein weitergezogen ist.

In Thomas Sabo gab es letztes Wochenende eins der derzeit vielen unvermeidlichen Sportevents. Die örtlichen „Eis-Tiger“ (ein Oxymoron: So wie „alter Knabe“ oder „schwarzer Schimmel“) haben vor sage und schreibe 50.000 Zuschauern gegen die Berliner Eisbären gespielt. Das ist Europarekord für ein Eishockeyspiel, zumal wenn es kein Pokalfinale ist, sondern ein stinknormales Ligaspiel, Sechster gegen Achter.

Gänsehaut pur!

Es hat geregnet wie aus Fässern und die Eisfläche war in der Mitte eines Fußballstadions, völlig isoliert und etwa 100 Meter von den Fans entfernt, sodass dem alten Kinderbuchklassiker „Der kleine Puck“ eine völlig neue Bedeutung gegeben wurde. In anderen Worten: Keiner sah irgendwas. Dafür waren Mikrofone in die Banden eingelassen, jedes Kratzen auf dem Eis wurde mit 130 Dezibel durch die Lautsprecher gejagt, sodass die ersten Plomben aus den Zähnen der „Zuschauer“ sprangen.

Trotzdem sagten alle Beteiligten, sie hätten „Gänsehaut pur“ verspürt. Hallo?! Wieso fanden das alle Besucher und Berichterstatter so genial? Gab man ihnen LSD oder EUR, dass sie so was sagen? Alle wissen doch genau, sie haben gefroren, nichts gesehen, es ging um nichts, sie sind pitschnass geworden, ständig kreiste der Red-Bull-Helikopter über dem Stadion und 17 Kamerateams von Servus TV (dem übertragenden Red-Bull-Fernsehsender) versperrten die „Sicht“-Achse. Antwort: Es war so schön, weil es so groß war.

Ein paar Tage vorher, auf „Schalke“ (Thomas Sabo für: Gelsenkirchen), das gleiche Phänomen: Da kamen 50.000 Zuschauer (dieselben wie im Frankenstadion?!) zu einem Biathlon-Event. Zum Abschied der Erdinger-Weißbier-Maus Magdalena Neuner, die mit einem Kran aus dem Dunkeln abgeseilt wurde, quasi Engelserscheinung.

Anschließend ballerte sie wieder mal die Scheiben um und fuhr in einem bedeutungslosen „Wettkampf“ gegen Exkolleginnen auf den zweiten Platz und auf der letzten Runde rang der Reporter mit den Tränen und anschließend sagte Magdalena ins Mikro, sie habe – und jetzt alle: GÄNSEHAUT PUR“ verspürt. Ja, dann zieh dir halt was Vernünftiges an, wenn’s dich friert, Madl!

Magdalena strickt jetzt

Deswegen widmet sich Magdalena Neuner nun ihrer neuen Tätigkeit: Stricken. Unter Magdalena-strickt.de (kein Witz!) zeigt uns die 25-jährige Frührentnerin jetzt, wie man „mit 32 Maschen eine coole Beanie-Mütze“ strickt oder eine „trendige Filztasche“ herstellt. Bizarr!

Dann gab es noch die langweilige Skisprung-Vierschanzentournee, zu der aber jetzt auch Zehntausende Jubeltiroler kommen, seitdem es ein Event ist. Und auf einmal waren da in Bischofshofen rote Bengalos, Rauchbomben, Pyrotechnik. All das, was zu einem echten Event gehört und wovor uns Polizei, Theo Zwanziger und Uli Hoeneß schon immer gewarnt haben. Skisprung-Hooligans!

Wir warten gespannt auf zukünftige Gänsehaut-Events: Billard (ohne Videoleinwand) vor 70.000 Billard-Ultras im Berliner Olympiastadion. Oder Schach vor 80.000 Schachfanatikern im Dortmunder Westfalenstadion. Der Stadionsprecher: „1. e2-e4 c7-c5 2. Sg1-f3 Sb8-c6 3. d2-d4 c5xd4 4. Sf3xd4 Sg8-f6 5. Sb1-c3 e7-e5.“ Die Südtribüne: „Olé, olé! Die Sweschnikow-Variante!“ Wildfremde Fans liegen sich in den Armen. Gänsehaut pur.

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