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Kolumne Die Farbe LilaDie Mär von der Rabenmutter

Kolumne
von Susanne Klingner

Die Gesellschaft stellt an eine "gute" Mutter detaillierte und vor allem unerfüllbare Anforderungen: Das Kind muss an erster Stelle stehen, eine egoistische Mutter geht gar nicht.

N och drei Wochen, dann ist meine Elternzeit um. Endlich. Und: Leider. Es waren sieben tolle Monate mit dem Kind. Es waren aber auch sieben anstrengende und langweilige Monate, so immer nur mit dem Kind. Das zuzugeben ist nicht so einfach. Nicht selten verstummen nette Plaudereien, wenn ich gefragt werde, wie mir die Elternzeit so gefalle. Sobald ich die Wahrheit sage, nämlich dass ich nie zuvor meinen Job so vermisst habe, wird so manches Gegenüber recht schmallippig.

Anfangs irritierten mich die Reaktionen auf meine Elternzeit. Die gut gemeinten Ratschläge: Ich solle doch erst mal schauen, wie es mit Kind so läuft. Oder die Vermutung, ich würde mich nach so kurzer Zeit sowieso nicht von dem Kind trennen können. Und immer wieder die erstaunte Nachfrage: "Nur sieben Monate?" Der Mann dagegen bekam zu hören: "Was? Sieben Monate!" Und: "Warum das denn?" oder: "Wo fahrt ihr hin?" Ich habe noch nicht davon gehört, dass die Aufteilung 12/2 Monate zu ähnlich irritierten Reaktionen geführt hätte.

Die gebe es deshalb, sagte die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken vor ein paar Tagen in einer Podiumsdiskussion, weil wir in Deutschland ganz spezielle Rollenbilder pflegten: Nirgendwo sonst sei das Frausein so stark mit dem Muttersein und das Mannsein so eng mit der Berufstätigkeit verbunden. Eine richtige Mutter kümmert sich um die Bedürfnisse des Kindes, ein richtiger Mann schaut, dass er die Familie ernähren kann.

Bild: Stephanie Fuessenich

SUSANNE KLINGNER ist Mitautorin des Buches "Wir Alphamädchen" und bloggt als Frau Lila.

Dabei höre ich von vielen noch kinderlosen Frauen, dass sie sich die Sache mit der Familie eigentlich ganz gern mit dem Mann teilen wollen. Sobald das Kind da ist, setzt eine Art kulturelle Gehirnwäsche ein. Plötzlich geht es nur noch um die Mutter.

Ja, auch ich habe mich die ersten Wochen nach der Geburt des Kindes ständig gefragt, ob ich eine gute Mutter bin.

Die Gesellschaft stellt an eine "gute" Mutter detaillierte und vor allem unerfüllbare Anforderungen: Sie muss natürlich das Kind an die erste Stelle setzen, eine egoistische Mutter geht gar nicht. Sie muss "fühlen", was das Kind braucht und will. Sie muss ihre Mütterlichkeit entdecken und pflegen. "Wieso wird von dir nicht erwartet, dass du so was wie Väterlichkeit an den Tag legst?", frage ich den Mann genervt. "Was soll denn bitte Väterlichkeit sein?", fragt der Mann zurück. "Eben", sage ich. Ich habe aber nicht vor, das Muttersein zu neuer Perfektion zu führen, und genauso wenig habe ich vor, dem Vater meines Kindes zu beweisen, dass ich als Frau das sowieso alles besser kann. Mich plagt keinerlei Ehrgeiz, was das Muttersein betrifft; ich erwarte von mir nichts anderes als das, was ich vom Mann erwarte: dass wir unsere Kinder lieben, ihnen zuhören, ein Zuhause geben. Mehr gestatte ich auch der Gesellschaft nicht, von mir zu erwarten.

Ob wir glauben, das Kind brauche für eine schöne Kindheit vor allem seine Mutter oder so viele Menschen wie möglich, sehe ich als absolute Privatsache. Und es wäre mir sehr recht, wenn mir nicht dauernd alle ungefragt erklären, wie sie das so sehen mit dem Muttersein und mir. Wenn sie selbst Glück haben, geht ihnen dann auch niemand auf den Senkel mit absurden Vorstellungen von einer "guten" Mutter. So, ich muss zurück zum Kind. Übergabe an den Mann ist ja erst in drei Wochen.

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11 Kommentare

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  • FA
    freitag abend
    Und immer wieder die erstaunte Nachfrage: "Nur sieben Monate?" Der Mann dagegen bekam zu hören: "Was? Sieben Monate!" Und: "Warum das denn?

     

    und? kann ihnen doch egal sein, was die leute denken / fragen / meinen.

    glauben sie, "die leute"* würden ihr eigenes verhalten ändern, wenn sie sie kritisieren, beurteilen, fragen stellen? wohl kaum.

     

    ist mir schleierhaft, wie erwachsene menschen, die so wahnsinnig individuell und autonom und selbstbestimmt und emanzipiert und frei zu sein vorgeben, nix wichtigeres zu tun haben, als auf "die leute" zu hören und sich drüber zu echauffieren.

     

    *(oder wer immer kommentare abgibt)

  • DB
    dickes B

    Gefühle und Raisone sind Mutter Courage fremd.

  • FE
    für einen sozialen Feminismus

    @Uta N

    ja so sollte es sein !

     

    Das Problem von uns Frauen und Müttern insbesondere ist, dass wir zum ersten Mal die Freiheit haben zu entscheiden, wie wir leben wollen.

     

    Hausmütter fühlen sich durch den gesellschaftlichen und ökonomischen Druck in ihrer Lebensweise bedroht, Erwerbstätige durch einen "vermeintlichen" Mütterkult an ihrer Karriere behindert.

     

    Hinzu kommt ein neues medial gepflegtes Bild der neuen weltmännischen Frau, die durchaus

    in "kapitalistischen Verwertungsmechanismen"

    passen muss.

     

    Wenn Fritz sagt dass

     

    "Die Mühe, die man früher vielleicht darauf verwendet hat, eine perfekte Mutter zu sein, wird nun darauf verwendet, möglichst KEINE perfekte Mutter zu sein."

     

    so stimme ich ihm zum Teil zu.

    Die Erwartung die heutige werdende Mütter an Mutterschaft haben sind gefülsleere Projektionsflächen. Sie enthalten nicht die komplexe Gefühlswelt der beiden Eltern und des Kindes.

    Plötzlich nach der Geburt ist eben alles ganz anders. Aber an Plan A muss festgehalten werden. Diese Nichtplanbarkeit trifft alle, egal ob begeisterte Hausfrau oder Karrierefrau oder Väter. Statt Emotionen mit der Realtität in Einklang zu bringen, verbiegen sich die Frauen (aber auch Väter) um ihren eigenen einstigen Erwartungen zu entsprechen.

    Wir müssen uns frei machen von vorgesetzen Mütter/Väterbildern aber auch von unserem eigenen Mütter/Väterbild um uns selbst zu entdecken.

     

    Wir Frauen müssen erst lernen mit dieser Freiheit umzugehen, denn Freiheit ist erst Pflicht oder wie Rosa Luxenburg sagte

    "Freiheit ist die Freiheit des Anders- denkenden ".

    Wenn wir das andere akzeptieren und auch mal neugierig und vorurteilslos über den Zaun schauen, werden wir uns akzeptieren und selbstbestätigen können.

     

    Nur wenn der Feminismus sich wieder dieser Vielfalt öffnet hat er eine Zukunft ansonsten wir er ein Anhängsel des kapitalistischen Verwertungsprozesses bleiben.

  • L
    Lisa

    Die Autorin schreibt "weil wir in Deutschland ganz spezielle Rollenbilder pflegten: Nirgendwo sonst sei das Frausein so stark mit dem Muttersein und das Mannsein so eng mit der Berufstätigkeit verbunden." Ich würde es auf "den deutschsprachigen Raum" erweitern, weil die Schweiz und Österreich nicht viel anders sind, aber sonst stimmt's. Das Wort "Rabenmutter" kann man auf vielen Sprachen gar nicht übersetzen, weil in anderen Ländern eine Frau keine schlechte Mutter sei, nur weil sie berufstätig ist. Wie eine Familie die verschiedene Rollen verteilt soll eigentlich Privatsache sein. Schade, dass so viele Energie in diesen Kulturkampf verschwendet wird, wenn doch so viele echte Probleme auf die Welt noch nicht gelöst sind.

  • H
    holger

    Hallo,

     

    der Kommentar mit "Rechtfertigungsdruck" stellt eine interessante ergänzung dar, der verletzte vater horsti auch.

     

    schlimm ist doch, dass eltern, mütter wie väter, in der gesellschaftlichen/medialen inszenierung nicht darin unterstützt werden, an sich selbst zu denken, nach sich selbst zu trachten und sich selbst nicht zu verlieren.

     

    kinder brauchen klare, abgegrenzte erwachsene. das schließt die eltern ein, aber eben nicht alle anderen aus.

     

    ich, als mann, habe mich nach 12/2 monaten elternzeit beim zweiten kind auch gefreut, dass ich wieder (lohn)arbeiten konnte.

    meiner frau fällt es schwer, loszulassen und ihren wunsch nach mehr "unabhängigkeit" mit der bereitschaft wieder (lohn)arbeit aufzunehmen zu erfüllen. nur "mutter" zu sein, füllt sie allerdings nicht aus.

     

    eltern die ihre kinder über sich stellen, gefährden sich und ihre kinder. michael winterhoffs "warum unsere kinder tyrannen werden" hat mir aus der seele gesprochen und drei wichtige beziehungsstörungen vorgestellt: eltern kehren die bedürfnislage in der beziehung kind-eltern um: sie befriedigen ihr selbstwertgefühl durch die liebe des kindes. sie verstehen das kind als gleichwertigen partner, geben damit ihre verantwortung für das kind in die hände desselben und überfordern es damit und empfinden schließlich das kind wie einen eigenen körperteil. sie befassen sich nicht mit der individuellen entwicklung des kindes zur selbständigkeit. stattdessen tun sie alles dafür, dass das kind funktioniert im sinne der eltern und, wie der eigene arm, sich nicht verletzt oder verloren geht.

    die eltern werden abhängig vom kind. geschieht das während der phase des frühkindlichen narzissmus, wird das kind nicht etwa darin belehrt, dass nicht alles auf der welt sich um es dreht, sondern garin diesem narzissmus bestärkt. die eltern brauchen das kind für ihr selbstwertgefühl und das kind bemerkt mit der zeit, dass es die scheinbar mächtigere position in der beziehung eltern-kind inne hat, was wiederum einerseits eine überforderung bedeutet, andererseits einer entwicklungsbremse des kindes psyche darstellt.

    was will ich damit sagen: die gesellschafltich/mediale inszenierung sollte eltern zugestehen und darin bestärken, dass sie selbstredend ihren jeweils eigenen zielen und notwendigkeiten nachgehen, auch wenn nun mal kinder in der welt sind.

    in diesem sinne:

    ich gratuliere ihnen, dass sie die elternzeit geschafft haben, sehr geehrte frau klingner und ermutige sie darin, gemeinsam mit dem vater ihrer tochter ihrem jweiligen selbstwertgefühl zuzuarbeiten, wie auch immer sie es erwerben. sie sind nicht so wichtig für ihre tochter, wie das nun mal kolportiert wird. als eltern, die in sich selbst ruhen und für das kind nachvollziehbar (und kritisierbar) "ihr ding machen" und ihren eigenen weg gehen, werden sie ihrer tochter, nachvollziehbar grenze und stütze in gleicher weise auf ihrem lebensweg sein.

  • F
    FRITZ

    "Ich habe aber nicht vor, das Muttersein zu neuer Perfektion zu führen, und genauso wenig habe ich vor, dem Vater meines Kindes zu beweisen, dass ich als Frau das sowieso alles besser kann."

     

    Die Mühe, die man früher vielleicht darauf verwendet hat, eine perfekte Mutter zu sein, wird nun darauf verwendet, möglichst KEINE perfekte Mutter zu sein. Der Paradigmenwechsel in diesem Land ist vollkommen und wie immer in diesem Land wird alles bis zum Äußersten getrieben.

     

    Kinder haben ist neben viel Freude vorallem viel Pflicht. Kein Wunder, dass sich viele geradezu aus ihrer Elternzeit in die Arbeit zurückflüchten, weil sie so viel Verantwortung in ihrem ganzen Leben noch nicht getragen haben, weder für sich, noch für andere(endlich nur noch 37,5 Stunden, statt der 65+, die eine Mutter zu Hause arbeitet...). Am liebsten ist mir der neue Typus Mamas, die die KiTa ausschließlich zur eigenen Freizeitgestaltung nutzen - "Ist ja prima vom Staat, dass er meine 3 Stunden extra Schlaf und meine Freizeit subventioniert. Praktisch, dass mir die anderen das mit ihren Steuern bezahlen."

     

    Mein Lieblingsbeispiel: Mama X aus Sachsenhausen, die ihr hustendes und schniefendes Kind in unserer KiTa abliefert um dann nach Hause zu gehen, um "sich noch mal hinzulegen, da der Kleine so schlecht geschlafen hat". Ist ja nicht ihr Problem, wenn am nächsten Tag alle Kinder husten und schniefen.

     

    Und das ganze geht einher mir der ständigen Verunglimpfung von zu Hause arbeitenden Müttern, denen man ja ununterbrochen vorwirft, ihre Arbeitskraft nicht den kapitalistischen Verwertungsmechanismen zur Verfügung zu stellen (nota bene: der Vorwurf wird bizarrerweise häufig gerade von "links" erhoben, gerne auch von Menschen, die es voll doof finden, dass es weniger "Freiräume" (=Subventionen) für Künstler gibt, etc. In dieser Welt ist zu Hause bleiben und "was Kreatives machen" gut, zu Hause bleiben und "Kartoffelbrei machen" aber reaktionär...)

     

    Deutschland, Egoland. (Sozial nur, wenn es um Dritte, nicht etwa die "Nächsten" geht - die nerven ja nur.)

     

    PS: Kinder finden es toll, wenn sich ihre Eltern um sie kümmern.

  • S
    suswe

    Ich glaube, die ungefragten Ratschläge, wie eine gute Mutter zu sein hat, kommen aus der Ahnung, wie wichtig die ersten Lebensjahre sind.

    Das heißt leider nicht, dass deswegen vernünftige Möglichkeiten der Vereinbarung von Kind und Beruf mitgedacht werden.

  • UN
    Uta N.

    Viele richtige und nachvollziehbare Gedanken in dieser Kolumne. Jedoch kommt auch sie nicht aus ohne die Fokussierung auf den Konflikt zwischen "Zuhause-Müttern" und "Arbeits-Müttern", die scheinbaren Unterschiede zwischen "guten Müttern" und "Rabenmüttern". Diese Diskrepanz erlebt man als Mutter, doch es ist so wenig zielführend, sie immer wieder zu zementieren. Ich habe drei Kinder und alles durch: Ausbildung mit (kleinem) Kind, Arbeiten mit zwei (kleinen) Kindern, Zuhausesein mit drei Kindern, Arbeiten mit drei Kindern.

    Woran es wirklich mangelt, ist Frauensolidarität. Es muss nicht jeder mit jedem Lebenskonzept glücklich werden. Die Mutter, die arbeiten geht und dies gerne tut, fühlt sich in Rechtfertigungsdruck, die Mutter, die zu Hause bleibt, weil sie es gerne möchte, weil sie merkt, dass dies ihr, dem Kind und der Familie vielleicht am besten tut, fühlt einen eben solchen Rechtfertigungsdruck.

    Warum das? Warum nicht glauben, dass diese Frauen so entscheiden, wie es ihrem Leben am besten tut? Oder wie es dem Leben des Kindes am besten tut? Aus dem Zulassen und dem Unterstützen dieser verschiedenen Lebensmuster folgt natürlich auch, dass man gegensätzliche Meinungen anhören und zulassen muss, ohne sich gleich angegriffen zu fühlen.

    Das Leben mit Kindern ist (schön und) anstrengend genug; wenn man arbeitet, noch zusätzlich. Es wäre schön, wenn Frauen sich unterstützen, nicht nur in Taten, auch in Gedanken und in der Einstellung. Man muss seine ohnehin begrenzte Energie nicht noch in Grabenkämpfe stecken.

  • I
    ilmtalkelly

    Wenn da nur nicht die bedauerlichen Kommentare über den alleinerziehenden Vater wären, der zum Eisessen mit den Kindern die Tempo´s vergessen hat. Viele der beschriebenen Rollenzwänge gehen von dem Geschlecht aus, dass sich hier benachteiligt sieht.

    Stereotype Bedrachtungen erhalten hier die alten Muster, denn der Graben wird immer wieder neu ausgehoben.

    Ich bin verwundert, mit welch rechtfertigendem Unterton sich Frau Klinger über dass Ende ihrer "Pflichterfüllung" ausläßt.

  • H
    Horsti

    Tja, so ist das eben im Land des deutschen Mutterkultes, in einem Land wo nur Mütter das automatische Sorgerecht haben und Väter mal als nutzloses Beiwerk, mal als Pflichterfüller von Mutters Gnaden, und auch schon mal als schädlich angesehen werden.

    Ach, Frau Klinger, wenn Ihnen das nicht paßt, warum wird dann auf Ihrem Blog jedweder kritischer Kommentar an den deutschen Zuständen zum Sorgerecht wegzensiert?

  • M
    mara

    Danke!

    Der Artikel spricht mir aus der Seele!