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Kohle für Brechts Ruhrepos

■ In der Bochumer Jahrhunderthalle startet heute das "Ruhrwerk": ein städtisch gefördertes Drei-Millionen-Spektakel nach der Skizze von Brecht und Weill zu einer Industrie-Revue

Bochum (taz) – Medienwirksam im Herbst des Brecht-Jahrs plaziert, wird in der Bochumer Jahrhunderthalle heute abend ein gigantisches Multimedia-Spektakel eröffnet. Das Konzept geht zurück auf eine Idee von Bertolt Brecht, Kurt Weill und dem Filmregisseur Carl Koch aus dem Jahr 1927. Geschaffen werden sollte ein „künstlerisches Dokument des rheinisch-westfälischen Industrielandes [...], seiner riesenhaften Konzentration werktätiger Menschen und der eigenartigen Bildung moderner Kommunen.“

Das „Ruhrepos“ von damals heißt heute „Ruhrwerk“ und soll nicht wie ursprünglich gedacht nur eine Revue sein, sondern im Zusammenwirken von Theater, Musik und Film der Bühnenkunst gleich neue Perspektiven eröffnen. Dafür wurde in der Jahrhunderthalle, einer 1902 erbauten Kathedrale ehemaliger Stahlproduktion, nicht nur eine riesige Tribüne, sondern auch ein etwa 18 mal 36 Meter großes Projektionsbecken aus Kohle und Wasser installiert, in dem sich gewaltige Videoprojektionen zur Arbeitswelt der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft spiegeln werden.

Der Maler und Filmemacher Klaus Armbruster (Jahrgang 1942), verantwortlich für das Gesamtprojekt und eigentlicher Ideengeber, und der Komponist und Kirchenmusiker Wolfgang Hufschmidt (Jahrgang 1934), versetzen das Projekt als digitale Zeitreise in die Gegenwart der Jahrtausendwende und damit in eine für Brecht, Weill und Koch nicht vorhersehbare Zukunft. Denn auch wenn die Arbeitslosenzahl im Ruhrgebiet der in den 30er Jahren ähnelt, ist das Dröhnen der Maschinen dort längst dem Flimmern von Bildschirmen gewichen und der Glaube an eine sozialistische Utopie, technische Revolutionen und einen industriellen Fortschritt im Ruhrgebiet Makulatur.

Drei Millionen Mark Produktionskosten hat dieses ehrgeizige Projekt schon verschlungen. Armbrusters Produktionsgesellschaft Interartes trägt davon rund ein Drittel. Die restlichen zwei Drittel kamen von der Kultur Ruhr GmbH, die dieses Geld aus den verschiedenen Töpfen des Landes NRW, der Landesentwicklungsgesellschaft NRW, dem Kommunalverband Ruhrgebiet und der Städte Bochum und Essen zusammengetragen hat.

Diese GmbH will den Versuch unternehmen, mit Hilfe von Großevents und Highlight-Kulturveranstaltungen das Image des Ruhrgebiets zu verbessern. „Wir haben hier ein international ausstrahlendes Kulturereignis, das sich zu fördern lohnt“, urteilt die Bochumer Noch-Kulturdezernentin Ute Canaris, die auch im Aufsichtsrat der Kultur Ruhr GmbH und auch im Beirat für das „Ruhrwerk“ sitzt. Entsprechend üppig waren die Finanzhilfen aus der Stadt Bochum. Allein 400.000 Mark sollen aus Fördergeldern für die Sanierung der Innenstadt West stammen.

Auch die Kosten pro Aufführung sind mit 40.000 Mark enorm und müssen durch Eintrittsgelder Abend für Abend eingespielt werden. Bei 1.200 Plätzen in der Halle ergibt dies einen Kartenpreis von 65 (ermäßigt 35) Mark pro Person. Das ist nicht unverschämt, aber für Arbeitslose wohl kaum erschwinglich – das „Ruhrwerk“ ist in der Tat „kein Stück mit roten Fahnen“, wie der Komponist Hufschmidt selbst sagt. Da die riesige Halle nicht beheizbar ist und nur bis Ende Oktober gespielt werden kann, müssen alle Aufführungen fast ausverkauft sein. Schließlich möchten auch die Erben Brechts und der Suhrkamp Verlag bei jeder Vorstellung mitverdienen.

Zu Zeiten massenkompatibler Musicalproduktionen im Ruhrgebiet ein derart hochtechnifiziertes Spektakel zu starten ist kein risikoloses Unternehmen. Schließlich läuft in Essen „Joseph“, in Bochum der „Starlight Express“ und in Duisburg „Les Misérables“. Andererseits gibt es vielleicht genau deswegen hier einen Markt dafür. Peter Ortmann

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