Kolumbien im Wahlkampf: Wenn sich ein General vertwittert
Ein rechter General polemisiert im Wahlkampf gegen den linken Kandidaten. Dumm nur, dass ihm die Verfassung parteipolitische Äußerungen verbietet.
S eine Gegner hat General Eduardo Enrique Zapateiro Altamiranda noch nie mit Samtschuhen angefasst. Doch jetzt könnte der Kommandant des kolumbianischen Heers tatsächlich Probleme bekommen. Anlass sind sechs Nachrichten auf Twitter.
Am 29. Mai sind in Kolumbien Präsidentschaftswahlen. In Umfragen liegt der linkspopulistische Kandidat Gustavo Petro immer noch mit deutlichem Abstand vorn. Petro war vor einigen Jahrzehnten Guerillero, später Bürgermeister von Bogotá und ist mittlerweile Senator der Republik.
Dem Militär steht Petro kritisch gegenüber – womit er angesichts der Verbrechen der Armee während des bewaffneten Konflikts nicht allein da steht. Gerade sorgt eine Militäroperation in Putumayo für Aufregung: Elf Zivilistïnnen starben unter dubiosen Umständen, die die Armee offenbar vertuschen wollte.
Als vor zwei Wochen sechs Soldaten bei einem Attentat starben, hinter dem laut Armee der Golfclan steckte, wies Petro darauf hin, dass einige Generäle mit dem Drogenkartell zusammenarbeiteten.Zum selben Schluss war im Februar ein Bericht der Generalstaatsanwaltschaft gekommen.
Tweets vom Militäraccount aus gesendet
Doch jetzt platzte General Zapateiro der Kragen – in einem Maß, wie es die Kolumbianerïnnen selbst von ihm bisher nicht gewohnt waren.
In sechs Tweets griff Zapateiro den Kandidaten Gustavo Petro offen an – alles vom offiziellen Account des Kommandanten des kolumbianischen Heers aus. Er warf ihm vor, den Tod von Soldaten politisch zu instrumentalisieren. Petro sei Teil des Kollektivs der „Drogenhandel-Politiker“ und unterstellte ihm Korruption: Die Kolumbianerinnen hätten ihn gesehen, wie er in Müllsäcken Geld entgegengenommen habe (das ist per Video belegt, doch urteilte der oberste Gerichtshof, dass das Geld nicht aus Drogenhandel stammte und die Umstände legal waren).
Außerdem forderte der General Respekt vor „der ältesten Institution des Landes, deren Mitglieder, Männer und Frauen, bedingungslos mehr als 200 Jahre die Demokratie dieser Nation sogar mit ihrem Leben verteidigt haben“.
Jetzt hat der General ein Problem: Die kolumbianische Verfassung verbietet es Staatsbediensteten, sich an Aktivitäten von Parteien oder Bewegungen zu beteiligen. Aktive Mitglieder der Sicherheitskräfte dürfen in Kolumbien nicht einmal wählen.
Straftatbestand „Einmischung in die Politik“
Ein Menschenrechtsverteidiger und Anwalt reichte diese Woche bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Zapateiro ein. Die Vorwürfe: „Pflichtvergessenheit durch Handeln“ und „Einmischung in die Politik“.
Ex-Verfassungsrichter, ehemalige Staatsanwälte und Minister sowie ein renommierter Verfassungsrechtler sehen das ähnlich. Die oberste Aufsichtsbehörde begann einen Tag später mit der Voruntersuchung gegen den General.
Tatsächlich ist Zapateiro weit entfernt vom Staatsbürger in Uniform. Er ist als rechter Hardliner bekannt. Ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat sich seine Wutpredigt in einem Fernsehinterview. Öffentlich trauerte er nach dessen Krebstod um Jhon Jairo Velásquez alias „Popeye“, den bekannten Auftragskiller des früheren Drogenbarons Pablo Escobar.
Die Sonderjustiz für den Frieden, die nach Wahrheit im Fall der von Soldaten umgebrachten und als Guerilleros verkleideten Zivilisten suchen, bezeichnete er als „giftige und perverse Vipern“. Politisch, polemisch, ultrarechts, dafür ist Zapateiro bekannt – aber noch nie hatte er sich so krass in den Wahlkampf eingemischt.
Präsident Duque verteidigt den rechten General
Rückendeckung erhielt der General von Präsident Iván Duque. Der ist ebenfalls Staatsbediensteter und hat nach Recherchen des Portals La Silla Vacía in einer von drei Reden zuletzt Wahlkampf gegen Petro betrieben.
Duque hatte 2018 in der Stichwahl gegen Petro gewonnen. Er wünscht sich den rechten Federico „Fico“ Gutiérrez als seinen Nachfolger. Das Antikorruptionsinstitut hatte den Präsidenten schon Mitte April wegen seiner Einmischung in den Wahlkampf angezeigt. Ob das Verwaltungsgericht vor der Präsidentschaftswahl noch eine Entscheidung trifft, ist fraglich.
Kommt die Aufsichtsbehörde im Fall Zapateiro zu dem Schluss, dass der General schuldig ist, kann die Strafe eine Geldbuße, Suspendierung, Absetzung oder sogar ein Verbot der Ausübung öffentliche Ämter von bis zu 18 Jahren sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen