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Kolumne BesserMärkte verschieben Untergang

Sie wetten. Sie bangen. Sie jubeln. Sie schlucken. Sie wollen klare Ansagen. Und manchmal haben sie den Blues. Räteselhafte Wesen, diese Märkte.

Das auch noch: Schwimmende Märkte. Bild: reuters

S chuldenkrise verunsichert Märkte. Schuldenkrise belastet Märkte. Schuldenkrise hält Märkte fest im Griff. Schuldenkrise hält Märkte in Schach. Schuldenkrise hält Märkte in Atem. Schuldenkrise drückt Märkte. Schuldenkrise schüttelt Märkte. Schuldenkrise zieht Märkte runter.

Schuld waren nicht die Märkte.

Märkte misstrauen Athen. Märkte hetzen Italien. Märkte zählen Spanien an. Märkte kennen kein Pardon. Märkte schlucken Irland-Bonds. Märkte wetten gegen Portugiesen. Märkte rütteln Belgien wach. Märkte bangen um Paris. Märkte trauen Argentinien nicht. Märkte lassen London keine Wahl. Märkte zweifeln am Euro-Schirm. Märkte lieben Franken. Märkte zittern vor Linksruck. Märkte laden zum Bummeln ein.

Bild: taz
DENIZ YÜCEL

ist Redakteur bei taz.de.

Übertreiben die Märkte?

Japan überrascht Märkte. Ungarn enttäuscht Märkte. Nordkorea beunruhigt Märkte. Türkische Notenbank verwirrt Märkte. Barroso irritiert Märkte. Staatsdefizite ängstigen Märkte. Motorola schreckt Märkte auf. Kairo-Schock lähmt Märkte. US-Daten schockieren Märkte. Deutschland lässt Märkte hängen.

Die Geduld der Märkte hat Grenzen.

Märkte sind sehr vorsichtig. Märkte bleiben nervös. Märkte weiter skeptisch. Märkte funken SOS. Märkte in Aufruhr. Märkte im Angststrudel. Märkte auf der Achterbahn. Märkte in Schieflage. Märkte im Ouzo-Taumel. Märkte in Turbulenzen. Märkte auf Talfahrt. Märkte am Abgrund. Märkte im Sinkflug. Märkte im freien Fall.

Märkte an der Leine!

Märkte kennen nur drei Themen. Märkte wollen klare Ansage. Märkte hoffen auf Berichtssaison. Märkte werden wählerisch. Märkte gehen aufs Ganze. Märkte fürchten Umschuldung. Märkte missbilligen Hinhaltetaktik. Märkte sprechen Euro Misstrauensvotum aus. Märkte verdauen Ausstieg. Märkte zittern vor EZB-Sitzung. Märkte lassen jeglichen Elan vermissen. Märkte plagt der Gipfelblues. Märkte brechen zusammen.

Atempause für die Märkte.

Glückliche Märkte. Verunsicherte Märkte. Schwimmende Märkte. Wacklige Märkte. Junge Märkte. Internationale Märkte. Widrige Märkte. Unbarmherzige Märkte.

Märkte außer Kontrolle.

Im Visier der Märkte. Im Fokus der Märkte. Im Blickpunkt der Märkte. Im Interesse der Märkte. Im Rhythmus der Märkte. Im Griff der Märkte. Der Übermut der Märkte. Die Wut der Märkte. Die Ängste der Märkte. Nagelprobe für die Märkte. Sorgenkind der Märkte. Strafe der Märkte. Spielball der Märkte. Die Gunst der Märkte. Die Macht der Märkte. Die Moral der Märkte. Die Freiheit der Märkte.

Märkte im Aufwind.

Berlusconi beschwört die Märkte. Ratingalarm lässt Märkte kalt. Tschechen überzeugen die Märkte. US-Jobdaten erfreuen die Märkte. Konjunkturdaten beflügeln die Märkte. Rettungsschirmanleihe verzückt die Märkte.

Märkte melden sich zurück.

Märkte fressen China aus der Hand. Märkte glauben an Erfolg. Märkte hoffen auf Konjunktur. Märkte bejubeln Gipfelbeschlüsse. Märkte machen Freudensprung. Märkte fliegen weiter.

Märkte verschieben Untergang.

Märkte wollen schnell stabile Regierung. Märkte treiben Politik vor sich her. Märkte fordern Politik heraus. Märkte vertrauen der Politik nicht mehr. Merkel versteht die Märkte nicht. Merkel macht die Märkte irre. Märkte ignorieren Merkel.

Auf die Märkte kommt es an.

Schäuble hofft auf wohlwollende Reaktion der Märkte. Wie reagieren jetzt die Märkte? Warten auf die Reaktion der Märkte.

Märkte reagieren erleichtert.

Grenzen für die Märkte. Krieg gegen die Märkte. Adrenalin für die Märkte. Wie Politik und Märkte aneinander vorbeifunken. Wie Märkte unter höheren Zinsen leiden. Die Märkte haben nicht immer recht. Die Märkte sind nicht irrational. Die Märkte sind nicht dumm. Die Märkte sind zukunftsblind. Die Märkte sehen schon nach vorne. Griechenland macht Märkte froh. Immer diese Märkte.

Besser: Märkte sollen Urlaub machen.

Überschriften aus zweieinhalb Jahren Financial Times Deutschland, Focus, Frankfurter Allgemeine, Frankfurter Rundschau, Handelsblatt, Neue Zürcher Zeitung, Spiegel, Süddeutsche Zeitung, taz und Zeit. Mit Dank für die Anregung an Frauke Böger und Enrico Ippolito.

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Deniz Yücel
Kolumnist (ehem.)
Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.
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30 Kommentare

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  • WS
    Wir sind die Maerkte

    Jeder von uns der ein Girokonto, Sparkonto, Riesterrente, Lebensversicherung, Rentenfondsanteil, oder sonst eine Versicherung oder Altersvorsorge hat, und sie nicht verlieren moechte, ist der Markt. Unsere Ersparnisse werden von Versicherungen, Banken, Fonds etc. verwaltet und oft in vermeintlich 'sichere', 'konservative' Immobilien oder Staatsanleihen angelegt. Wenn wir das nicht wollen muessen wir unser Geld abziehen und selbst investieren.

  • JB
    Johnny B.

    Märkte nehmen in den Arm,

    Märkte geben Geborgenheit,

    Märkte weinen heimlich,

    Märkte brauchen viel Zärtlichkeit,

    ohh Märkte sind so verletzlich,

    Märkte sind auf dieser Welt einfach unersetzlich

    Märkte kaufen Frauen,

    Märkte stehen ständig unter Strom,

    Märkte baggern wie blöde,

    Märkte lügen am Telefon,

    ohh Märkte sind allzeit bereit

    Märkte bestechen durch ihr Geld und ihre Lässigkeit

    Refrain:

    Märkte habens schwer, nehmens leicht

    außen hart und innen ganz weich,

    werden als Kind schon auf Markt geeicht.

    Wann ist ein Markt ein Markt?

    Wann ist ein Markt ein Markt?

    Wann ist ein Markt ein Markt???

    Märkte haben Muskeln,

    Märkte sind furchtbar stark,

    Märkte können alles,

    Märkte kriegen 'nen Herzinfakt,

    ohh Märkte sind einsame Streiter

    müssen durch jede Wand, müssen immer weiter.

    Refrain:

    Märkte habens schwer, nehmens leicht

    außen hart und innen ganz weich

    werden als Kind schon auf Markt geeicht.

    Wann ist ein Markt ein Markt?

    Wann ist ein Markt ein Markt?

    Wann ist ein Markt ein Markt???

    Märkte führen Kriege,

    Märkte sind schon als Baby blau,

    Märkte rauchen Pfeife,

    Märkte sind furchtbar schlau,

    Märkte bauen Raketen,

    Märkte machen alles ganz genau.

    Oh wann ist ein Markt ein Markt?

    Oh wann ist ein Markt ein Markt???

    Märkte kriegen keine Kinder,

    Märkte kriegen dünnes Haar,

    Märkte sind auch Menschen,

    Märkte sind etwas sonderbar,

    ohh Märkte sind so verletzlich,

    Märkte sind auf dieser Welt einfach unersetzlich.

    Refrain:

    Märkte habens schwer, nehmens leicht,

    außen hart und innen ganz weich,

    werden als Kind schon auf Markt geeicht

    Wann ist ein Markt ein Markt?

    Wann ist ein Markt ein Markt?

    Wann ist ein Markt ein Markt???

    Wann ist ein Markt ein Markt?

    Wann ist ein Markt ein Markt?

    Wann ist ein Markt ein Markt?

  • GT
    günni the real

    und jetzt bitte noch als soundfile mit anja kohl

  • JB
    Jotun Brunt

    Genial! Ein Troll geht um in Europa ;)

  • D
    derhavas

    Große Lyrik wie diese verdient natürlich einen anspruchsvolle Lyrik-Lesung.

    Und - schon passiert:

    "Märkte verschieben Untergang" - Die Lyrik-Lesung auf YouTube:

    http://youtu.be/43vXdajx6gE

  • M
    Mokkahoff

    Also ich hab gestern zufällig die Märkte in der Kneipe getroffen. Die waren ziemlich sauer wegen des Artikels, fühlten sich total unverstanden, auf Headlines reduziert. Es würde ihnen gar nicht gerecht werden, sagen die Märkte. Wieder mal typisch, einseitige Darstellung, sie, die Märkte, hätten doch auch ihre guten Seiten ....

    Auf jeden Fall gings noch ziemlich lange weiter, sie wissen schon, work hard, drink hard oder so. Am Morgen sahen sie dann ziemlich schrecklich aus, die armen Märkte. Ich auch.

    Jetzt frage ich Sie, Herr Autor, wissen Sie eigentlich, was Sie da anrichten? Warum nur sind alle so böse zu den armen Märkten? Die tun doch niemand was. Also wirklich!

    Und was das schlimmste ist, ich glaube Sie haben nie auch nur ein Wort mit den Märkten selber gesprochen. Stimmt's? Sehen Sie. In Wirklichkeit haben Sie alles, was sie da geschrieben haben, nur irgendwo aufgeschnappt. Machen Sie sich doch mal selber ein Bild, Herr Autor. Zum Beispiel heute Abend, da wird wieder gesoffen. Wenn Sie Zeit haben? Die erste Runde geht auf mich.

  • H
    Heureca

    Nun steh ich da, ich armer Thor und bin so klug als wie zuvor....

  • R
    reblek

    "Überschriften aus der zweieinhalb Jahren Financial Times Deutschland..." - Nicht ganz so gut gelungen wie der Spaß mit den Märkten.

  • M
    Marktpoet

    ernsen: ganz richtig, kunst. poesie!

  • M
    Manuhiri

    Erst wenn mna "Märkte" durch "Gläubiger" ersetzt, wird ein Schuh 'draus. Ich versteh nicht, fast alle Publikationen die Leute so lange für dumm verkaufen...

  • S
    swilly

    Die ganzen Sprechblasen finden sich natürlich auch bei den Ö.R. Bedürfnisanstalten: ARD, ZDF, Phoenix, DLF...

  • N
    Nordwind

    Märkte. Ein von der politischen PR benutzter Begriff hinter dem sich Dumköpfe, Kriminelle und Demokratieverächter verstecken.

     

    Danke Deniz Yücel, für diese Aufklärung.

     

    Man braucht nur die Schlagzeilen aneinanderreihen um den Blödsinn zu entlarven.

  • R
    Ribemont

    Bei ideologien kann man ja variabel sein. Wenn ich sowas lese setze ich gerne für Märkte dieses ein "unsichtbare rosafarbene Einhorn"

     

    jedem sein Götzenbild

  • JL
    Joachim Lang

    Ein anderes Wort für Märkte? Finanztaliban! Das trifft es am Besten.

  • E
    ernsen

    Das ist keine Kolumne , das ist Kunst! Genial! :)

    danke!

  • S
    sebaki

    Das ist ja klassischer Markt-DADA-ismus! Entlarvend, danke vielmals!

     

    PS: der DAX ist auch so ein Kandidat für DAxDAx-ismus: DAX erholt sich, DAX macht Verschnaufpause, DAX geht heute seitwärts, DAX schwächelt, DAX fester, DAX aufm absteigenden Ast, ...

  • V
    vic

    Schöne Zusammenstellung. Also ich geh jetzt erstmal auf den Markt, Gemüse und Obst kaufen. Erschreckt mir inzwischen die Märkte nicht.

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Die Personofizierung von statistischen Häufungsaggregaten,das sind "Märkte", wird gewohnheitsmäßig notorisch betrieben.

     

    Die Kritik dw Antropomorpghismus per Grammatik schafft selbst ein Wittgenstein. Obwohl er der Leib-und-Magenphilosoph vieler Konversativer ist, halten sie an der grammatischen Personalisierung fest.

     

    Hintergrund ist die Abwehr der Erkenntnis, dass man, vor alle die "Professionellen", die gesamte Wirtschaft von extrem "unsicheren" und nur sehr unzulämglichen Kontrolle zugänglichen Zufallsaggreagat aus menschlichen Handlungen überläßt.

  • S
    suswe

    Interessante Sammlung. Aus welchen Gründen laufen wir alle den Märkten immer noch in den Hintern?

  • I
    ion

    Herr Yücel, hallo?! Bitte in diesem Loop bleiben und schön regelmäßig das Rohypnol oben drauf; Daaaanke !

  • G
    Gerda

    Das fehlt:

     

    Die Märkte sind unberechenbar. Die Märkte wandern weiter. Die Märkte nehmen Staaten in Geiselhaft. Die Macht und Freiheit der Märkte ist zu groß. Die Märkte zerstören Demokratien. Märkte sind nicht demokratisch und transparent. Die Märkte - heutzutage! - sind scheiße!

  • G
    Gerda

    Das fehlt:

     

    Die Märkte sind unberechenbar. Die Märkte wandern weiter. Die Märkte nehmen Staaten in Geiselhaft. Die Macht und Freiheit der Märkte ist zu groß. Die Märkte zerstören Demokratien. Märkte sind nicht demokratisch und transparent. Die Märkte - heutzutage! - sind scheiße!

  • VP
    Vlado Plaga

    Eine geschickt angeordnete Sammlung von Markt-Personifizierungen! Aber wer sind eigentlich die Akteure hinter diesen Märkten? Silvio Gesell hatte den passenden Begriff dafür (und ein Gegenmittel, nämlich sein Freigeld): Wucherspieler!

    http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/gesell/nwo/4_7_6.htm

  • E
    e.a.

    Aus "Bundeskanzlerin" kann man auch "Bankzinsenluder" machen.

  • J
    Jepp

    Immer wieder überraschend, der Deniz. Die taz hat nicht viele gute Kolumnisten. Deniz ist der Beste.

  • H
    HamburgerX

    Ganz lustig, das kann man aber auch mit anderen Schlagworten machen. Der Markt handelt nicht, sondern die Marktteilnehmer. Wer sind die Marktteilnehmer? Praktisch alle Erdenbürger. In dem Moment, wo ein Liter Benzin gekauft, eine Währung für den Urlaub getauscht, in eine Lebensversicherung eingezahlt oder ein Bausparvertrag aufgelöst wird, nimmt man Einfluss auf den Markt.

     

    Umfragen sind übrigens auch eine Art Markt. Ein Meinungsmarkt. Danach richtet sich die Politik auch gerne.

     

    Das ist alles weder skandalös, noch zu dämonisieren. Natürlich wäre es besser, einen langfristigen Atmen zu haben. Aber Märkte ablehnen? Dann ist man ein Gegner der Freiheit und gibt der Angst vor der prinzipiellen Unberechenbarkeit des menschlichen Lebens nach. Angst sollte aber kein Gestalter für politische Entscheidungen sein, sondern Mut.

  • V
    viccy

    Absurd, wenn man das so geballt auf einem Fleck liest. Eine entlarvende Sammlung, besten Dank dafür!

  • S
    spiritofbee

    Märkte.....das ist ähnlich wie vermummte Polizisten ohne Dienstkennzeichnung im Einsatz. Nur mit weitaus vernichtender Wirkung.

     

    Märkte sorgen für wieviel Hungertote jährlich? Die Nachkriegsgeneration in Deutschland musste sich von ihren Kindern fragen lassen, wie konntet ihr nur sowas zulassen. Die Nach"Markt"Generation, wird sich weltweit die Frage stellen lassen müssen....wie konntet ihr nur diese Art von "Märkte" zulassen?

  • H
    Happes

    Gut beobachtet, Herr Yücel.

     

    Aber nur keine Bangee: Unser oberstes Marktweib (Frau Märktel) wird's schon richten.

  • RC
    robin c. sherwood

    Da habe ich auch noch einen: Märkte geben sich der Lächerlichkeit preis. Und alle Marktgläubigen gleich mit. Und die Headliner sowieso.