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Kolumne BlickeBad Deutschland

Ambros Waibel
Kolumne
von Ambros Waibel

Wer wegen Jörg Fauser nach Bad Harzburg fährt, findet immer etwas zu sehen und zu tun. Sonst ist nicht viel los – macht aber nichts.

Von Bad Harzburg geht es ruckzuck auf den schönen Wurmberg. Bild: dpa

S o aufgeregt wie vor meiner Reise nach Bad Harzburg war ich schon lange nicht mehr – nicht nur, aber vor allem doch deswegen, weil in Jörg Fausers nachgelassenem Roman „Die Tournee“ ebendieses Städtchen eine wichtige Rolle hätte spielen sollen.

Und diese Spannung legte sich nicht, als ich die zentrale Herzog-Wilhelm-Straße hoch und runter schlenderte – viel mehr kann man in Bad Harzburg auch nicht machen.

Das ist nun genau so ein Satz, den man spontan hinschreibt, wenn man über die Winterferien in der Provinz war; und der stimmt, aber natürlich auch nicht stimmt.

Und ich meine damit nicht den vorweggenommen Leserbrief aus dem Referat für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing, der aufzählt, was tatsächlich der „Journalist“ so alles hätte sehen und machen können, in der „de luchse“ Stadt Bad Harzburg.

Der Leserbrief hätte ja recht: Die Luchse haben wir nicht besucht, die Sole-Therme ließen wir unbebadet, und ob die Spielbank und die Wandelhalle mit Trinkbrunnen überhaupt in Betrieb waren - danach haben wir uns, mit vier Kindern im Schlepptau, gar nicht erst erkundigt.

In dieser Logik verbleibend, müssten wir sagen, dass wir eine Stunde auf schlechtem Eis Schlittschuhlaufen waren und dafür mehr bezahlten als im gepflegten Neuköllner Eisstadion; dass das Silberbornbad geschlossen war und man sich im Café Peters keinen Platz für den Verzehr der leckeren Torten aussuchen kann, sondern platziert wird, weil es „noch voll“ wird, was stimmt, wenn man davon absieht, dass zwei große Säle gar nicht erst eingedeckt sind.

Guten Tag bei Edeka

Und man könnte davon ausgehend der Beobachtung Raum geben, dass sich der Bad Harzburger Immobilienmarkt offensichtlich in einer Krise befindet, wenn in dem einstigen Hotel, in dem man wohnt, diverse Ferienwohnungen zum Verkauf stehen und sich in der Lobby eine Spielzeugabholstelle für Familien auf Hartz IV befindet.

Fast könnte man sagen, am wenigsten gäbe es in Bad Harzburg zu sehen, wenn man sich auf dem malerischen Burgberg einfindet.

Denn was mich interessiert, sind ja nicht die mehr oder weniger gelungenen Versuche, ein tattrig gewordenes Kurstädtchen eventmäßig aufzumotzen; was mich interessiert, ist der Gute Tag, den mir eine Angestellte im Edeka zwischen den Regalen wünschte; wären die Sätze der verstummten, die Promenade entlangwandelnden alten Ehepaare – der Mann immer etwas gebrochen hinter der Frau tapernd –, die sie am Tagesende dann vielleicht doch noch austauschen; wäre die Geschichte der kerzengerade hinter ihrem Tresen stehenden Souvenirladen-Inhaberin, immer bereit, eine Kundschaft zu bedienen, die nicht kommt, aber grundmisstrauisch, sobald zwei Achtjährige unangeleint ihr Geschäft betreten.

Es sind die aktuellen Dramen der Provinz und ihre altmodische Höflichkeit, die Bad Harzburg zum Romanort machen könnten. Aber Jörg Fauser konnte „Die Tournee“ nicht fertigstellen, weil er bei einer Auseinandersetzung mit einem Lkw den Kürzeren zog. Und ich: war eben letztlich nur zum prima Skifahren in den Harz gekommen.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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2 Kommentare

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  • C
    cyctologie

    fauser in der taz.

    damit habt ihr den waffenrechner wieder raus.

  • E
    Ewerharzer

    Bad Harzburg hat schon etwas zu bieten, geschichtsträchtiges. Die "Harzburger Front", der Wegbereiter Adolf Hitlers, Dietrich Klagges, als Ministerpräsident des Landes Braunschweig, sorgte er dafür dass Hitler als Bürger dieses Ländchens zum Reichkanzler ernannt wurde. Klagges starb 1971 und erhielt sogar noch eine Pension. SS-Oberführer Reinhard Höhn gründete die "Harzbuger Akademie für Führungskräfte", unzählige wohlhabende Westberliner Rentner kauften sich dort eine Eigentumswohnung. Nicht umsonst nannten wir dieses reizenden Flecken: Pensionopolis. Nun ist die "Zone" verschwunden, was damals den Berlinern zum Anlass diente, sich wegen der kurzen Reisezeit dort niederzulassen. Diese meckernden Alten, die nicht nur am Bahnhofskiosk ihre geliebte "BZ" kaufen konnten, sind tot. Industriebetriebe gibt es nicht und so gleicht sich der Ort seinen Nachbarn in Sachsen-Anhalt an, wo immer wieder der unaufhaltsame Verfall an einst bessere Zeiten erinnert.

     

    Wegen seiner Tallage ist das Wetter meist dort unausstehlich, was den Reiz ungemein erhöht. Die Harzer Gastronomie, die bei staatsanwaltlichen Ermittlungen unter den Straftatsbestand der Wegelagerei geriete, liegt brach, weil sich kaum noch jemand dorthin verirrt. Wenn es dort noch Jugendliche gibt, so sind sie schnell verschwunden, bietet sich ihnen eine Alternative. Eine Gegend des Niedergangs.