: Kolumbiens „Hijos de Papi“ gewannen die Wahlen
■ Aus den ersten Bürgermeisterwahlen des Landes gingen die beiden traditionellen Großparteien, die Liberalen und die Konservativen als Wahlsieger hervor / Weit abgeschlagen die linke Union Patriotica - sie hatte im Wahlkampf 14 Kandidaten durch Mord verloren
Bogota (taz) - Es war fast wie ein Volksfest. Im Zentrum Bogotas spielten die Bands der verschiedenen Parteien zum Tanz auf. Im reichen Norden der Stadt bewarfen sich die „Hijos de Papi“, die Sprößlinge der Oligarchie, einer alten Tradition folgend mit Mehl und Eiern. Eine Sitte, die in den bettelarmen Vierteln im Süden der Stadt aus naheliegenden Gründen wenig verbreitet ist. Doch auch dort beherrschten die Aktivisten der verschiedenen Gruppierungen das Bild. Außerhalb der von Polizei und Militär abgesperrten und kontrollierten Zonen der Stimmabgabe versuchten sie, die Umschläge mit den Wahlzetteln der jeweiligen Kandidaten zu den ersten Bürgermeisterwahlen in der Geschichte des Landes an den Mann zu bringen. In Kolumbien müssen die Parteien selbst für die Wahlunterlagen sorgen. In einer weitläufigen Suite des Fünf–Sterne–Hotels Tequendama feierte der Wahlsieger in Bogota, der „Hijo de Papi“ Andres Pastrana von der Konservativen Partei, zusammen mit seinem Vater, dem Ex–Präsidenten Misael Pastrana Borrero und der Creme der konservativen High–society bei Whisky und Krabbensalat seinen Erfolg. Dagegen herrschte im Hilton, dem Hauptquartier des linksliberalen Kandidaten Carlos Ossa, eher Katzenjammer. Die Gruppierung von Ossa hatte allen Grund, dem „Aguardiente“, dem hiesigen Anisschnaps zuzusprechen. Denn sie unterlag nicht nur Pastrana, sondern auch dem rechten Flügel der Liberalen Partei und dessen Bürgermeisterkandidaten Caicedo Ferrer. Mit der Niederlage Ossas ist eine Vorentschei dung für den Präsidentschaftswahlkampf 1990 gefallen. Der fortschrittliche Flügel der Liberalen wird es nun schwer haben, seinen Kandidaten durchzusetzen. Auch in Medellin, der zweitgrößten Stadt des Landes, machte ein Konservativer das Rennen, wenn auch nur mit knappem Vorsprung vor dem liberalen Kandidaten. In Cali und Barranquilla, den beiden weiteren Millionenstädten Kolumbiens, siegten die Liberalen. Viele Erwartungen waren an diese Wahlen geknüpft worden, die die letzte konservative Regierung 1985 im Zuge einer „demokratischen Öffnung“ durchgesetzt hatte. Dazu gehörte auch die offizielle Anerkennung der von der kommunistischen Guerilla vor drei Jahren gegründeten Partei Union Patriotica (UP). Seit über hundert Jahren wird die politische Landschaft Kolumbiens von zwei traditionellen Parteien, den Liberalen und den Konservativen, bestimmt. Mehrmals war es zu langjährigen Bürgerkriegen zwischen den beiden Traditionsparteien gekommen. Nach dem letzten und blutigsten in den vierziger und fünfziger Jahren hatten sich die Führer auf eine arithmetische Machtteilung, die Frente Nacional, geeinigt. Auch wenn dieser Pakt Ende der siebziger Jahre auslief, die Auswirkungen sind noch heute zu spüren: Institutionalisierung von politischen Dynastien, Vetternwirtschaft, Korruption sowie der nahezu völlige Ausschluß anderer Gruppierungen vom politischen Leben. Auch nach der Frente National beherrscht eine kleine politische Oberschicht das Land. Die Methoden der Machterhaltung sind trotz formaler Demokratie keineswegs immer sauber. Auch in diesem Wahlkampf wurden wieder massiv Stimmen mit Arbeitsstellen, Stipendien, Wohnzimmereinrichtungen, Grundstücken und anderen Versprechungen gekauft. Von den insgesamt 1.009 Bürgermeisterposten haben nach dem vorläufigen Endergebnis die Kandidaten der Liberalen 420, die der Konservativen 412 gewonnen. Daß immerhin über 100 unabhängige Bürgermeister - vor allem auf dem Lande - gewählt wurden, ist sicherlich nicht die Überwindung des Zweiparteien–Systems in Kolumbien. Doch es deutet - gerade angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse - einen kleinen Riß im bisher so zementierten Machtgefüge an. Trotz der offiziellen Zulassung als Partei hatte die Union Patriotica seit ihrer Gründung einen mörderischen Überlebenskampf zu bestehen. Rund 520 ihrer Mitglieder sind bisher umgebracht worden, davon allein 14 Bürgermeisterkandidaten. In mehreren Gemeinden zog die UP angesichts der Morddrohungen ihre eigenen Kandidaten zurück oder unterstützte andere Kandidaten. Inmitten des Klimas der Gewalt war mit einem großen Erfolg der Partei nicht zu rechnen. Die vorläufigen Wahlergebnisse lassen darauf schließen, daß die UP hinter den Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen 1986 zurückbleibt. „In Frieden für den Frieden gestimmt“ jubiliert die Morgenzeitung Espectador. Es war ein für kolumbianische Verhältnisse friedlicher Tag. Ob nach den Wahlen die Welle der Gewalt nun wieder abebbt, ist allerdings fraglich. „Die Lage hat sich nun geändert“, sagt Antonio Caballero, ein bekannter Journalist, der sich vorsichtshalber nach Spanien abgesetzt hat, „jetzt geht es nicht mehr darum, Bürgermeisterkandidaten umzubringen, sondern die gewählten Bürgermeister.“ Ciro Krauthausen/ Thomas Pampuch
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