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Kolumne Die eine FrageDas Jahr der Bundeskanzlerin

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

„Typische Unfried-Frage“: Warum profitieren die Bundesgrünen nicht von dem gesellschaftlichen Großprojekt Flüchtlingshilfe?

Angela Merkel auf dem EU-Gipfel Mitte Dezember in Brüssel. Foto: dpa

W arum lebt die soziale und politische Mitte dieses Landes mit dem gesellschaftlichen Großprojekt Flüchtlingshilfe grüne Werte – und die Grüne Bundespartei profitiert überhaupt nicht von dieser engagierten Bürgergesellschaft?

„Typische Unfried-Frage“, seufzte ein Intellektueller und legte sofort wieder auf.

Ich verstehe ihn so: Normale Menschen kämen nicht auf die Idee, sich das zu fragen.

Warum sollte das den Grünen Zustimmung bringen? Zwar ist Flüchtlingspolitik identitätsstiftend für sie, aber wie bei der sozialen Gerechtigkeit (vgl. Wahl 2013) können sie damit bis auf weiteres nur verlieren.

Gesellschaftliche Stärkung bringt ihnen das deshalb nicht, weil die Leute jenseits der Altkernzielgruppe nicht nach Humanismus-Superlativen wählen, sondern nach Lösungskompetenz (wie inkompetent diese Zuschreibungen auch immer sein mögen.) Die wird Grünen in allem zugeschrieben, was mit der sozialökologischen Transformation zusammenhängt, von der Energie- über die Agrar- zur Verbraucherwende.

Darüber hinaus baut sich das erst auf, wenn sie Kompetenz in der Verantwortung nachweisen. Das war bei Außenminister Fischer so. Das ist so bei Ministerpräsident Kretschmann. Bei Wirtschaftsminister Al-Wazir. Bei Finanzministerin Heinold. Bei Wissenschaftsministerin Bauer. Bei Oberbürgermeister Palmer. Da sagen die Leute: Ah, läuft ja.

Und dann ist da die Bundeskanzlerin, die 2015 in der zweiten Halbzeit zu ihrem Jahr gemacht hat.

Und dann ist da die Bundeskanzlerin, die 2015 in der zweiten Halbzeit zu ihrem Jahr gemacht hat. Merkel hat die Linksliberalen mit ihrer Flüchtlingspolitik, einer verbesserten Darstellung und vor allem mit ihrer Haltung hinter sich gebracht. Oder wie es ein Superchecker sagt: „Normativ ist Merkel topp. Was willst Du da sagen?“

Ob das wirklich so ist? Es wird ihr zugeschrieben. Und das ist eine neue Vertrauensgrundlage. Der politische und emotionale Graben verläuft zumindest in diesem Moment nicht mehr zwischen links/grün und unionskonservativ, sondern zwischen Befürwortern der möglichst offenen und denen der möglichst nicht offenen Gesellschaft.

Zu letzteren gehören Teile der Union, aber auch SPD- und Linksparteiwähler. Und die FAZ, die sich als Anti-Merkel-Medium Nummer 1 neu erfunden hat. Das ist nicht ironisch oder beängstigend, sondern ein Beleg, dass man mit den Einsortierungen von gestern keine Chance auf Morgen hat.

Merkel hat diese Komplexität offiziell zur Grundlage der Flüchtlingspolitik gemacht, gegen die Illusionisten in der Union. Und die regierenden Grünen in den Ländern haben das auch getan, gegen die Illusionisten in der eigenen Partei.

Der Bund-Länder-Kompromiss zwischen Merkel und den Grünen entspricht nicht dem Ideal Grüner Asylpolitik. Aber eine alternative Flüchtlingspolitik wäre nicht offener als die von Merkel und Kretschmann. Sondern weniger offen. Das ist die demokratische Realität, auch wenn das einige bei den Grünen schwer aushalten.

Zwischen ihrem Ideal der offenen Grenzen und der Drohung einer Renationalisierung und Abschottung, sind die CDU-Bundeskanzlerin und die Länder-Grünen im Bundesrat einen dritten Weg gegangen. Das klingt jetzt vielleicht nicht antiautoritär, aber damit haben sie Führung gezeigt, Mut bewiesen und sind ihrer politischen Verantwortung gerecht geworden.

Die Grüne Mitgestaltung einer offenen Gesellschaft geht nur mit dem Vertrauen der bürgerlichen Mitte, dass wir das mit Grünen Politikern auch schaffen. Vielleicht sogar besser. Insofern haben die Länder-Grünen mit dem erworbenen Vertrauensbudget ihrer Protagonisten maßgeblich dafür gesorgt, dass die Zustimmung für die Bundespartei 2015 zumindest nicht abgesunken ist.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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11 Kommentare

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    • @SchüsselBrüssel:

      Sorry - hab ich da was verpaßt¿!

      Mist - saß grad nich aufm Soffa;!¡)

      Bißchen bei Tucho geblättert.

      & Der hat seins ja insoweit grad -

      Nicht als Jurist gemeint - &

      Schomma garnich;)

      kurz - mit Oskar Maria ->

      Gelächter von außen;()

      • @Lowandorder:

        Nachklapp - VHS 2.0 -> Mal im ->

         

        Ernst H. Kantorowicz’ zweites Hauptwerk The King’s Two Bodies (dt. Die zwei Körper des Königs) ist eine umfangreiche „Studie zur politischen Theologie des Mittelalters“ (so der Untertitel). Er entwirft darin aus der mittelalterlichen Vorstellung eines natürlichen, also sterblichen Körpers und eines übernatürlichen, also unsterblichen Körpers des Königs die Entstehungsgeschichte des modernen Staates, der zwischen der öffentlichen Funktion und der Person, die diese ausübt, unterscheidet."

        Get it? Fein.

         

        E.H. Kantorowicz ist - wie die vorgenannten - ne besonders feine Adresse ->

        "…1938 emigrierte Kantorowicz von Berlin nach Oxford und von dort aus 1939 in die USA. 1939 erhielt er in Berkeleyzunächst einen Lehrauftrag für mittelalterliche Geschichte, 1945 dann eine Professur. Dort verlangte die Universität 1949 von ihren Angehörigen den von Senator Joseph McCarthygeforderten antikommunistischen Loyalitätseid (McCarthy-Ära). Als Kantorowicz sich – „die deutschen Erfahrungen vor Augen“ – weigerte, diesen zu unterschreiben, wurde er mit 21 weiteren Fakultätsmitgliedern entlassen.…"

        https://de.m.wikipedia.org/wiki/Ernst_Kantorowicz

        (Die Verwirrung George-Kreis teilt er ja auch u.a. mit Graf Staufenberg;)

    • @SchüsselBrüssel:

      ;)

      Starker Tobak - le chefle - odr?

      So über den grünSpätzleTellerrand!

      Aber kann frauman so sehen.

      Dabei hatte 's Peterle doch nur eine Seiner bekannten

      Green&fried-Fragen gestellt. & -> Däh! ~> Hier wird so gar nicht aufgelegt -

      Wie beie Intelellies.

      Gut ~> Looking forward;!¡)

  • Liebe Bundeskanzlerin.

     

    Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten. Für das neue Jahr wünsche Ihnen Glück, Erfolg und vor allem Gesundheit.

    Die Geschichte wird schreiben, dass Sie den armen, leidenden Menschen geholfen haben. Ihre Ära war eine sehr erfolgreiche Zeit auf allen Ebenen.

    Für die deutsche Gesellschaft wünsche ich mehr und mehr Erfolg.

    Mein Tipp: bitte glaubt nicht daran, dass Muslimen Terroristen seien.

    Danke für die Gastfreundschaft

  • "…Darüber hinaus baut sich das erst auf, wenn sie Kompetenz in der Verantwortung nachweisen.…"

     

    Ok - Wer nach einem Absatz von zwei

    Längselschachtelnsätzen -

    Derart "…baut sich das…"(?) fortfährt -

     

    Dann - ja dann ist der obige Satz ->

    "…„Typische Unfried-Frage“, seufzte ein Intellektueller und legte sofort wieder auf.…"

    Schlicht zwingend - &

    Nicht nur wg Hillichtach;-))

     

    Bleibt aber die eine Frage:

    Wer - Bitte - Hat da - Wen - Angerufen¿!

    (Fein - Adorno klingelt's Glöckchen;)

    Bescherung!! - Na dann!

    Danke.

  • Vielleicht liegt es ja daran, dass die meisten Sinti und Roma den Weg bis zur Wahlurne dank Kretschmann jetzt gar nicht mehr schaffen.

    Mal ganz im Ernst - haben die Bundesgrünen denn nicht auch so schon überproportional von dem Großprojekt "Parlament für allzu Gutgläubige" profitiert? Wer sich als Ersatz für die FDP anbietet, behauptet damit gleichzeitig, die FDP hätte eine Lücke hinterlassen. Das ist selbst für verschorfte Dorfgrüne ungenießbarer Tobak. Eines können die Bundesgrünen allerdings von der FDP lernen - seitdem die Pleite ist, geht's ihr wieder richtig gut.

  • Na, das ist ja mal wieder ein echter "Unfried der Woche". Wer lange genug drin rumrührt, findet auch das Würstchen.

  • Tut mir leid. Verstehe es nicht. Um was geht es hier ?. Muß ja nicht alles verstehen.

    Hans-Ulrich Grefe

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Gegenfrage:

    Warum profitiert die taz nicht von dem gesellschaftlichen Großprojekt Flüchtlingshilfe?

    ...

    Na, also.

  • die bundesgrünen sind doch keine flüchtlinge. warum sollen sie dann also vom gesellschaftlichen großprojekt flüchtlingshilfe profitieren?