Letztes "Wetten, dass ..?" mit Gottschalk: Personenkult fürs Zirkuspferd
"Ich habs für Sie gemacht", bedankte sich Thomas Gottschalk beim Publikum. Nach einer stinknormalen Sendung, die er nur noch ein bisschen länger überzog als sonst.
Gottschalk aus Schnee bei der Außenwette, Gottschalk in allen Einspielfilmchen aus gefühlten 250 Jahren "Wetten, dass ..?", Gottschalk-wir-lieben-Dich-Plakate im Publikum: Iris Berben und der Rest des Promi-Sofas hätten eigentlich gar nicht mehr zu kommen brauchen. Bis auf Till Schweiger vielleicht, der, immerhin nun auch ganz offiziell bestätigt, demnächst als Kommissar zum drohenden Untergang des NDR-"Tatorts" beitragen wird, mit lauter - Vorsicht fürchterlicher Kalauer - Keinohrleichen.
Aber Kalauer passen zu "Wetten, dass ..?" Überhaupt war die letzte Sendung so normal und darin durchaus gut und wie immer in all ihrer Überflüssigkeit seltsam stimmig. Mit überflüssiger Prominenz, mal stulleren (Gottschalks Abendgarderobe den jeweiligen Sendungen zuordnen), mal besseren Wetten (WC-Marken am Geräusch der Klospülung erkennen), und in die Jahre gekommenen Lifeacts (Meat Loaf sang ein Medley und tritt nächste Saison mit dem Kurorchester Bad Orb auf). Fernsehunterhaltung am Samstagabend, irgendwie aus der Zeit gefallen, aber immer noch da.
Und es zeugt von Gottschalks Professionalität, zu erkennen, dass da selbst für ihn jetzt besser mal Schluss ist, mit einem ganz kleinen Klößchen im Hals. Besser jedenfalls, als wenn er die Sendung nochmal fünf Jahre vom einstigen ZDF-Quotenleuchtturm zur Tranfunzel runterrocken würde. Nur das ZDF will es immer noch nicht wahr haben und hält deshalb krampfhaft weiter an der Nachfolgersuche fest.
Natürlich wurde dabei auch Günther Jauch als Freund und damit unvermeidlicher Gast der letzten Thommy-Sendung in die Pflicht genommen. Natürlich macht er's nicht, aber überlegen, sagte Jauch, will er sich's schon - und heute Abend auf RTL im Jahresrückblick seine Antwort geben. Es ist doch schön, wenn sich öffentlich-rechtliches und privates Fernsehen auch hier gegenseitig befruchten.
Weil man keinen Nachfolger hat und ohnehin nicht weiß, wies weitergeht, wurde die "Legende" Gottschalk (Stimme aus dem Off zu Beginn) um so ausgiebiger gefeiert, und der "König von Deutschland" (superoriginell: Til Schweiger) ließ es sich mit dieser genial-naiven Überraschtheit gefallen, die sein Markenzeichen ist. Gottschalk wirkt eben immer, als sei er rein zufällig auf seinem eigenen Kindergeburtstag gelandet, und die entsprechende Begeisterung ist echt.
"Er ist der Onkel Deutschlands"
Das alte Zirkuspferd, es trabt los, sobald die Musik einsetzt, und wenn dann sogar die Basketball-Legende Dirk Nowitzki "mein Lieblings-Showmaster" sagt, ist die Welt schwer in Ordnung. Und Gottschalk nennt sich ganz selbstbewusst den "letzten Clown, der unterwegs ist".
Das hat Charme und durchaus Stil und zeigt obendrein, wie unnachahmlich viel schlichter Michelle Hunziker gestrickt ist, die ungefähr hundertmal von den "Zuschauern auch in Österreich und in der Schweiz" faselt und sprachlich etwas ungeschliffen von Gottschalk sagt, "er ist der Onkel Deutschlands, alle lieben ihn", was ja auch daran liege, dass er "ja für alles dabei" sei.
Dann war alles vorbei, Gottschalk hatte trotz Extra-Sendezeit nochmal locker überzogen und bedankte sich beim Publikum, "weil wir beide immer zusammengepasst haben". Und weil ein Zirkuspferd keine großen Worte zu machen braucht, sagte Gottschalk einfach nochmal, wie das bei ihm funktioniert: "Ich habe mich, wie immer in meinem Leben, auf diesen Moment nicht richtig vorbereitet. Ich wusste, er würde kommen, und ich weiß, dass ich damit umgehen kann." Sprachs, ging damit um – und trat von der Bühne ab.
Es wird ein kurzer Abschied, denn schon im Januar startet Gottschalks neue Vorabend-Runde "Gottschalk live" in der ARD. An vier Abenden in der Woche spielt die Musik, das Zirkuspferd wird traben – und es auf dem derzeit undankbarsten aller Sendeplätze im Deutschen Fernsehen ungleich schwerer haben als im ZDF. Wetten, dass ..?!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier