Kolumne Die Kriegsreporterin: Hü-und-hott-Fernsehen
Schlimmer als mit Johannes Bräsig Kerner kann "Wetten, dass...?" nicht werden. Und in den Talk-Shows in der ARD sind auch nur hülflos agierende Hottentotten.
N och immer ist kein Nachfolger für Thomas Gottschalk in Sicht, und es wird immer trauriger. Die Buchstaben bis R hat der ZDF-Programmchef Thomas Bellut in seinem Promi-Telefonbuch schon durch, und nur Absagen! Vielleicht hat er bei S mehr Glück. S wie Seidl.
Die Spaßkanone des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Claudius Seidl hatte ursprünglich Intendant des zweiten deutschen Schlaffernsehens werden wollen, was aber an der Übermacht Belluts scheiterte. Bellut ist dem Bayern also noch was schuldig. Und schlimmer als mit dem nun auch noch aufgetauchten Johannes Bräsig Kerner könnte die Sendung auch mit jemandem, der kein großes Show-Appeal aufweist, nicht werden.
Auch schuldig sind die Verantwortlichen der ARD. Nämlich dem Beckmann Reinhold eine ordentliche Quote. Der Mann, der ebenjenen Kollegen, Johannes B. Kerner, einst fragte: "Sind wir nicht alle kleine Rock-'n-Roller?", dessen Talk-Show ist auf dem neuen Sendeplatz am Donnerstag auf den geradezu peinlich zu nennenden Marktanteil von 7,7 Prozent gerutscht. Und könnte, so die Abwägungen der ARD-Planer, jetzt doch wieder montags kommen. Hat man sich mal so überlegt.
Nachdem man diese ganz tolle Talk-Schiene ausgetüftelt hatte, bei der jeden Tag eine andere Nase meist irrelevante Gespräche führt. Hü-und-hott-Fernsehen nenn ich das. Hülflos agierende Hottentotten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Kriegen ja nur mein Geld, mehr ist es ja nicht.
berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de
Dass immer mehr Geld auf Kosten anderer haben zu wollen schlechte Menschen macht, hat zuletzt der Hamburger Jahreszeiten Verlag (Jalag) bewiesen, der seinen freien Mitarbeitern Rahmenverträge zugesandt hatte, deren Inhalte in Teilen bereits anderen Verlagen vom Gericht untersagt worden waren. Lustigerweise waren nicht einmal Geschäftsführer des Jalags in der Lage, die eigenartigen Formulierungen auf Nachfrage zu erklären. Und weil etwa mein kleiner, tapferer Berufsverband Freischreiber so laut rumgeschrien hat, wollen die Verantwortlichen sich jetzt noch mal zusammen mit den Interessenvertretern der JournalistInnen hinsetzen und das Ganze ausgewogener gestalten. Na, das ist doch mal was.
Das ist fast so schön wie die Aussage vom Chefredakteur des Spiegels, Mathias Müller von Blumencron, der in puncto der miesen Honorare für Freie bei Spiegel online sagte: "An die Honorare müssen wir noch mal ran!" So einen Satz hört man gern, zumal wenn er auf einer Veranstaltung von Freischreiber fällt und von Blumencron einräumt, hätte Freischreiber nicht so einen Druck wegen der unfairen Rahmenverträge gemacht, hätte man die wohl noch ein paar Jahre so gelassen.
Auch keinen Zweifel, dass in dieser Republik noch alles gut wird, habe ich, wenn ich lese, dass Götz George sich für ein neues NPD-Verbotsverfahren ausspricht. George hatte unter dem Decknamen "Schimanski" in den 80er und 90er Jahren vor allem im Raum Duisburg ermittelt. Morgen wird Sarah Wiener sich für eine verstärkte Einreisekontrolle für Küchenschaben an den EU-Außenposten starkmachen, für Freitag wird mit einer Stellungnahme Franziska von Almsicks zum Schmuggel russischer Handfeuerwaffen in Herrenbadehosen gerechnet.
Und damit das Gute auch ökologisch im Gleichgewicht ist, bestelle ich mir im taz Shop ein Insektenhotel. Jawohl, ein Insektenhotel. Eine Art Wohnblock für alles, was "durch intensive menschliche Eingriffe in die Naturlandschaft nur noch sehr eingeschränkt vorhanden" ist. Irgendwomit muss die taz sich ja auskennen. Und damit zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
HTS als Terrorvereinigung
Verhaftung von Abu Mohammad al-Jolani?