Kolumne Die Kriegsreporterin: Chefredakteure können nicht zählen
Sollten Journalisten-Seminare Tantra-Schulungen sein? Welche Tarotkarte passt zu Matthias Matussek? Bei der Frauenquote gilt: 6:1 ist 50:50.
H allo, taz-Medienredaktion!
Ich melde mich heute aus einer Höhe, die zwar noch nicht schwindelerregend ist, aus ihr herunterfallen möchte ich dennoch nicht. Ich befinde mich auf der Hälfte einer durchschnittlich langen Karriereleiter. Hier treffe ich Markus Miksch.
Er ist hoch gekommen, um für sein Seminarangebot zu geschlechtsspezifischer Kommunikation für Journalisten zu werben. Eine böse männliche Zunge hat in Anbetracht seines Fotos gesagt, dem Mann würde er nicht mal die taz abnehmen, wenn er sie gratis anböte, und auch ich muss sagen, ich würde den Herrn eher als Anbieter von Tantra-Seminaren vermuten denn als „Karriereleiter“.
Frauen, Männer, Hindernisse – das ist ja auch das Thema von Matthias Matussek, der für sein weiteres Wirken dorthin abgestiegen ist, wo man als ausgediente Krawallschachtel sein Gnadenbrot findet, zur Welt. Dort hockt er wie Gargamel und überlegt, wie die Außenwelt von ihm Notiz nimmt. Schritt eins: Exkollegen beleidigen. Sehr lustig ist, dass er dafür unter anderem einen „Angeber-Golf mit Heckflossen“ vom Himmel herbeibehauptet.
Das ist deshalb lustig, weil ich für Aussagen zu Matussek, die angeblich den Tatsachen nicht entsprechen, von ihm verklagt wurde. Schritt zwei: Tarotkarten ausbreiten und eine ziehen. Aktuell hat Matussek die Karte „Homophobie“ aus der „Aufmerksamkeits-Ekel-Edition“ gezogen. Demnächst könnte er versuchen, durch Themen wie „Ich habe Aussatz“ oder „Hilfe, meine Mutter schlägt mich!“ in den Fokus der Öffentlichkeit zu gelangen.
Fünf Männer und eine Frau
Du, taz-Medienredaktion, bist ja ganz schön männlich. Deswegen kannst du mir vielleicht folgende Frage beantworten: Glaubst du, dass die richtigen Männer Chefredakteure sind? Ich dachte immer, so ein Chefredakteur müsse zumindest zählen können. Können die aber nicht.
Die reden immer davon, dass sie so viele Frauen wie Männer für die Bestimmerstühle einstellen wollen, und dann wählen sie doch immer Männer aus. Wolfgang Büchner vom Spiegel etwa. Der ist eigentlich total nett. Gut, er trägt das Haar etwas zu lang, aber im Gespräch ist er reizend. Er sagte letzte Woche: „Ich halte jede Verteilung von Führungspositionen in der Gesellschaft und damit auch in Redaktionen, die anders ist als 50 zu 50, für unnatürlich“ Und was tut er?
Installiert eine Chefetage mit fünf Männern und einer Frau. Einer. Und er ist ja nicht der Einzige, der das mit dem Zählen durcheinanderkriegt. Schirrmacher, Buhrow – die haben alle toll geredet, wie wichtig es ist, Frauen bla bla bla, und dann ergibt 6:1 auf einmal 50:50.
Sind Frauen so toll, dass eine so viel zählt wie sechs Kerle?!? Oder meinst du, die Chefs lassen sich ein Y für ein X vormachen? Wollen eine Frau einstellen, und dann kommt so ein Kerl mit Dreitagebart und Irish Moos an den Wangen und sagt: „Ich sollte eigentlich ein Mädchen werden.“ Und dann sagt so ein Chefredakteur: „Echt?! Okay, das zählt!“
50 Möglichkeiten von Identität
Die Süddeutsche Zeitung vermeldet, dass bei Facebook unter „Geschlecht“ jetzt neben „Frau“ und „Mann“ 50 Möglichkeiten von Identität abgebildet werden. Das muss man sich mal vorstellen! Die Amis trauen sich zu, mit so vielen unterschiedlichen Identitätswahrnehmungen klarzukommen, und bei uns sind die Chefs schon durch zwei überfordert.
Zum Schluss etwas ganz Reizendes! Der Fernsehkritiker Hans Hoff hat diese Kolumne „bezaubernd“ genannt! Da hat mal einer nicht auf mich guckt, sondern nimmt die Kolumne quasi als eigenes Wesen wahr – hach, das ist, als würden Schmetterlinge mich an Fäden durch die Luft tragen! Im wohligen Sinnestaumel zurück nach Berlin!
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