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Kohlendioxid-AbscheidungCO2-Speicher behindern Geothermie

Experten warnen, dass die Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund sich nicht mit Ökoenergien und einer sicheren Trinkwasserversorgung verträgt.

Im Vattenfall-Versuchskraftwerk im südbrandenburgischen Spremberg wird die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid erforscht. Bild: dpa

BERLIN taz Energiekonzerne sollen das Treibhausgas Kohlendioxid, das sie beim Verbrennen von Kohle produzieren, in den Untergrund pumpen - damit es die Atmosphäre nicht weiter aufheizt. Das hört sich gut an. Darum wird das Kabinett heute das "Gesetz zur Regelung von Abscheidung, Transport und Ablagerung von Kohlendioxid", kurz CCS-Gesetz, verabschieden. Nur: Experten warnen, dass die Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund sich nicht mit Ökoenergien und einer sicheren Trinkwasserversorgung verträgt.

Umweltschützer sehen CO2-Speicher schon seit langem zwiespältig. Sie monieren, dass an der Kohleverstromung festgehalten wird und Risiken nicht untersucht wurden. Ein Aspekt wurde bislang aber kaum in der Öffentlichkeit diskutiert. "Wenn die Abscheidung und unterirdische Lagerung von Kohlendioxid kommerziell angewandt wird, gibt es eine Nutzungskonkurrenz", sagt Felix Matthes, Energieexperte des Ökoinstituts. Kohlendioxid-Speicher würden in solchen geologischen Formationen angelegt, in denen auch nach geothermischer Wärme gesucht werde oder Druckluftspeicher für überschüssige Energie aus Windkraft- und Solaranlagen eingerichtet werden könnten. Auch Erdgas oder Trinkwasser könne dort lagern.

Wo und wie Erdwärme verlässlich zur Stromerzeugung genutzt werden kann - damit beschäftigt sich Ernst Huenges schon seit Jahren. Er leitet die Geothermie-Abteilung am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. Im brandenburgischen Groß-Schönebeck macht er mit seinen Kollegen ein Geothermie-Experiment. Die Idee: Das im Gestein enthaltene natürliche Tiefenwasser soll aus einem Bohrloch gefördert, in einem Geothermiekraftwerk genutzt und dann in einem anderen Bohrloch wieder hinuntergepumpt werden.

Huenges erklärt: "Das Wasser muss mit Temperaturen von 150° Grad Celsius aus der Erde kommen, damit sich der Aufwand lohnt." Im Voralpenland oder im Oberrheingraben gebe es große Potenziale, aber auch in den "recht tief gelegenen wasserführenden Schichten des norddeutschen Beckens". In der Tiefe seien auch die "besten Plätze für die CO2-Speicherung", sagt Huenges. Unter 1.000 Meter nehme das Kohlendioxid eine Dichte ein, die nicht so viel Volumen beansprucht. Das neue CCS-Gesetz werde den "Ausbau der Tiefengeothermie stoppen", kritisiert nun Dietmar Schütz vom Bundesverband Erneuerbare Energien. Ihn stört vor allem, dass Energiekonzerne nach dem Entwurf Flächen reservieren können, die sie irgendwann für CO2-Speicher erkunden wollen. Ökoexperte Matthes fordert nun "eine unterirdische Raumordnungsplanung" - damit die einen nach Geothermie bohren, die anderen Kohlendioxid speichern, Erdgas fördern oder Trinkwasser suchen können. Das Problem ist Bundesumweltminister Gabriel (SPD) offenbar bekannt. Aus der SPD-Frak- tion hieß es, Gabriels Auftrag laute: "Bei Reservierung der Speicher muss nun das Parlament aktiv werden."

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3 Kommentare

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  • S
    strittmatter

    Ich finde die CO2-Einlagerung höchst riskant. Sollte durch ein Erdbeben oder Stolleneinbruch eine größere Menge eingelagertes CO2 frei werden droht eine Katastrophe aehnlich den CO2-Ruelpsern z.B. des Nyos-Sees in Afrika, mit sehr vielen Toten. CO2 ist schwerer als Stickstoff. Hat das schonmal irgendwer beruecksichtigt?

  • C
    chris

    Gabriels Auftrag laute: "Bei Reservierung der Speicher muss nun das Parlament aktiv werden."

     

    Weil dort die Fachkompetenz geballt zusammentrifft um dies entscheiden zu koennen?

  • A
    archimedes

    Es ist schon ein Skandal, dass Geothermie in der öffentlichen Förderung seit Jahren vernachlässigt wird, und jetzt auch noch das hier.

     

    Die CO2-Speicher-Spekulationen dienen außerdem nur dazu, die Kohlekraftwerke akzeptabel erscheinen zu lassen. Ein trügerischer Schein!

     

    Für eine nachhaltige Energiewende, die diesen Namen verdient, und deshalb aus vielen Gründen nicht zu sehr von riesigen Stromleitungen aus der Sahara und dergleichen abhängig sein darf, wäre Geothermie enorm wichtig, für den Wärme- ebenso wie für den Elektrizitätsbedarf.

     

    100TWh könnten jährlich allein in Deutschland geothermisch erzeugt werden - Tag und Nacht, ohne große Schwankungen, daher vorteilhafter als z.B. Windkraft (die offshore außerdem Unterwasserlärm verursacht, was Wale u.a. vielleicht in großem Stil nicht so toll finden).

     

    Neben den erwähnten Aquifer-Technologien gibt es dazu auch die Hot-Dry-Rock Technologie, bei der Wasser in große Tiefen gepumpt und heiß wieder heraufkommt - also keine unterirdischen Heißwasserquellen nötig sind. Wegen eines gewissen Restrisikos an kleinen Erdbeben wären dünn besiedelte Regionen Europas dafür allerdings noch besser geeignet als Deutschland, z.B. Finnland, Skandinavien und Teile Osteuropas.

     

    Theoretisch könnte damit sogar mindestens die Hälfte des Energiebedarfs Europas gedeckt werden, vielleicht sogar der gesamte (aber es gibt ja noch Solarenergie u.s.w.).

     

    Da würden sich manche Meeresbewohner sicher freuen, weil z.B. allzuviele offshore Windräder auch Unterwasserlärm verursachen. Außerdem sind offshore Windräder leider höchst aufwändig zu installieren (und so viele an Land um den Bedarf zu decken, wäre aus anderen Gründen problematisch - z.B. würde man viel mehr brauchen, weil die Ausbeute an Land meistens geringer ist). Südeuropa kann natürlich mehr mit Solarenergie machen, zumal heutige Kraftwerke wie Andasol auch gute Speichertechnik integriert haben. Weil die Zeit für eine Energiewende drängt, wäre es ratsam, sowohl Solarenergie und Windenergie, als auch Geothermie beschleunigt auszubauen - um Uran- und Kohlekraftwerke umso schneller abschalten zu können.