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Kolumne Der rote FadenStöckchen für die mit der Angst

Meike Laaff
Kolumne
von Meike Laaff

Einmal quer durch die Woche: Von #Neuland über die Baumhausfraktion in die Echokammer bis nach Loon und zurück.

Google lässt einen Ballon steigen! Bild: Jon Shenk/dpa/Google

G nihihi, die Merkel hat „Neuland“ gesagt! Bis zum frühen Mittwochnachmittag waren Witzeleien darüber das alles bestimmende Thema in meiner Twitter-Timeline – bis endlich Obama den Pariser Platz betrat und man sich über sein durchscheinendes Unterhemd und über Präsidenten der freien Welt hinter Glasscheiben lustig machen konnte. Und als er nichts Bahnbrechendes verkündete, startete die zweite #Neuland-Runde: Klar, CDU halt, keine Ahnung von diesem Internet, besonders nicht Mutti.

Müssen Deutschlands netzpolitisch Interessierte wirklich jedes verdammte Stöckchen apportieren, das man für sie wirft? Natürlich ist es ziemlich hingewurschtelt von Merkel, die Prism-Frechheit der USA mit so einem Sätzchen abzumoderieren. Allerdings: richtig hingehegelt hat Merkel das ja erst mit dem zweiten Satzteil – Stichwort: Gefahr! Aber das haben die Besserwisser der Netzavantgarde schon nicht mehr gehört.

Fast scheint es, als wäre die erste Netzexpertise, die die CDU sich zulegt, die, der netzpolitischen Baumhausfraktion ein paar billige Provokationen hinzuwerfen, an denen die sich abarbeiten kann – um dann ungestört Politik am Internet vorbei zu machen. Oder hat irgendjemand mitbekommen, dass in der vorvergangenen Woche mitten im Sturm um Ed Snowden die Regierung einen Gesetzentwurf für den Schutz von Whistleblowern als unnötig abgeschmettert hat? Oder die FDP einen nutzlosen Vorschlag für Netzneutralität vorlegte – während US-Medien berichteten, dass Google, Facebook und Microsoft für die Durchleitung ihrer Daten an US-Provider zahlen?

Bild: privat
Meike Laaff

leitet das Ressort taz2/medien und twittert als @mlaaff.

„Klar mitgekriegt“, werden die einen denken. „Was, bitte?“, die anderen. Womit wir wieder da wären, wo Habermas vor über 50 Jahren über die Fragmentierung von Öffentlichkeiten nachzudenken begann. Ihm folgten US-Netzdenker wie David Weinberger, der im Netz Echokammern entstehen sieht, in denen immer nur das widerhallt, was man eh schon denkt. Oder Eli Pariser, der die Filterblase kritisiert, in der wir leben – weil etwa Googles Suchtreffer uns nur anzeigen, was Google als für uns interessant berechnet hat. Wie da noch über gemeinsame Themen streiten – oder gar von einem gemeinsamen Wissensstand für eine Diskussion ausgehen?

Merkels Satz über das Neuland Internet trifft, wenn man ihn auf einen Teil der deutschen Bevölkerung bezieht – denn sie halten sich hartnäckig, die Leute, für die das Internet nur aus Mailanbieter, Facebook und SpOn besteht. Einige von ihnen sollen sogar im Parlament sitzen. Dass sie diejenigen, die einen Großteil des Lebens im Netz verbringen, bescheuert finden und umgekehrt – so bescheuert, dass man nicht miteinander diskutiert –, ist ein Problem für den demokratischen Diskurs. Da hat Habermas schon recht. Und dieses Problem wird größer, je mehr Lebensbereiche das Netz umfasst.

Aber ach: Während diese deutsche Nabelschau uns wunderbar abgelenkt hat, ist Obama wieder weg und hat uns zu Prism mit einem zweideutigen „We listen to the ones we disagree with“ abgefrühstückt. Eines Fans darf er sich sicher sein: Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, lobt das Vorgehen der NSA und wünscht sich Ähnliches auch für Deutschland. Schließlich sei der Schutz vor Terror und Kriminalität das „wertvollste“ Bürgerrecht. Wenn das seine Vision ist, kann man ihm nur dieses olle Schmidt-Zitat und also einen Arzttermin ans Herz legen – und muss sich ansonsten sehr wundern, wie geschichtsvergessen ein qua Amt auf die Rolle des Sicherheitskläffers Abonnierter sein kann.

Apropos Visionen: Google hat auch noch was anzubieten. Das Projekt Loon. Die Idee: Afrika, abgelegene Bergregionen und die restlichen fünf Milliarden armen Schlucker, die noch keinen anständigen Internetzugang haben, ans Netz zu bringen. Durch Ballons, die in der Stratosphäre schweben und Netz runterfunken. Erste Feldversuche gab es in der vergangenen Woche in Neuseeland. Und egal wie unausgegoren diese Mischung aus Cargolifter und „In 80 Tagen um die Welt“ noch ist: Googles Kreativabteilung „X“ hat mit Google Glass und selbstfahrenden Autos bereits bewiesen, dass sie jede noch so spinnerte Science-Fiction-Vision umsetzen kann.

Erst in Teilen der USA Glasfaserkabel verbuddeln, jetzt Afrika und abgeschiedene Bergvölker aus der Luft bespaßen – nach dem Motto: Da will doch die böse Datenkrake zum Anbieter für Internetinfrastruktur werden. Das wäre doch eine tolle neue Erzählung für die Deutschen. Schluss mit diesem ganzen Gerede über Vorratsdatenspeicherung oder Geheimdienste, die Daten speichern. Denn der Google-Horror, das ist auch so ein Stöckchen, auf das Deutsche immer anspringen, um es schnell wieder zu apportieren. Jedenfalls die mit der Internetangst.

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Meike Laaff
tazzwei-Redakteurin
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2 Kommentare

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  • A
    anke

    "Netzavantgarde", ja? Hm. Wollen Sie wirklich "über gemeinsame Themen streiten" mit Leuten, die in "Echokammern" und "Filterblasen" leben möchten?

     

    Für Frau Merkel ist das Internet Neuland. Für viele andere ist es nur die eigene, seit Jahrzehnten nicht mehr gelüftete Teenager-Bude. Sie glauben, wenn sie einen Zettel an ihre Tür hängen, auf dem geschrieben steht: "Muttis müssen draußen bleiben", sind sie schon Eigentümer der Wohnung. Falls im Netz tatsächlich nur solche Kindsköpfe zuhause wären, könnten auch Sie ihre Politik getrost am Internet vorbei machen, Frau Laaff. Genau wie die von der Union. Von einem "gemeinsamen Wissensstand für eine Diskussion aus[zu]gehen", hätte dann nämlich keinen all zu großen Sinn. Und "Fragmente von Öffentlichkeiten" sind nichts, was irgend eine Form von Solidarität verdient. Sie wüssten eh nichts damit anzufangen.

     

    Bleibt also nur zu hoffen, dass die CDU sich irrt. Und so unwahrscheinlich ist das gar nicht. Ich meine: Sie und ich kennen uns ja auch nur übers Internet. Und wo haben wir denn unterschrieben, dass wir uns mit den seltsamen Gepflogenheiten von Leuten befassen werden, die vor allem eines auf die Reihe kriegen: das Maul weit aufzureißen.

  • D
    derSchreiber

    Ist es nicht Neuland?

    Gerichte die darüber streiten ob man I-Tunes Dateien wie alte CDs oder Schallplatten verkaufen darf,

    Urheberrechtsanwälte die sich streiten ob beim schauen eines Kinofilms auf einer Internetseite eine permanente Kopie entsteht die verboten ist.

    Geheimdienste die keine Wanzen mehr an Telefonen anbringen müssen sondern einfach mithören...

     

    Ein Fantast der so tut als hätte es das alles immer schon gegeben.

     

    Früher hätte ich diesen Artikel vielleicht in der Printausgabe gelesen, dann einen Brief geschrieben und ihn abgeschickt...

     

    In diesem Sinne, willkommen im Neuland!