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Kolumne Die eine FrageWenn ich tot bin, werd’ ich Öko

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Warum empört Trumps misogyner Satz „Grab them by the pussy“ die Leute mehr als die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens?

Öko (Symbolbild) Foto: dpa

N ach öffentlichen Diskussionen schleichen manche Leute aus dem Publikum nach vorn, um noch mit den Diskutanten zu sprechen. Anfangs war ich geschmeichelt, wenn jemand auf mich zukam. Ah, Fans, dachte ich .

Weit gefehlt.

Zu mir werden immer nur die gleichen Sätze gesagt. Erstens: „Sind Sie etwa der Vater von Paulina Unfried?“ Zweitens: „Da fehlt aber eine Frau“, oder: „Das war aber nicht korrekt quotiert.“

Erstens: Ja. Zweitens: Kann sein. Aber es ist noch nie jemand gekommen und hat gesagt: „Da fehlt aber ein Öko.“

Selbstverständlich gibt es in der neuen Mittelschicht ein Bewusstsein für die globale Pro­blem­di­men­sion von Klimawandel, für Erderhitzung und die damit zusammenhängenden sozialen Verwerfungen. Aber, wie Harald Welzer in der taz ­futurzwei ausführt: „Öko sind wir erst, wenn wir alle tot sind!“ Unser Bewusstseinszustand ist eine Art Gebet, mit dem das Sprechen das Handeln weitgehend oder komplett ersetzt. Das Bewusstsein für das Problem enthält auch nicht das Bewusstsein für den zentralen Pfadwechsel zu einem anderen Wirtschaften.

Vor allem fehlt es an der handelsüblichen Gut-böse-Konstellation der kulturell und emo­tio­nal eingeübten identitätspolitischen Themen. In der Konsequenz führt das dazu, dass Trumps ­misogyner Proletensatz „Grab them by the pussy“ einen stärkeren diskursiven Impact auslöst als die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens zur globalen Eindämmung der Erderhitzung.

taz am wochenende

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Trumps Verfehlung markiert unseren emanzipatorischen und identitätspolitischen Fortschritt. Wir sind auf dem richtigen Weg und müssen jetzt dranbleiben und dafür kämpfen. Dito Gauland.

Stimmt ja auch. Nur sozialökologisch ist das nicht so simpel. Trump ist hier eine große Bedrohung. Aber Kanzlerin Merkels Rede im Berliner Tempodrom diese Woche vor dem Rat für Nachhaltigkeit war auch eine Kapitulationserklärung. Wir sind – um mal moralisch zu werden – gegenüber zeitlich und räumlich Entfernten in diesem Bereich auf einem ungleich inakzeptableren Niveau, als es Trump gegenüber Frauen an den Tag legt. Wir sind so was von low.

Die migrantische Lesbe

Aber das ist jetzt ein Moralausstoß, der schon wieder kontraproduktiv wirkt. Meine Vermutung ist, dass die Ökos und die Grünen das Resistenzproblem zum Teil selbst verursacht haben durch die permanente Moralisierung, sodass den Leuten angesichts ihrer gelebten Realität gar nichts anderes übrig zu bleiben scheint, als auszuweichen.

Publizisten finden, zum Beispiel, besonders gut einen Markt, wenn sie mit identitären Verknüpfungen für Partizipations- und Emanzipationsrechte von Minderheiten streiten, etwa als Mi­gran­tin oder als Lesbe, idealiter als migrantische Lesbe. Das ist wichtig, keine Frage.

Ich will hier nur klarmachen, dass eine Ökolesbe oder ein Ökomigrant nicht nachgefragt wird. Das bringt dich in keine Talkshow. Schlimmer: Im Gegensatz zu Frau, Migrant, Homo macht Öko im emanzipatorischen Kontext zu einem negativen Außenseiter.

Der CO2-arm lebende Mensch in den westlichen Gesellschaften ist kein Role-Model, weil keiner arm sein will, auch nicht an CO2. Er ist aber auch keine benachteiligte Minderheit, niemand hindert ihn daran, sich selbst ins Off zu stellen.

Man kann in dieser ökorepressiven Gesellschaft nur davon abraten, sich zu outen. Sicherer ist es, so zu tun, als flöge man dreimal die Woche Inland und betriebe zu Hause ein Kohlekraftwerk.

Sonst wird man nicht mehr besetzt. Schon gar nicht von der SPD.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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6 Kommentare

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  • „Ah, Fans, dachte ich.“

     

    Tja - „vertan, vertan sprach der Hahn,

    als er von der Ente kam.“ (Zitat: Oma)

  • "Aber, wie Harald Welzer in der taz futurzwei ausführt: „Öko sind wir erst, wenn wir alle tot sind!“"

    Quatsch, dann sind wir Sondermüll.

  • Der Unterschied zwischen der Empörung über die Diskriminierung von Frauen und der Nicht-Empörung über die Aufkündigung des Klimaabkommens könnte auch darin begründet sein, dass im progressiven Neoliberalismus Minderheiten nicht diskriminiert werden dürfen - was seine Progressivität ausmacht - gleichzeitig aber Dinge wie der Klimawandel nicht ernsthaft zu Konsequenzen führen dürfen - was den Neoliberalismus an sich in Frage stellte. Nicht-Konsum ist die größte Sünde, die man im Neoliberalismus begehen kann; sie ist so gross, dass diejenigen, die sie begehen, sich außerhalb der Gesellschaft stellen, wie dies die Kolumne ja auch zeigt. Sie sind dann zwar auch Minderheiten, aber außerhalb jeder akzeptierten neoliberalen Norm - weshalb es hier keinen Aufschrei im Sinne der Progressivität gibt, oder geben darf. Alles andere hieße, unser Wirtschaftssystem ernsthaft verändern zu wollen - und das kann wirklich niemand im Mainstream wollen, oder? Nicht-Konsum führt automatisch dazu, dass man sich selbst zur Minderheit macht; als Frau diskriminiert zu werden macht diese hingegen von außen zur Minderheit. Die "Schuld" der Nichtkonsumenten, Minderheit zu sein, liegt also eindeutig bei Ihnen selbst - auch deshalb kein Aufschrei, wie die Kolumne richtig zeigt.

  • Na Servus.

     

    ”Zu mir werden immer nur die gleichen Sätze gesagt. Erstens: „Sind Sie etwa der Vater von Paulina Unfried?“ Zweitens: „Da fehlt aber eine Frau“, oder: „Das war aber nicht korrekt quotiert.“

    Erstens: Ja. Zweitens: Kann sein. Aber es ist noch nie jemand gekommen und hat gesagt: „Da fehlt aber ein Öko.“ - …“

     

    Naja - Nicht jeder hat Einfälle wie‘n altes Haus!

    Obwohl ich sogar eulich wat älter bin - hm!;)

    Nö. ”Sicherer ist es, so zu tun, als flöge man dreimal die Woche Inland und betriebe zu Hause ein Kohlekraftwerk.

    Sonst wird man nicht mehr besetzt. Schon gar nicht von der SPD.“

     

    Schonn. Jetzt aber mal via Impact -

    Hab ich doch glatt noch nix verstanden!

    ”In der Konsequenz führt das dazu, dass Trumps misogyner Proletensatz

    „Grab them by the pussy“ einen stärkeren diskursiven Impact auslöst als die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens zur globalen Eindämmung der Erderhitzung.“

    Na - Si‘cher dat. Da mähtste nix.

    Normal.

     

    kurz - Schön doch - daß unser aller

    Mr. Peter Futurzwei van&zu Unfried!

    Davon so gebüldet gesprochen!

    Gellewelle.

     

    unterm—>

    ”Prolet ist die umgangssprachliche Verkürzung des Begriffs „Proletarier“ und bezeichnete seit dem 19. Jahrhundert auf abwertende Weise Angehörige vor allem der städtischen Unterschicht, besonders Industriearbeiter, seit Aufkommen des Marxismus aber auch positiv Arbeiter im Kontext des Klassenkampfes. Nach 1945 kam es zu einer Bedeutungsverschiebung. Heute wird Prolet – in einer weiteren Verkürzung auch Proll, Prol oder Prolo – umgangssprachlich als Schimpfwort und als abwertende Bezeichnung für Menschen aus bildungsfernem Milieu und/oder aus prekären gesellschaftlichen Verhältnissen verwendet, oder auch für Menschen, deren Umgangsformen und Lebensstil als unkultiviert empfunden werden. Damit findet eine Bedeutungsverschiebung statt von „Angehöriger des Proletariats“ in Richtung „Angehöriger des Pöbels“ und somit eine Verstärkung der abwertend-diskriminierenden Konnotation“

     

    kurz - ‘s Peterle adorniert mal wieder.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Sie haben das was nicht richtig verstanden. Wer misogyn ist, hasst die Frauen und will mit ihnen nichts am "Hut" haben. Chauvinismus hingegen bezeichnet, laut Duden, die "selbstgefällige, überhebliche Art von Männern gegenüber Frauen aufgrund eines gesteigerten Selbstwertgefühls und die damit verbundene gesellschaftliche Bevorzugung der Angehörigen des eigenen Geschlechts". Trump ist ein Chauvi, kein Frauenhasser.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Jau - für Doppelfehler - mit Verlaub!;)

       

      Ist unser Mondfahrer schon immer gut gewesen & Stehe daher nicht an - die dabei angezogene Begriffswelt als - nunja doch nur bedingt - adaptiert/anverwandelt/begriffen - zu bezeichnen.

      Was natürlich einen gewissen - scheue ich mich nicht zu sage, ja gar nicht zu leugnenden Unterhaltungswert generiert!

      Dafür natürlich - Dank. Das ja.

      Na - Si‘cher dat. Da mähtste nix.

      Normal.