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Kolumne Cannes CannesUnsere Nöte sind auch unsere Stärke

Cristina Nord
Kolumne
von Cristina Nord

Der Arabische Frühling ist dabei: Am Mittwoch beginnen die 64. Filmfestspiele von Cannes.

Im Iran verfolgt, auf der Berlinale abwesend, in Cannes vertreten: Jafar Panahi. Bild: reuters

J afar Panahi und Mohammad Rasoulof sind mutige Männer. Im Dezember wurden die beiden iranischen Filmemacher jeweils zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe sowie zu 20-jährigem Berufs- und Ausreiseverbot verurteilt. Ihnen wurde damals nicht etwa zur Last gelegt, einen regimefeindlichen Film realisiert zu haben.

Vielmehr wurden sie für eine Idee bestraft, dafür, dass sie sich mit der Absicht trugen, einen Film über die gewaltsame Niederschlagung der Protestbewegung im Frühsommer 2009 zu drehen. Panahi und Rasoulof legten Berufung ein. Zurzeit warten sie auf den endgültigen Urteilsspruch, sie befinden sich nicht in Haft, was sicherlich auch den weltweiten Solidaritätsbezeugungen und den vielfältigen diplomatischen Bemühungen zu ihren Gunsten geschuldet ist.

Und nun gibt es eine wirklich überraschende Nachricht: Trotz der Widrigkeiten und Schikanen haben Rasoulof und Panahi nicht aufgehört zu arbeiten. Die Filmfestspiele von Cannes zeigen zwei neue Filme von ihnen, Filme, die die prekäre Lage der Regisseure zum Thema machen. Rasoulofs Spielfilm "Bé Omid é Didar" (Good Bye) tut dies auf indirekte Weise, indem er von einem jungen Anwalt erzählt, der ein Visum beantragt, um Iran zu verlassen.

Panahi wiederum hat zusammen mit Mojtaba Mirtahmas einen Tagebuchfilm gedreht, "In Film Nist" (This is not a Film), der einen Tag in seinem Leben schildert. In einem Brief erklärte Panahi: "Unsere Nöte sind auch unsere Stärke. Dieses verheißungsvolle Paradox zu verstehen, hat uns geholfen, die Hoffnung nicht zu verlieren und weiterzuarbeiten. Wir sind sicher, dass wir, wo auch immer wir leben, Probleme hätten, kleine oder große. Doch es ist unsere Pflicht, uns nicht geschlagen zu geben und Lösungen zu finden."

Auch auf einem anderen Feld schmiegt sich das von Thierry Fremaux verantwortete Programm an die Zeitläufte an. Eine Neuerung ist, dass von nun an jede Ausgabe des Festivals ein Gastland haben wird; in diesem Jahr fiel die Wahl auf Ägypten. Ein Filmklassiker, "Al Bostagui" (Der Postbote) von Hussein Kamal, wird in restaurierter Fassung präsentiert, ein aktueller Spielfilm, "Le cri d'une fourmi" (Der Schrei einer Ameise) von Sameh Abdel Aziz, im Freiluftkino am Strand gezeigt.

Die Autorin

CHRISTINA NORD ist Redakteurin im taz-Ressort "Gesellschaft, Kultur, Medien" und begleitet die Fimfestspiele vor Ort.

Höhepunkt ist der Omnibusfilm "18 Tage", zu dem zehn Regisseure zehn Episoden beigesteuert haben; alle kreisen um den Aufstand im Januar, alle sind unter Zeitdruck entstanden, ohne Budget oder Honorare für die Mitwirkenden. Unter den Regisseuren sind Yousry Nasrallah und Ahmad Abdallah, dessen Spielfilm "Microphone" kürzlich in Istanbul den Hauptpreis des Filmfestivals gewonnen hat und in diesen Tagen vereinzelt in Köln und Berlin zu sehen sein wird.

Was das Wettbewerbsprogramm anbelangt, so geben sich Fremaux und sein Auswahlkomitee in diesem Jahr ein wenig wagemutiger als im letzten. Der Eröffnungsfilm, Woody Allens außer Konkurrenz gezeigte, romantische Komödie "Midnight in Paris", bewegt sich zwar im Rahmen des Erwartbaren, doch mit Genre-affinen Regisseuren wie dem Japaner Takashi Miike und dem Dänen Nicolas Winding Refn, der zuletzt die bluttriefende Wikinger-Reverie "Valhalla Rising" vorstellte, wagt man sich auf ein Terrain jenseits des arrivierten Autorenfilms.

Was wiederum nicht heißt, dass arrivierte Autorenfilmer nicht an die Croisette reisten, im Gegenteil: Nanni Moretti, Aki Kaurismäki, die Brüder Dardenne, Lars von Trier, Pedro Almodóvar und Terence Malick steuern neue Filme zum Wettbewerb bei, Gus Van Sant, Hong Sang-soo, Andreas Dresen und Kim ki-duk sind in der Nebenreihe "Un certain regard" vertreten.

Ein Novum ist der vergleichsweise hohe Anteil von Filmemacherinnen. Lag die Frauenquote 2010 im Wettbewerbsprogramm bei null Prozent, so hat sie sich in diesem Jahr auf 20 Prozent erhöht. Vier Regisseurinnen - Lynne Ramsay, Naomi Kawase, Maïwenn und Julia Leigh - stehen 16 Regisseuren gegenüber. Einen so guten Schnitt gab es seit meinem ersten Cannes-Besuch im Jahr 2002 noch nie.

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Cristina Nord
Kulturredakteurin

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