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Kolumne Die eine FrageEin Verzicht-Öko für Leipzig

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Warum sollte der Ostler einen grünen Postwachstums- Kandidaten als OB wählen? Eine Frage an den Leipziger Grünen Felix Ekardt.

Das Leipziger Rathaus. Wer wird neuer Oberbürgermeister? Bild: dpa

F elix Ekardt wird nicht der Fritz Kuhn von Leipzig. Nach 9,8 Prozent im ersten Wahlgang wird der grüne Kandidat am 17. Februar in der Stichwahl ziemlich sicher nicht zum Oberbürgermeister gewählt. Will er auch nicht unbedingt. Während Kuhn in Stuttgart für seinen beliebten Evergreen „Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben“ gewählt wurde, tritt Ekardt als Postwachstumskandidat an.

Postwachstum geht davon aus, dass es ökologisch nachhaltiges Wachstum nicht dauerhaft geben kann und setzt als Mittel der Klima- und Energie-Krisenbewältigung auf Konsum- und Wirtschaftsschrumpfung.

Diese Position halten schon die meisten Grünen im Kopf nicht aus, so was Verrücktes hätten selbst die modernen Schwaben nicht ins Ministerpräsidentenamt und Rathaus gewählt. Warum sollte der gemeine, mäßig politikinteressierte Leipziger einen Verzicht-Öko wählen, wo er doch Jahrzehnte auf Ikea und Mallorca verzichten musste?

Ein grüner OB? Noch unrealistisch

Das hatte ich Ekardt auf einer Wahlveranstaltung in Leipzig gefragt, und das fragte ich ihn nun nochmal am Telefon. Erstens sei er kein Verzicht-Öko, zweitens sei ein grüner OB – oder OBM, wie das hier heißt – in einer ostdeutschen Großstadt noch nicht realistisch. Das stimmt: Auch die anschlussfähige Antje Hermenau, die wichtigste sächsische Grüne, hätte Leipzig nicht erobert. Dennoch ist ja die Frage, wie man die Geschichte einer gemeinsamen Zukunft so erzählt, dass möglichst viele dabei sein wollen oder sogar daran mitarbeiten.

Bild: Marco Limberg
Peter Unfried

Der Autor ist Chefreporter der taz. Seine Kolumne „Die eine Frage“ erscheint alle 14 Tage in der sonntaz. Das Wochenendmagazin ist am Kiosk, e-Kiosk und im Wochenendabo erhältlich. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Foto: Marco Limberg

Felix Ekardt ist kein Berufspolitiker. Er ist 40, Professor für Klimapolitik und Nachhaltigkeit, grade Vater geworden, und sieht eher skeptisch, wie sich Berufspolitik entwickelt. Er hat keine Marktforschung gemacht, er vertritt, was er inhaltlich für richtig hält: Kinder, Bildung, Nachhaltigkeit. Wenn Amtsinhaber Jung (SPD) die Geschichte der Stadt als eine des wirtschaftlichen Aufschwungs erzählt und von der Ansiedlung von Auto-Industrie schwärmt, dann kommt Ekardt und sagt, er sei auch für Industrie.

Aber eben für eine zukunftsfähige, in der Öko als wirtschaftsfördernder Faktor wirke. Beispiel: Wenn Autos, dann Elektroautos. Ist ja logisch, wenn das letzte Öl künftig für Wichtigeres genutzt wird und Autos emissionsfrei von erneuerbarer Energie angetrieben werden. Aber es ist halt auch sehr weit weg vom Mainstream-Denken. Manche Leipziger sorgen sich mehr um die steigende Hundesteuer.

Wie wirkt Grün?

Und damit sind wir bei der ewigen Frage: Wie wirkt Grün wirklich? Ekardt sieht es so, dass Grüne durch „konsequente Positionen“ wirken und durch Aufbau von Druck. Deshalb tritt er im zweiten Wahlgang nochmal an. „Der größere Teil der grünen Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik kam ja nicht dadurch, dass Winfried Kretschmann 20 Jahre Bundeskanzler war, sondern weil die anderen Parteien unsere Inhalte übernommen haben.“

Im Übrigen: 9,8 Prozent sind das beste Personenwahl-Ergebnis, das die Grünen in Sachsen je erzielt haben. Selbst Ekardt wird – von Bild – vorgeworfen, er sei der Kandidat der „Reichen“. Da lacht er und zeigt anhand der Ergebnisse, dass er in Plagwitz und Connewitz gute Ergebnisse hatte und das beste in Schleußig (22 Prozent), wo nicht die reichsten, aber die kinderreichsten Menschen leben.

Warum wählen die einen echten Öko? Bildung, Zugezogene, Grünen-Nest? Oder, weil sie wegen der kleinen Kinder ihre Bedürfnisse nicht nur kurzfristig definieren und Ekardts Geschichte einer gemeinsamen Zukunft ihnen einleuchtet?

Wenn man es immer wüsste.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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6 Kommentare

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  • ME
    Meister Ekardt

    Der interessantere Kandidat in Leipzig war/ist der unabhängige Dirk Feiertag der sich - fast aus dem Stand und ganz ohne Parteistruktur - mit 6,9 Prozent in Relation ein noch besseres Ergebnis als der Professor erarbeitet hat. Ich weiß nicht ob allein das Feiertags Akzeptanz erklärt... aber der bewegte sich jenseits von Ideologien und vor allem im Dialog mit dem potentiellen Wähler. Ganz sicher deshalb - und auch weil er einiges an Schnitmenge mit den GRÜNEN hatte - wurde er von denen gehörig angefeindet.

  • DF
    Das Fähnlein der sieben Aufrechten

    Traurig ist, dass er nicht mit dem festen Willen, OBM werden zu wollen, angetreten ist.

     

    Er sollte noch versuchen seine Visionen den Leipzigern allgemeinverständlicher rüber zu bringen.

     

    Hoffen wir, dass eine hohe Wahlbeteiligung >50% erreicht wird, anderenfalls sollte keiner der Kandidaten eine Wahl annehmen.

     

    Die Initiativgruppe –Das Fähnlein der sieben Aufrechten- bestehend aus nicht zugelassenen OBM- Bewerbern und weiteren Leipzigern, wird sein bestes dazu beitragen.

  • F
    Friese

    Sehr geehrter Herr Unfried,

    glauben Sie wirklich, dass wir so weitermachen können wie bisher? Etwa durch CCS? Kennen Sie die Dimensionen? Siehe hier: http://www.kein-co2-endlager.de/downloads/Plan-2-Storage-Evaluation.pdf

    http://www.kein-co2-endlager.de/downloads/Plan-3-Pipeline-Plan-EU.pdf

    Europaweit sind 240 neue Kohlekraftwerke geplant. Die Abtrennung des CO2, die 22.000 bis 37.000 km langen CO2-Pipelines und die Verpressung von jährlich 1.000 Mrd. t CO2 sollen geschätzte 1.000 Mrd. Euro kosten. Laut Studien im Auftrag von Energiekonzernen ist CCS kostengünstiger als die Erneuerbaren, obwohl mittlerweile zugegeben wird, dass sich die Stromgestehungskosten durch CCS verdoppeln werden.

    Laut IWF 2011 könnte der Ölpreis in den nächsten 20 Jahren um 800 % steigen (World Economic Outlook, April 2011. Allein die Möglichkeit sollte uns zu einem jetzigen Umdenken bewegen - oder? Stattdessen können wir natürlich auch z. B. Südafrika für den Klimawandel verantwortlich machen:

     

    http://translate.google.de/translate?hl=de&sl=en&u=http://www.carboncapturejournal.com/&prev=/search%3Fq%3Dcarbon%2Bcapture%2Bjournal%26hl%3Dde%26tbo%3Dd%26biw%3D1366%26bih%3D624&sa=X&ei=ccfyUJTDCIf0sgb6lYGACw&sqi=2&ved=0CDwQ7gEwAA

  • WF
    Was für ein Quatsch

    Professor für Klimapolitik und Nachhaltigkeit? Ach du Scheiße, was für Leute füttern Ideologen noch an der von westdeutschen Altextremisten geführten Uni durch? Da lässt es sich dann natürlich super über "Post-Wachstum" labern. Erinert stark an die verbeamteten Systembekämpfer im Westen. Warum sollte der Ostler einen grünen Postwachstums- Kandidaten als OB wählen? Ganz einfach: Weil der ihm einen gutbezahlten Job an der Uni besorgt. Als Professor für Schonimmergewussthaben Halbwissen und Nichtskönnen. Das Ergebnis dürfte trotzdem selbst unter den kleinsten der taz-Träume liegen.

  • P
    Peter

    Ich komme aus Leipzig, in Schleußig, wo er das beste Ergebnis hatte, aber auch in Plagwitz und Connewitz leben sehr viele alternativ angehauchte Akademiker und Studenten. Die Bioladendichte ist höher als in anderen Stadtteilen. Es sind alternative Stadtteile. Die Leute sind ökologisch bewusster und viele können es sich auch halbwegs leisten vom Geld.

  • TL
    Tim Leuther

    Die Postwachstumsideologie basiert darauf das der Mensch es nicht schafft dauerhaft mehr Wohlstand aus der Erde zu extrahieren.

    Es ist die tautologische Feststellung das alles begrenzt ist. Bei den Vertretern scheint sich aber eher die Erkentnis durchgesetzt haben dass das gut ist. Es ist nicht gut. Und man kann die Wachstumsbegrenzenden Faktoren verschieben. Nicht unendlich, aber sehr viel.

     

    Wenn der Mensch Jäger und Sammler geblieben wäre, dann könnte er von der Erde nicht einmal die Nahrung für eine halbe Milliarde Menschen extrahieren. Wir sind aber keine Jäger und Sammler mehr. Und wir müssen auch nicht das bleiben was wir sind.

     

    Die Grünen aber strengen sich an, das die Wachstumsbegrenzenden Faktoren nicht weiter verschoben werden. Deshalb sind Sie gegen Gentechnik und Kernfusion. Am ende sind die Grünen eine selbsterfüllende Prophezeiung.