Kolumne American Pie: Starke Statements

Die Bewegung „Black Lives Matter“ erfährt dieser Tage offene Solidarität von schwarzen US-Sportlern. Nur weiße Athleten tun sich schwer.

Serena Williams reckt nach ihrem gewonnenen Wimbledon-Halbfinale ihre Faust in die Luft

Serena Williams reckt in Black-Power-Manier die Faust in die Luft Foto: reuters

Es war ein gespenstischer Auftritt, den die New York Liberty da am vergangenen Samstag im Madison Square Garden ihren rund 20.000 Fans boten … Statt der blütenweißen Trikots mit dem hellblauen Sponsoren-Logo liefen die Frauen des Basketball-Profiteams mit schwarzen T-Shirts auf.

Auf der Brust standen die Worte „Black Lives Matter“ – in Solidarität mit der neuen Bürgerrechtsbewegung gegen Polizeigewalt, die nur Minuten vom Garden entfernt eine Großdemonstration inszeniert hatte. Auf den Rücken war ein Hashtag mit einem leeren Strich gedruckt – Platz für den nächsten Namen eines Afroamerikaners, der von einem Polizisten getötet und danach zum Internetschlagwort wird. So wie zuletzt #Philandocastile und #AltonSterling.

Es war ein starkes politisches Statement, wie man es von bezahlten Athleten in diesem Land noch immer nur selten sieht. Doch es war in den vergangenen Tagen bei Weitem nicht das einzige. Zeitgleich mit ihren Kolleginnen in New York liefen die Minnesota Lynx bei ihrem Heimspiel mit „Black Lives Matter“-Leibchen auf.

Kurz zuvor hatte der Star der New York Knicks, Carmelo Anthony, auf Facebook ein kleines politisches Manifest veröffentlicht, in dem er zum dringenden Handeln aufforderte: „Wir können uns nicht mehr zurücklehnen und vor politischen Dingen die Augen verschließen. Die Zeit, Veränderung zu fordern, ist JETZT.“

Auch die größten Namen im Sport wollten angesichts der Eskalation auf den Straßen Amerikas nicht mehr stillhalten. LeBron James schrieb auf Twitter, „dass uns alle Schmerz erfüllt“. Mehr Gewalt, so der Superstar nach dem Mord an fünf Polizisten in Dallas, sei jedoch nicht die Antwort. Serena Williams nahm sich derweil in London die Zeit, um über Facebook ihrer Trauer um Philando Castile Ausdruck zu verleihen. Nach ihrem gewonnenen Wimbledon-Halbfinale reckte sie in Black-Power-Manier die Faust in die Luft.

Athleten sind nicht mehr still

Gänzlich überraschend war die konzertierte Politisierung der US-Sportelite, zumindest der schwarzen, allerdings nicht. Seit der Geburt der Black-Lives-Matter-Bewegung nach dem Tod von Michael Brown in Ferguson vor zwei Jahren mögen die Sportler sich nicht mehr an die Artigkeitsregeln der Sportvermarkter halten. Die Athleten, die vielfach in ihrer Jugend selbst der latenten Unterdrückung durch die Staatsmacht in unterprivilegierten Wohngegenden ausgesetzt waren, verhalten sich nicht mehr still.

So liefen nach den Unruhen in Baltimore im vergangenen Jahr die Ravens mit erhobenen Händen ins Stadion, um die Unterwerfungsgeste nachzuahmen, die Michael Brown kurz vor seinem Tod der Polizei gegenüber gezeigt hatte. Wochenlang traten NBA Spieler in Hoodies mit der Aufschrift „I can’t breathe“ an – den letzten Worten des Polizeiopfers Eric Garner. LeBron James fand die Aktionen damals schon „großartig“.

Kurz bevor in der vergangenen Woche Polizeigewalt und Rassismus wieder in die öffentliche Diskussionen drängten und allmählich das Land zu zerreißen drohen, hatte der US-Sport um Muhammad Ali getrauert. Nicht zuletzt LeBron James hatte den „Größten aller Zeiten“ als Vorbild für alle Athleten genannt, weil er für seine Überzeugungen eingetreten war und dabei seine Karriere riskiert hatte. Da war es schwer, sich zu verstecken, als in der vorigen Woche der Moment gekommen war, Farbe zu bekennen.

Natürlich würden LeBron James oder Carmelo Anthony nie so weit gehen wie Ali und ihre Karriere oder ihr Vermögen riskieren. Dennoch ist im Zuge der Bewegung „Black Lives Matter“ eine Wiedergeburt des politischen Athleten in den USA zu beobachten – eine sichtbare Verneigung vor der Generation von Ali, John Carlos, Tommie Smith, Bill Russell oder Kareem Abdul-Jabbar.

Sponsoren verprellen war tabu

Der derzeitigen Renaissance des Politischen im Sport war eine lange Phase vorangegangen, in der amerikanische Sportler nichtsportliche Themen mieden wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser. Als oberste Maxime galt der berühmte Ausspruch von Basketball-Megastar Michael Jordan, dass Republikaner auch Turnschuhe kaufen. Alles, was Sponsoren hätte verprellen können, war tabu.

Diejenigen, die sich nicht an das Schweigegelübde hielten, wurden hart bestraft. Chris Hodges, der dem ersten Präsidenten Bush bei einem Besuch im Weißen Haus einen Protestbrief gegen den Golfkrieg überreichte, verlor umgehend seinen Job. Wenig besser erging es Mahmoud Abdul-Rauf, der sich weigerte, vor Spielen am Absingen der Nationalhymne teilzunehmen.

Seit einigen Jahren hat sich das Klima für die freie Meinungsäußerung von Sportlern jedoch deutlich verbessert. Der Sportjournalist Dave Zirin glaubt, dass etwa um 2008 herum einige Dinge zusammenkamen, die den Sportlern Mut gemacht haben.

Da war zunächst die Wahl Oba­mas, den viele Sportler begeistert unterstützten. Dann hat die Wirtschaftskrise die Macht der Team-Bosse geschwächt. Mehrere Streiks haben die Sportler dazu gebracht, ohne Umweg über PR-Abteilungen mit der Öffentlichkeit zu sprechen. Und natürlich haben die sozialen Medien eine enorme Rolle in der politischen Emanzipation der Sportler gespielt.

Was Zirin allerdings noch fehlt, ist, dass weiße Sportler in den Protestkanon einstimmen. „Solidarität ist im Moment eine dringende moralische Pflicht.“ Doch so weit gehen die Bande in der US-Sportfamilie bislang noch nicht. So machen die Gräben der Gesellschaft, wie so oft, auch vor dem Sport nicht halt.

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