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Kolumne Darum„Du Doppelhitler!“

Maik Söhler
Kolumne
von Maik Söhler

Wir zählen nur die Zyklen, in denen neue Schimpfwörter den Weg zu uns finden. Wie die Superschule alles richtig machte und doch das falsche dabei rauskam.

Zum Spielen: Hitler aus Zinn. Bild: dapd

U nsere Kinder gehen in die Superschule. Ihr Name tut nichts zur Sache. Wer in Berlin-Kreuzberg lebt und Kinder hat, die bald in die Grundschule gehen sollen, hat von der Superschule eh schon gehört.

Plätze sind rar, sie ist antirassistisch und inklusionistisch und trägt den Namen einer jüdischen Künstlerin. Das verlangt der Superschule viel ab, denn schon Erstklässler wollen wissen, wer sie war, diese jüdische Künstlerin.

Dann muss viel erklärt werden; über die Künstlerin und über ihren Tod. Sie wurde in Auschwitz ermordet. Bevor unsere Kinder auf die Superschule kamen, sprachen wir mit anderen Eltern darüber. Alle waren begeistert.

Bild: privat
Maik Söhler

ist Chef vom Dienst von taz.de und hat zwei Kinder, die gelegentlich in der „taz“ zu Wort kommen.

Maik Söhler auf Twitter.

Nur einer meinte, vor Jahren sei da mal was vorgefallen. Da hätten die Superschulenerstklässler wieder mal wissen wollen, wie das war mit der jüdischen Künstlerin. Und irgendwer habe das auch erklärt, aber wohl zu knapp oder zu wenig kindgerecht. Jedenfalls hätte ein Elternteil, der sein Kind mit dem Auto abholte, das auf dem Rücksitz sitzende Kind gefragt, wie es denn heute in der Superschule so gewesen sei. Schweigen. Die Frage sei dann lauter wiederholt worden. Statt einer Antwort seien von hinten seltsam verdruckste Rückfragen gekommen: „Papa – sind wir Juden? Oder kennen wir Juden?“ Vollbremsung, Verstörung, Angst, Aussprache, Anruf in der Schule, Entschuldigung et cetera.

Die Superschule wäre nicht die Superschule, wenn sie aus solchen Fehlern nicht lernte. Nie wieder hat man seither von solch pädagogischem Versagen gehört.

Die Superschule bringt ihren Superschülern mehr als nur korrekt bei, wie das damals war mit den Nazis und den Juden. Selbst die Erstklässler verstehen das, wenn auch nicht in vollem Umfang. Doch bestimmte Worte bleiben hängen, und diese drehen frei, je länger sie verwendet werden. Dagegen kann selbst die Superschule nichts machen.

Zuhause zählen wir die Beleidigungen und Schimpfwörter, die sich die Kinder im Streit herauspressen, schon lange nicht mehr. Wir zählen nur die Zyklen, in denen neue Beleidigungen und Schimpfwörter den Weg zu uns finden: anale Phase, doofe Phase, Tierphase, Genderphase, Naziphase.

Manchmal vermischt sich alles. Beim Abendessen hört sich das dann so an:

„Du hast mich nicht ausreden lassen!“

„Zicke!“

„Selber Zicke!“

„Pups!“

„Riesenpups!“

„Doofi!“ –

„Nochmehrdoofi!“ … (Atempause, man kann beim Nachdenken über Steigerungen zusehen)

„Nazi!“ … (Das ist neu, da kann keine prompte Antwort kommen)

„Selber Nazi! Nein, Obernazi!“

„Hitler!“

„Doppelhitler!“

„Du bist Noch-mehr-Hitler für alle Zeit und überall!“

Da ist dann Schluss, und das ist auch gut so. Ein zeitlich und räumlich in die Unendlichkeit gesteigerter Hitler, mehr geht nicht. Schöner aber ist der „Doppelhitler“. 25 Jahre antifaschistische Arbeit haben nicht gereicht, um auf ein Wort zu kommen, für das ein Kind in seiner Replik weniger als eine Sekunde braucht. Gelernt ist gelernt, wenn auch auf Schlagworte verkürzt. Wieder einmal erkennen wir, warum die Superschule Superschule heißt.

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Maik Söhler
Journalist
Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.
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11 Kommentare

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  • C
    chris

    Wer sich noch an seine eigene Kindheit erinnern kann,

    der weiss, Schimpfworten ein Doppel- vorne anzustellen ist das Normalste auf der Welt. Wie überaus grandios und absolut lustig der "Doppelhitler" ist, für Kinder völlig uninteressant! Die Verdopplung des Superbösen, haaaha, muss man sich mal vorstellen.

     

    Die Einwände der Kritiker hier stimmen schon, eigentlich irgendwie. Aber Humor ist halt auch überall - und Humordiskriminierung aus bierernsten und teilweise paranoiden Beweggründen heraus ist auch gefährlich.

     

    Die Jungs und Mädels aus der "Doppelhitler - Bande" von der Superschule werden bestimmt noch Gelegenheit bekommen Ihr Geschichtsbild zu korrigieren, damit sie "Hitlerwörter" später nur noch im richtigen Moment und Kontext verwenden. Bei den Künstlern weltanschauungsbeauftragte.com gibt es übrigens ein nettes "verfassungskonformes Hakenkreuz", als Bausatz, besteht aus einem Haken und einem Kreuz, in kleinen Cellophantütchen verpackt...

  • S
    spin

    was bitte, will uns "anke" am 30.07.2012 um 12:01 erklären?

     

    "So, liebe Schulen, geht Konditionierung! (...) Adolf (...) hätte lediglich wissen müssen, dass die Briten auch nicht viel anders ticken als seine Super-Germanen."

     

    aha, die briten waren also ein 'volk ohne raum' und haben nichtarier in vernichtungsfeldzügen geschlachtet? hatten kz.s, blockwarte und den reichsarbeitsdienst?

     

    und was hat das mit der glosse zu tun?

  • D
    David

    "Ein zeitlich und räumlich in die Unendlichkeit gesteigerter Hitler, mehr geht nicht."

     

    Sie hätten statt Hitler nun Stalin nehmen sollen, dann hätten sie diesen Showdown klar gewonnen.

  • KM
    karl max

    Schulen sind nur dafür da, der Erstweltlerüberbevölkerung weiterhin die Ausbeutung und Kontrolle des Weltproletariats zu ermöglichen.

  • T
    T.V.

    Ich hatte jetzt auch eine Kolumne von Yücel erwartet. Was wieder mal beweist, daß Kinder einfach die schlaueren Menschen sind.

  • I
    ion

    Der 'Kollege' Yücel dürfte vor Neid auf die Wort-Kreation erblassen!

    Hoffe, Sie haben Wortmarkenschutz beantragt‽

  • A
    anke

    Super! So, liebe Schulen, geht Konditionierung! Wer siegen will, kann gar nicht früh genug anfangen mit dem Denken aufzuhören. Und wenn das dann auch noch der Guten Sache dient, steht dem Wohlbefinden gar nichts mehr im Wege.

     

    Hitler, denke ich, würde abwechselnd grün und weiß werden vor Neid. Angesichts der Tatsache, meine ich, dass ihm seinerzeit noch nicht das geballte Wissen moderner Marktstrategen zur Verfügung gestanden hat. Womöglich wäre der Endsieg ja nur eine Frage von Monaten gewesen, hätte Goebbels nicht aus dem Bauch heraus agieren, sondern lediglich adaptieren müssen, was Image-Berater, Mega-Saler, Kognitions-Forscher und Neuronen-Wissenschaftler seit 1945 zur Blüte gebracht haben. Das Wissen darum nämlich, wie man ohne den lästigen Umweg über irgend eine Alternativ-Entscheidung direkt auf das Hirn seiner Zielgruppen zugreift.

     

    Die Briten, hört man, wollten Blut, Schweiß und Tränen. Das alles hätte auch uns' Adolf im Angebot gehabt. Er hätte lediglich wissen müssen, dass die Briten auch nicht viel anders ticken als seine Super-Germanen.

  • FM
    Felix Moniac

    Lieber Bernd Pöpplow,

     

    was Sie sagen, finde ich ganz gut und richtig. Sie sprechen wichtige Punkte an.

     

    Aber muss Kritik gleich die Form subtilen verbalen Angriffs annehmen (wobei: so subtil ist sie gar nicht).

     

    Dieses "Tja, Herr Söhler..." und "Ja Herr Söhler" und die Unterstellung: "Was sollen sie denn von ihrem Vater anderes gelernt haben?

     

    - Das hilft doch niemandem und heizt nur die Stimmung auf.

     

    Beste Grüße.

  • H
    Hans

    @Bernd Pöpplow

     

    Tja, _ich_ pflegte natürlich im entsprechenden Alter (Sieben? Acht?) bereits fliessend über die Weimarer Jahre, Militarismus, Hindenburg und den Aufstieg und Fall der NSDAP zu refererieren, wenn ich nicht gerade die unbewältigte Entnazifizierung der Nachkriegszeit im historischen Symposium meines Freudeskreises geisselte.

    Aber ich war halt auch in Bayern auf der Schule.

  • D
    Deklassiert

    Vielleicht hätten Sie Ihre Kinder einfach auf ne stinknormale Schule schicken sollen. Die gibt Bodenhaftung fürs echte Leben mit echten Menschen drin, oder wenigstens mehr als die Ghetto-Perspektive der anspruchsvollen Eltern.

  • BP
    Bernd Pöpplow

    Ja Herr Söhler, wundern Sie sich, daß die Kinder den Begriff Hitler verwenden, ohne die Bedeutung zu kennen?

    Was sollen Sie denn von ihrem Vater auch anders gelernt haben? Wie doch mit diesem Artikel wieder ganz klar belegt wird, greift der Medienfritze auf Hitler und das Hakenkreuz in einer Beliebigkeit zurück, daß es zum kotzen ist. Ist das ein Foto der Zinnfiguren, die Ihre Kinder zum Spielen haben? Warum dieses Foto? Warum überhaupt ein Foto von Hitler und warum das Hakenkreuz? Mußte beides mal als immer wieder gerngenommene Verkaufshilfe herhalten?

    Halten Sie Ihre Leser für so doof, den Artikel nicht ohne Foto erfassen zu können?

    Genau diese beliebige und nur als Effekt eingesetzte Verwendung von NS-Begriffen und -Symbolen vewässert doch die Bedeutung.

    Tja, Herr Söhler, verlassen Sie die ideologische Verengung und stellen Sie doch Ihr eigenes Handlen erst einmal auf den Prüfstand. Sie berichten nicht nur über ein Problem, sondern Sie sind Teil des Problems.

    Es gibt klar formulierte Straftatbestände in Bezug auf NS-Verherrlichung und den Gebrauch von Symbolen der NS-Herrschaft. Warum halten Sie sich nicht daran? Sehen Sie sich schon wieder über dem Gesetz. Tja, was sollen die Kinder von einem überheblichen Vater lernen?