Kolumne Ausgehen und Rumstehen: Ich habe nichts gegen Ausländer
„Assimilierte Wichser“, die hingehen sollen, wo sie herkommen. Im Berliner Theater Hebbel am Ufer feierte „Hate Poetry“ dritten Geburtstag.
Am Montagmorgen zurück nach Mitte, es herrscht Rückenwind. Im Kopf läuft in Endlosschleife “Deutsche Freunde“ von Ozan Ata Canani: „Sie nennen uns Gastarbeiter, unsre deutschen Freunde. Sie haben am Leben Freude.“ Der Text ist so einfach wie genial, weil er die Perspektive des Erzählers in jeder Zeile mit der Erwähnung der deutschen Freunde kreuzt. Am Ende heißt es: „Ich bin Ata und frage euch, wo wir jetzt hingehören?“
Klar, wo Ozan Ata Cananis Arabesken jetzt herkommen, um zwei auf dem Fahrrad. “Hate Poetry“ hatte im Hebbel am Ufer Geburtstag gefeiert und Malek Samo eingeladen, den rechtmäßigen Nachfolger Cananis. Der Mann aus der Nähe von Hannover spielte seine YouTube-Hits “Zehn Jahre hier“ und "Jobcenter“, während die Vortragenden die große Tafel auf der Bühne mit Postern von Claudia Roth, Mesut Özil, Thilo Sarrazin, Bushido und anderen Protagonistinnen des großen Integrationstheaters schmückten. Wein wurde aufgetischt, Tabletts mit Süßigkeiten ins Publikum gereicht.
Es war klar, dass das „Hate Poetry“-Jubiläum der Höhepunkt des Wochenendes werden würde. Die Vorstellung war Wochen vorher ausverkauft. Im vergangenen Jahr seien sie zu Journalisten des Jahres 2014 gekürt worden, erzählte Moderatorin Doris Akrap von der taz. Allerdings nicht „als richtige Journalisten“, sondern „nur als Sonderpreis“.
Ich war noch nie bei „Hate Poetry“ gewesen, hatte mir aber ungefähr vorgestellt, wie das sein würde, wenn Journalistinnen mit Nachnamen, die manchen zu undeutsch vorkommen, aus Leserbriefen vorlesen würden. Worüber ich nicht nachgedacht hatte, war die Frage, was man als Zuschauer macht, wenn Texte zum Vortrag kommen, in denen Freizeithitlers den Kolleginnen von Zeit, Spiegel, Tagesspiegel und taz (Deniz Yücel kam mit pinkfarbener Krawatte) ankündigen, die Germanen würden an den Ausländern „das Werk fortsetzen, das wir mit den Juden begonnen haben“. Man lacht viel, hin und wieder aber verschlägt es einem das Lachen.
Sorgfalt, Liebe und Irrsinn
Mit Sorgfalt und Liebe las Özlem Topçu von der Zeit den Brief einer Frau vor, die kurz nach dem Krieg geboren wurde. Sie erklärt darin der Journalistin, warum die Deutschen keine Heimatliebe mehr aufbringen könnten: Selbst in den kleinsten Dörfer blicke man in die Gesichter von Ausländern.
„Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …“ Man kennt die Formel, die der Rechtfertigung des eigenen Rassismus dient, weil der Deutsche an sich ein toleranter, aufgeklärter und weltoffener Mensch ist, die Tierliebe nicht zu vergessen. Aber bei dem Brief dieser deutschen Frau, die versichert, dass sie die Adressatin nicht verletzen möchte, hat man das Gefühl, dass die Schreiberin das wirklich so meint: im anderen stets den Menschen sehen zu wollen. Die eigene Entfremdung muss irgendwohin projiziert werden, um sie greifbar zu machen.
Das Krasse an der Sache ist, dass dasselbe auch für die migrantische Leserschaft gilt. Die sinniert gern mal darüber nach, ob eine auf den ersten Blick muslimische Journalistin mit türkischem Nachnamen nicht in Wirklichkeit Armenierin oder gar Jude ist. Anders kann man es sich nicht erklären, dass jemand mit so einem Namen in einem journalistischen Text eine Ansage macht, die einem nicht ins Weltbild passt.
Die Kinder und Enkel der Gastarbeiter können es keinem recht machen. Als „assimilierte Wichser“ werden sie von den einen wie den anderen gehasst: „Sie können zwar gut schreiben“, wird etwa Mohamed Amjahid vom Tagesspiegel in einer E-Mail mitgeteilt, „müssen aber Deutschland trotzdem verlassen.“ Mit viel Charme und Humor blasen Amjahid und seine Kolleginnen diesen ganzen Irrsinn ins Theater, um nicht damit allein zu bleiben. Nachher wird im Wau um die Ecke noch gemeinsam getrunken. Ein schöner Abend, auch wenn, wie Idil Baydar (aka Jilet Ayşe) sagt, die Ausländer immer ein bisschen zu laut sind.
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