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Kollisionskurs bei der S-BahnS-Bahn spaltet Koalition

Die SPD-Linke will eine Teilausschreibung der S-Bahn nicht hinnehmen. Zur Not müsse der Koalitionsvertrag nachverhandelt werden, meint ein Kreischef.

Noch ist unklar, in welche Richtung es mit der Berliner S-Bahn geht. Bild: dpa

Nach der Entmachtung von Michael Müller und der Wahl von Jan Stöß zum neuen SPD-Landesvorsitzenden ist die SPD-Linke euphorisiert. Vor allem die Teilausschreibung der S-Bahn soll nun mit allen Mitteln verhindert werden. „Der Parteitag hat beschlossen, dass wir keine Ausschreibung wollen. Dabei bleibt es“, sagte der Reinickendorfer Kreisvorsitzende Jörg Schroedter der taz.

Offiziell heißt es in der SPD-Fraktion, man wolle zunächst ein Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes abwarten. Dieses soll abschließend klären, ob eine Direktvergabe des S-Bahn-Netzes rechtlich zulässig sei. Ein erstes Gutachten, das Verkehrssenator Michael Müller in Auftrag gegeben hatte, hatte dies verneint.

Müller, jetzt nur noch Senator, gilt wie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit als Befürworter einer Teilausschreibung. Die SPD-Fraktion ist mehrheitlich dagegen. Sie fordert entweder eine Direktvergabe des gesamten Netzes – etwa an die BVG – oder die Gründung eines neuen kommunalen Unternehmens zum Betrieb der S-Bahn. Allerdings wurde das Thema in der 47-köpfigen Parlamentarierrunde noch nicht aufgerufen. „Damit befassen wir uns erst nach der Sommerpause“, ließ Fraktionssprecherin Claudia Stäuble wissen. Dann soll auch das neue Gutachten vorliegen.

Im Koalitionsvertrag mit der CDU hatten die Sozialdemokraten vereinbart, erst die Gesamtvergabe zu prüfen. „Soweit eine Gesamtvergabe rechtlich nicht möglich ist“, heißt es weiter, „wird für den Betrieb des Rings samt Zubringerstrecken eine Ausschreibung für einen Betrieb mit Neufahrzeugen gestartet.“

„Ein Koalitionsvertrag ist nichts Statisches“

Doch auch das zweite Gutachten wird wohl keine Klärung bringen. Sollte der Wissenschaftliche Dienst eine Gesamtvergabe aufgrund des Wettbewerbsrechts für unzulässig erklären, bedeute das nicht automatisch die Zustimmung zur Teilausschreibung, so Kreischef Schroedter: „Dann werden wir eben ein externes Gutachten in Auftrag geben.“ Das Bündnis mit der CDU sieht er dadurch nicht gefährdet. Schroedter wörtlich: „Ein Koalitionsvertrag ist nichts Statisches. Da muss man noch mal neu drüber sprechen.“

Bereits zuvor hatte der neue SPD-Vorsitzende Klartext geredet. Im RBB-Inforadio hatte Stöß die S-Bahn-Teilausschreibung als „rote Linie“ bezeichnet, die nicht überschritten werden dürfe. Dies zu verhindern fühle er sich in Abstimmung mit der SPD-Fraktion verpflichtet. Deutlicher könnte eine Kampfansage an die rot-schwarze Koalition nicht ausfallen. Schließlich gilt auch Fraktionschef Raed Saleh als Gegner einer S-Bahn-Privatisierung.

Um Alternativen zu weiteren Privatisierungen zu suchen, hatte Saleh die Gründung einer AG „Daseinsvorsorge“ (Davos) vorangetrieben – auch Schroedter sitzt darin. Mit einem Thema aber hat sich die AG noch nicht beschäftigt, wie Schroedter einräumen muss – damit, was die Übernahme der S-Bahn in kommunale Regie kosten würde.

Die Verkehrsverwaltung von Senator Müller wollte sich gestern zum Thema nicht äußern.

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5 Kommentare

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  • B
    Berliner

    Echt toll, diese Realitätsverweigerung von Herrn Schroedter: „Dann werden wir eben ein externes Gutachten in Auftrag geben.“ Wir lassen also so lange gutachten, bis das Ergebnis unserer vorgefassten Meinung entspricht - und das ist dann linke Politik? Was Stöß, Schroedter und Konsorten derzeit beim Thema S-Bahn veranstalten, das hat mir Daseinsvorsorge nichts zu tun, im Gegenteil. Diese Verzögerungstaktik ist der beste Weg, die S-Bahn endgültig zu ruinieren.

  • Y
    yberg

    die bahn verdient den größten teil ihres schotters mit dem vom bund gesponserten netz.hier beim eigentum Sbahn netzt muß angesetzt werden.

     

    solange die DB ihre schmiergriffel drauf hat, empfiehlt es sich nicht für ohnmächtige dritte bahnfahrleistungen anzubieten,da die 4 feinde des netzes frühling,sommer,herbst und winter unberechenbar zuschlagen

     

    das obererbärmlichste ist doch nicht,daß irgendwelche unfähigen und unwilligen in politik und verwaltung der Sbahn leitung keinen dampf machen,sondern daß die aufsichtsräte der arbeitgeberbank DB- und die arbeitnehmervertreter ein unternehmen derart beaufsichtigen,daß der netzbetreiber und die vorstände,was schadensersatz für schlechtleistung angeht nicht von der s-bahn selbst in regreß genommen werden.

     

    für die deutsche bahn kommen die zweistelligen einbehaltenen senatsmillionen allemal billiger als ein technisch versierter zuverlässiger bahnverkehr.

     

    nicht ausgeschlossen ist,daß sich die bahn für ihre schlechtleistungen auch noch versichern kann.

     

    einfach mal nachrechnen ,wieviel zig - hundert millionen die s-bahn an die DB netz abdrückt

  • R
    Ralph

    Hatten wir das nicht alles schon mal? Ergebnis war die Stillegung zahlreicher Strecken, die (teilweise) bis heute nicht wieder in Betrieb genommen wurden und - erwartungsgemäß ebenfalls zumindest teilweise - auch nie wieder in Betrieb genommen werden. Tatsache ist eher, daß der sogenannte Ausbau der letzten paar-und-zwanzig Jahre eher eine (sehr) schleichende Wiederherstellung des einstigen Ist-Zustands ist.

     

    Ausschreibung = Streckenschließung. Und wenn's die BVG kriegt, wars das mittelfristig mit der S-Bahn Berlin insgesamt.

     

    Wär schade, wenn noch ein weiteres Stück Berliner Tradition verloren ginge. Deutschland hat schon so kaum echte S-Bahn-Netze mehr, nur noch die abgehalfterten Ersatzverbindungen per Diesel und Oberleitung.

  • SS
    Saurons S-Bahn-Ring der Macht

    Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe, Schuss in den Ofen. Soll gerade rückgängig gemacht werden.

    Privatisierung des Berliner Stromnetzes, Schuss in Ofen. Soll gerade rückgängig gemacht oder an Genossenschaft abgegeben werden.

    Privatisierung des Rings ...

     

    Manche Menschen lernen einfach nichts aus ihren Fehlern.

  • S
    Stratege

    Ich verlange eine Ausschreibung des S-Bahn-Betriebs nach EU-Recht.

     

    Begründung: die monopolartige Betriebsstruktur hat zu beachtlichen Gewinnüberhängen in der Vergangenheit geführt, die an die Bahn AG abgeführt wurden.

     

    Diese Mittel sind wiederum im Bundeshaushalt zum Ausgleich von Staatsschulden "versackt".

     

    Durch eine EU-Vergabe können ortsansässige Bieter mitbieten und neue Strukturen aufbauen, die zu mehr

    Steuereinnahmen in Berlin führen.

    Die unselige Subventionierung des Bundeshaushaltes durch die S-Bahn-Berlin-GmbH als Tochter der DN AG wird damit schrittweise beendet.

     

    Die Koalition der S-Bahn-Nostalgiker und Pufferküsser muss aufgebrochen werden. Wettbewerb ist besser - und hilft, die Kosten stabil zu halten.