piwik no script img

Kollektives Knockout

■ Die meisten Boxer des Schweriner SC sind arbeitslos Die WM-Vorbereitung war alles andere als optimal

Schwerin (dpa) — Europas bester Boxstaffel droht der Gruppen- Knockout: Fast alle Faustkämpfer des deutschen Mannschaftsmeisters Schweriner SC sind arbeitslos. Nicht gerade motivierend vor der in der nächsten Woche in Sydney beginnenden Weltmeisterschaften. „Wenn das so weitergeht, bleibt hier nach Olympia '92 nur ein Scherbenhaufen“, klagt Trainer Otto Ramin. Stars wie Olympiasieger Andreas Zülow und Vize- Europameister Torsten Schmitz halten ihrer Staffel noch die Treue, aber andere packen bereits die Handschuhe ein. Nach den nationalen Titelkämpfen, bei denen die Schweriner mit dreimal Gold und viermal Silber kräftig zuschlugen, meldete sich Fliegengewichtler Jens Meukow zu Sparta Flensburg ab. Ramin hat Verständnis: „2.500 Mark und eine Wohnung, das können wir nicht bieten.“

Vizemeister Heiko Hinz beispielsweise bezahlt für ein Internatszimmer ohne Bad 350 Mark monatlich. Er bleibt trotzdem: „In der Truppe herrscht bei allen Problemen ein prima Klima“, sagt der 22jährige, der im Kampf um ein WM-Ticket nur an seinem Klubkameraden Andreas Tews scheiterte. „Eine Medaille ist für mich drin“, meint der Olympiazweite. Trainer Ramin teilt seinen Optimismus nicht: „Die Vorbereitung der deutschen Boxer war nicht optimal. Es gab kein gemeinsames Training.“

„Die Politiker dürfen sich nicht nur zum Fototermin im Glanz ihrer Sportstars sonnen. Sie müssen auch dafür sorgen, daß der Spitzensport in Mecklenburg-Vorpommern nicht kaputt geht“, fordert Michael Evers vom Schweriner Bundesleistungszentrum. Allein Andreas Zülow hat noch einen Arbeitsplatz. Die Schweriner Bau-Union hat ihn getreu dem Motto „Einen Olympiasieger können wir uns leisten“ eingestellt. Aber der arbeitslose Ex-Europameister Dieter Berg spricht aus, was alle seine Mannschaftskameraden immer noch denken: „Schwerin verlassen — das wäre der letzte Ausweg.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen