Kolumne Die Kriegsreporterin: Ich kaufe ein H wie „Handelsblatt“
Schon wieder ist Gabor Steingart im Verruf, das „Handelsblatt“ zu sehr an die Wirtschaft angenähert zu haben. Leute, ich mach es billiger!
H allo, taz-Medienredaktion, ich stehe hier in Düsseldorf vor dem Redaktionsgebäude des Handelsblatts. Eine ganze Schar langweiliger, nach Bedeutung lechzender „Entscheider“ hat sich hier versammelt und winkt mit ihrem Geld. Manche haben fünf Tausend-Euro-Scheine dabei, andere haben ihr Sparschwein geschlachtet und halten Jutebeutel in die Höhe, in denen die Trinkgeldkasse klimpert.
Seit sich herumgesprochen hat, dass man für 5.000 Euro einen Lobhudelartikel auf Seite drei bei dem ehemals angesehenen Blatt kaufen kann, verzichten viele „Entscheider“ auf ihre Teilnahme bei DSDS und kommen lieber direkt zu Gabor Steingart.
Also abgesehen davon, dass ich es etwas eigenartig finde, im Zusammenhang mit verkauften Unternehmerporträts von „Schleichwerbung“ zu sprechen und ich im Angesicht einer dem Zeitungsleser suggerierten redaktionellen Unabhängigkeit und Autonomie lieber von Betrug, zumindest aber presseethischer Kriminalität sprechen möchte, frage ich mich: Warum das Handelsblatt?
Leute! Ich mach das doch viel billiger! Für nur 750 Euro schreibe ich diese Zeilen voll, wie toll Sie sind. Wie klug, weitsichtig und wie wunderschön Ihr Haar fällt. Bei Sonne. Bei Regen. Besonders bei Regen.
Schon öfters war in Kollegenkreisen das Wort auf Gabor Steingart gekommen und die angebliche bedenkliche Annäherung der Redaktion an die Wirtschaft unter seiner Führung. Da kann ich nur sagen: Jetzt gibt es keine Ausrede mehr, nicht zu recherchieren, was in der Verlagsgruppe Handelsblatt an Deals eingefädelt wird.
Botschaften in Kreuzworträtseln
Um Einflussnahme geht es auch bei der Zeitung El Aragueño aus Venezuela. Sie soll, so der Vorwurf des Informationsministers, regierungskritische Botschaften in ihren Kreuzworträtseln versteckt haben. Was für eine lustige Vorstellung! Und, wer weiß, vielleicht ist es auch bei uns gang und gäbe? Lauter Dinge, die keiner laut sagen möchte, werden auf der Kreuzwortseite der Stern-TV-Beilage unters Volk gebracht. „Helene Fischer ist toll“, „Die SPD-Spitze wird immer fetter“ – wobei bei dieser Auswahl der Urheber natürlich klar ist: Hans-Ulrich Jörges.
So, wo wir bei Einflussnahme sind, können wir auch gleich mal auf Unterstützung kommen. Kollegiale. Brauche ich nämlich. Ich bekomme hier seit einigen Wochen Mails von Leuten, die mich bitten, mich doch mal des Sachverhalts anzunehmen, dass der SWR-Intendant Peter Boudgoust dem mehrstimmigen Gefiedel in seinem Sendegebiet den Garaus machen will und aus zwei Orchestern eines basteln möchte.
Die Leute sind sehr aufgebracht und traurig, wohl auch, weil die Orchester (Sinfonieorchester Freiburg und Baden-Baden und das Stuttgarter Radio- und Sinfonieorchester) so besonders, einzigartig und sonst was sind und Peter Boudgoust ein Schwachmat. Nun finde ich aber Orchester so dermaßen langweilig und mir geht es so dermaßen am Arsch vorbei, ob die beim SWR an drei oder vier Geigen zupfen, dass ich überhaupt keine Lust habe, mich darüber zu informieren.
Da ich aber Abitur habe, weiß ich: Orchester sind wichtig. Leute, die die wegmachen, sind Putin. Deshalb möchte ich die KollegInnen unter meinen LeserInnen bitten, dass sich jemand des Themas annimmt! Ich weiß, einige haben schon darüber berichtet. Aber kann das mal jemand so machen, dass ICH keine Mails mehr bekomme?! Also mit Rumms. So, dass Boudgoust angst und bange wird und er einlenkt. Mir gehen diese Orchesterschwätzer mit ihrem „Klangkörper“ so was von auf die Marmel, dass ich jetzt völlig rammtammtamm in der Birne zurück nach Köln gebe. Äh, Berlin!
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