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Kolumne Die eine FrageJuhuu!

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Im Wochenrückblick ist die neue Generation der Grünen nur peinlich. Früher hatten wir Peter, Paul und Mary. Heute haben wir Terry, Ska und Jan Philipp.

Voll groovy drauf, die Grünen. Mitten drin: „Terry“ Reintke Bild: dpa

W ährend Daniel Cohn-Bendit nach seinem Abschied als EU-Politiker fröhlich mit dem Bus namens „Socrates“ durch Brasilien tuckert, ist ein neuer Stern an Europas Grünen-Himmel aufgegangen. Theresia „Terry“ Reintke. Wer ist sie?

Reintke, 27, ist Abgeordnete unseres EU-Parlaments und neue Co-Anchor in einem Videoclip, mit dem die EU-Grünen uns Bürger für Europa sensibilisieren wollen. Damit wurde sie diese Woche zum Youtube-Star. Sie ist bei unserer Jugend jetzt fast so populär wie Günther Oettinger. Ihre Fans nennen sie „Grüner Teletubby“.

Reintke tritt in Brüssel laut ihrer Bewerbungsrede an gegen „weiße, alte Männer“, die in „Hinterzimmern“ kungeln. Für ein „rebellisches“ Europa. Sie will die wirklichen Themen „von der Straße in die Parlamente bringen“ (hier ist Ihr Beifall vorgesehen).

Wie man dem Clip entnehmen kann, ist ihr Lieblingswort „juhuu!“. Das Parlament ist „total aufregend“, sie ist in „spannenden Ausschüssen“, etwa dem Frauenausschuss. Allerdings gibt es eine Sache, die nicht juhuuu ist und Reintke „sehr wütend gemacht“ hat. „Komische Leute“. Damit meint sie nicht sich, sondern Politiker, die bedenkliche, jedenfalls andere Ansichten vertreten. Sie will jetzt erst mal Juncker „unter Druck setzen“. Wir Bürger sollen helfen und „ganz fleißig twittern“.

taz.am Wochenende

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Moment, bitte, dann twittere ich jetzt mal schnell. Am besten etwas Rebellisches? Ah, ich hab’s: „Juhuuu!“ So. Und damit zum Service. Wenn Sie auch jung sind und für die Grünen in spannenden Ausschüssen wütend werden wollen, dann merken Sie sich erstens: Für Frauen, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle sein. Weiße, alte Männer immer strengstens ablehnen. Ausnahme: Ströbele, Böll (posthum).

Punkt zwei: Behaupten Sie, dass Sie die Straße repräsentieren. (Aber zu Besuch bei ihren Grünen Parteifreundinnen und Freunden bitte immer die Schuhe ausziehen.) Drittens: Rebellisch sein. Dies am besten durch eine mutig-nonkonformistische Oma-Kette um den Hals unterstreichen. Viertens: Twittern. Fifa? „Saustall“. NSA? „Kann nicht sein“. Jedes Thema: „Fassungslos!“.

Und ganz wichtig: Ein Künstlervorname. Nennen Sie sich auf keinen Fall Theresia, wenn Sie Theresia heißen. Auch nicht Resi. Bestehen Sie auf Terry. Wie Terra. Die (grüne) Mutter Erde. Oder wie Terrier. Im verbissenen Kampf gegen Austerität und für Originalität. Wenn Sie Franziska heißen wie die andere Clip-Moderatorin, niemals Franzi nennen (zu deutsch) und auch nicht Fran (zu amerikanisch). Es muss nach Rock ’n’ Roll klingen. Nur punkiger. Nennen Sie sich Ska. Da sind auch groovige Wahlslogans möglich: Hurra, hurra, Ska Ka ist da. Kein Blabla, sondern Ska.

Wenn Sie ein Mann sind, heißen Sie auf keinen Fall Joseph. Lieber Jan Philipp. Das ist der dritte Moderator der Grünen-Show. Jan Philipp Albrecht ist als Datenschutzpolitiker vorne dran, aber das kann man nach Ansicht des Videos nicht ahnen.

Früher hatten wir Peter, Paul and Mary („Puff, the Magic Dragon“). Heute Ska, Terry und Jan Philipp („Hey, Alter, geil“). Ein umgedrehtes Geschlechterverhältnis. Da sieht man, was die Grünen durch Rebellion und Twittern alles bewirken können. Juhuuu. Wir Bürger bitten indes um Verständnis, dass wir das Regieren nach Ansicht dieses Videomaterials vorerst noch den weißen, alten Männern überlassen.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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17 Kommentare

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  • Schade, eigentlich hatte ich einen ernsthaften Artikel erwartet, erhofft. Doch bei der TAZ ist Grünen-Bashing Redaktionspflicht geworden. Bei der Bundestagswahl hat es begonnen, zur Europawahl wurde es perfektioniert.

     

    Dabei hat der Teaser Hoffnung gemacht. Mit viel Aufwand hatten die Grünen neun Themen ausgewählt, die den Mitgliedern besonders wichtig waren. Das hinderte Alfatier Trittin nicht daran, bei seinem Steuerthema zu bleiben, das bei der Basis durchgefallen war. Die Wahlkämpfer vor Ort mussten entgeistert zur Kenntnis nehmen, dass sich auch anderes berliner Spitzenpersonal einen Dreck um die Beschlüsse kümmerte, sondern jeder sein eigenes Ding durchzog.

     

    Warum gab es überhaupt solche Regeln zur Wahl? Durch jeden Grünen geht noch so ein Stechen, wenn die Sprache auf fünf Mark pro Liter kommt. Auch von der Konkurrenz wollte man lernen. Jeder wusste, das Oskar Lafontaine recht hatte, als er ankündigte, die Vereinigung würde teuer werden. Wie teuer sie dann bis heute wurde, hätte auch der Wirtschafts-Experte sicher nicht gedacht. Doch für realistische angaben muss(!) der Wähler die Kandidaten abstrafen.

     

    Wahlkampf ist wie ein Bewerbungsgespräch, das Wahlprogramm wie ein Arbeitszeugnis. Dort dürfen nur positive Dinge stehen. Was wird besser? Wie werden wir schöner leben? Warum wird es blühende Landschaften geben? Steuererhöhungen sind die Spaßbremse schlechthin. Den Grünen war es wieder gelungen, zu erklären, wem man die Daumeschrauben anlegen kann und wie. Das Ergebnis ist bekannt.

  • Lieber Herr Chefreporter (und alle anderen), nutzen Sie doch mal die Gunst der Stunde, um sich ein wenig über diese Mittzwanzigerin zu informieren, die es mit queerfeministischen Forderungen ins Europaparlament geschafft hat. Da werden Sie schnell merken: Die hat ganz schön was auf dem Kasten. Und zwar nicht nur Videos, die offensichtlich an Leute mit mehr Humor gerichtet sind.

  • Juhuu! Negativauslese durch Quote, hier ein wirklich gutes Beispiel. Wenn bei den Grünen der Sachverstand irgendwann wieder das entscheidende Kriterium bei der Kandidatenaufstellung sein sollte, könnte man sich zumindest wieder ernsthaft über Sachthemen auseinandersetzen. Wenn solche Leute als Vorzeigeabgeordnete dargestellt werden wie in diesem Promovideo, schlägt das auf die gesamte Partei durch. Für Wähler mit zumindest etwas Anspruch nicht wählbar.

  • Sorry, aber das Foto von P. Unfried finde ich einigermaßen affig und der Herr wirkt ausgesprochen eingebildet.

  • Jetzt springt die taz auch noch auf! Das Kleinbürgertum hat was zum Motzen! Jetzt mache ich bei "Die Grünen" bestimmt mein Kreutzchen bei der nächsten Wahl!

  • Mit ausreichender Peinlichkeit bekommt man als Politiker mit Sicherheit Medienpräsenz. Das machen doch alle so.

  • Es wird offensichtlich, dass sie absolut keine Ahnung haben, über wen sie da genau schreiben. Sie hetzen gegen jemanden, dessen Namen Sie nicht mal schreiben können, über Theresa (nicht Theresia) Reintke nur wegen eines Videos herzuziehen, ist ziemlich platt. Umso mehr gilt das für Ska Keller und Jan Philipp Albrecht, die seit fünf Jahren zu den erfolgreichsten grünen PolitikerInnen in Brüssel gehören. Aber das passte wohl nicht ins Konzept ihres Artikels, oder?

    • @Jusi :

      Wenn man bedenkt, dass diese "erfolgreichen PolitikerInnnen" in Brüssel über existenzielle Fragen für 500 Mio Menschen mitentscheiden, über den Euro, die Migration nach Europa, das Freihandeslabkommen mit den USA etc, da wird mir Angst um die Zukunft meiner Kinder.

      Die interessantere Frage ist aber:

      WER wählt solche Leute? Haben diese Wähler kein Verantwortungsbewusstsein für ihre Kinder, für die Zukunft unseres Landes?

    • @Jusi :

      Sie meinen also, dass das, was in dem Video gesagt wurde, zuhöchst intelligent und qualifiziert war. So qualifiziert, dass Sie sich dieses Verhalten für alle 750 Parlamentarier in Brüssel wünschen?

  • Hallo Herr Unfried (oder soll ich "juhuu" sagen?). Was den Grünen fehlt ist einfach ein professioneller Schnittmeister für ihre Videos.

    Haben Sie schonmal Vertreter anderer Parteien im Original erlebt? Ich meine ungefiltert und live. Ich sag Ihnen was: Die sind noch viel peinlicher! Wie kommen die dann in der Tagesschau so gut rüber? Richtig: Guter Schnittmeister!

  • Ehrlich gesagt finde ich den "neuen Stil" der TAZ ziemlich peinlich. Es gäbe sicherlich seitenweise Gründe sich inhaltlich mit der Politik der angesprochenen Grünen auseinander zu setzen. Stattdessen ist offenbar das einzige, was dem "Chefreporter der TAZ" wichtig ist der Verweis auf die Namen. Als die Grünen vor 30 Jahren zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen sind haben sie Themen vertreten, die sonst von keiner anderen Partei ernst genommen wurden. Auch damals war den "Chefredakteuren" ihrer Zeit wichtiger, wie "die bärtigen Hippies" aussahen. Heute trägt ein Grüner keinen langen Bart sondern einen, (meinetwegen) verdrehten Namen. Na und? Der Name Peter schützt offenbar auch nicht vor flachen und oberflächlichen Kolumnen.

  • Die werden schon noch lernen, dass sie mit ihren kindischen Aktionen in der realen Politik - vor allem gegen weiße, alte Männer - nicht durchkommen. Da helfen keine Antifa-Flaggen (gute Ziele, trotzdem zu weiten Teilen kriminell) im Parlament und auch keine dämlichen Youtube-Videos.

     

    Als junger brauner Mann möchte ich noch anmerken, dass ich es als weißer, alter Mann als diskriminierend empfände, pauschal als etwas zu Bekämpfendes dargestellt zu werden. Cool ist das nicht, auch wenn Ska Keller natürlich ziemlich heiß ist. ;)

  • Therry und Ska passen von ihren Ansichten und ihrem politischen Wirken sehr gut zu M. Sonneborn und seiner Partei- es gibt nur einen Unterschied: Sonneborn weiß, dass er mit Satire dem EU-Parlament einen Spiegle vorhält, Ska und Therry machen das gleiche, wissen es aber leider nicht. Für die beiden gäbe es eine gute Therapie: ehrliche Arbeit, z.b. in der Kantine.

    • @Tupaq:

      juhuu juhuu !

      Kantine o.k. , aber erst nach dreijähriger Bewährung in Altenpflege , ja !

  • Naja, lieber grün als schwarz.

    • @vic:

      Jaja , das "kleinere Übel" wählen - was bleibt einem übrig !?

      Oder auch gut : Demokratie - das ist die Selbstverarschung des Volkes durch das Volk . Juhuu !

      • @APOKALYPTIKER:

        Ich wähle weder, noch. jaja...