piwik no script img

Kolumne Die KriegsreporterinWir sehen uns in der Trinkhalle

Kolumne
von Silke Burmester

Der „Focus“ soll am Samstag erscheinen. Demonstrationen beim „Stern“. Alles mit B. Und: Die Kriegsreporterin macht Pause.

Nicht jeder Stern wird so liebevoll gepflegt. Bild: dpa

H allo, taz-Medienredaktion!

Du musst jetzt tapfer sein! Ich muss dir etwas sagen. Nein, ich werde nicht aufhören. Keine Sorge. Ich werde allerdings aussetzen. Bis Anfang nächsten Jahres werde ich meinen Posten räumen und keine Meldung mehr machen. Ein Kriegsreporterinpäuschen einlegen. Ich weiß, das ist schlimm. Keine Medienfront mehr mittwochs. Das wird vielen die Frage bescheren: Warum mittwochs aufstehen?

Aber das ist natürlich auch insbesondere schlimm. Wo doch jetzt alles drunter und drüber geht und sich Gruner + Jahr unter der Führung von Mrs Thatcher wie Großbritannien in den 1980ern entwickelt. Und Focus am Sonnabend erscheinen will. Was ein großes Lachen provoziert, hahahaha!, als wenn das was ändern würde! Focus. Fo-was?!?

Und erst der Spiegel. Ebenfalls samstags erscheinen wollen und sich intern zerlegen. Ganz großes Kino. Ich werde mal versuchen, dass mich das nicht mehr interessiert. Tatsächlich habe ich gehört, dass sich die Welt weiterdrehen soll, auch wenn die Mitarbeiter und Chefs ohne Blub das Blatt und sein Ansehen zerhacken.

Ganz großartig finde ich die aktuellen Entwicklungen für meinen Verein Freischreiber. Ist er bislang ein 600 Mitglieder starker Interessenverband, der so hier und da für Rumms sorgt, könnte seine große Zeit jetzt kommen: Letzte Woche hat es eine erste Demonstration von Stern-MitarbeiterInnen gegeben. Stern-MitarbeiterInnen, Medienredaktion, das sind die seit 120 Jahren fest angestellten Kolleginnen und Kollegen mit Hammergehalt und nix Ahnung von Kampf. Das war die Spezies „Sorgenfrei“ mit Polster unterm Popo. Und jetzt will die demonstrieren! Ohne Know-how, wie das geht! Schön studiert, dann in den Verlag und keine Ahnung vom Leben. Das rächt sich jetzt.

Gruppe „Frei-Chef“ in Gründung

Und da kommt Freischreiber ins Spiel! Mein Verein, voll Demonstrations- und Aktionserfahrung, könnte sein kampagnengeschultes Personal und eine Modul-Widerstandsausrüstung gegen Gebühr anbieten. Je nach Aktionsgröße könnte Freischreiber Konzepte, Klebeband oder das Demo-Rundum-sorglos-Paket bereitstellen. Auch interessant für die Sternis und alle, die noch kommen: das monatliche Freischreiber-Treffen mit Zuspruch und Beratung durch erfahrene Mitglieder. Für gefeuerte Chefredakteure könnte man eine Gruppe bilden, „Frei-Chef“. Ein Coaching könnte den Ex-Chefs helfen, mit dem Bedeutungsverlust klarzukommen.

Ja, und sonst? Ich glaube ja, dass der Bauer-Verlag schon Verhandlungen führt. Das Schmuddelkind unter den Verlagen steht als einer der wenigen glänzend da und ich wette, Yvonne Bauer wartet nur darauf, Gruner + Jahr, einen Verlag, der auf das Werk ihres Vaters stets mit begründeter Abscheu geblickt hat, zu übernehmen. Oder zumindest die Backabteilung. Und Beef. Und Brigitte. Einfach alles mit B. Und wo doch das Hamburger Abendblatt schon über einen Umzug des Restpostens von G+J nach Norderstedt (das ist so, als würde die Vogue in Nordkorea gemacht) nachdenkt, könnte die bald sehr große Organisation Freischreiber das Verlagshaus am Baumwall beziehen. Wenn nicht Bauer da reingeht.

All diese schönen Entwicklungen müssen vorerst ohne mich stattfinden. Ich mach jetzt mal ein paar Monate was anderes. Jetzt willst du wissen, was?! Okay. Ich arbeite fremd. Und ich suche mir einen Millionär. Mit dem druck ich Geld. Wenn ich Anfang des Jahres wiederkomme, mache ich eine Trinkhalle für Journalisten auf. Am Bahnhof. Versprochen. Mit innigen Küssen zurück nach Berlin!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • mit Klaus Theweleit -

    die Diekmannisierung der taz

    schreitet fort -

    Literatur und ihr Betrieb =

    wasted land con PipiKackaÖmmes -

    na - helzrichen Gwücklunsch

    but - try it ag-gähn - 3.0

     

    La Helmeth

     

    pflückt die Kirschen der Freiheit;•>

    wohl bekomm's;/))

     

    &andersch - Die Blonde -

    könnt auch mal jemand schreiben;

    auch wenn Mr.Telefonbuch-Besprecher

    den "Kitsch" - nicht mehr beschnarren kann -

    zum Glück&Masseltoff.

  • Ich schmeiß ihr ein paar Tränen hinterher

    und hoffe auf die Widerkehr.

  • Einfach so demonstrieren, ohne Know-how, das geht in Deutschland natürlich gar nicht. Ich empfehle den Damen und Herren vom Stern, sich ein Beispiel an der SPD zu nehmen. Die hat sich über Jahrhunderte intensiv und mit großer List auf ihren Kampf vorbereitet. Nur so kann man sich letztlich auch wirksam von seinen Zielen befreien.

     

    Ich werde die Kriegsreporterin hier vermissen, finde es aber grundsätzlich gut, wenn Leute auch mal "was anderes" machen. Ausser Prostitution ist heute ja praktisch alles auch moralisch vertretbar, was Steuereinnahmen bringt. Wir sehn uns am Bahnhof, wenn der Zug mal wieder abgefahren sein sollte!

  • hm. So schlimm, dass man deshalb nicht mehr aufstehen würde, ist heute kein Verlust irgendeines Pressefeatures mehr - und man darf wohl berechtigt annehmen, dass dies auch niemals der Fall war oder jemals der Fall sein wird (selbst dann, wenn der gesamte Internet-Quatsch auf einen Schlag enden würde). Ein Päuschen, egal für was auch immer benötigt oder genutzt, ist auch immer gut. Selbst ein friedliches Ende dieser schönen Kolumne wäre zu verschmerzen.

     

    Aber.... *schwer* zu verschmerzen. Und schade ist selbst das Päuschen.