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Kohle-Bergbau an der SaarBeerdigung erster Klasse

Nach 250 Jahren schließt in Endorf die letzte Grube des Saarlands. Millionen Tonnen des Rohstoffs werden wegen zu hoher Kosten nicht mehr gefördert.

Zwei Bergleute im Bergwerk Saar in 1.745 Meter Tiefe. Bald geht's nicht mehr hinab. Bild: dapd

BERLIN taz | Alle Kirchenglocken sollen läuten, ein Kind wird die letzte Grubenlampe anzünden, und Bergleute aus ganz Deutschland geben eine Parade: Der Steinkohlebergbau im Saarland bekommt am Samstag eine Beerdigung erster Klasse.

Nach 250 Jahren schließt mit der Grube Saar in Ensdorf das letzte Bergwerk des Bundeslandes. Rund 1.300 Bergleute arbeiteten dort zuletzt noch bei der RAG Deutsche Steinkohle, 70.000 waren es zu Hochzeiten. Wer keinen anderen Job ergattert hat oder nicht in Vorruhestand gehen konnte, zieht nach Nordrhein-Westfalen, nach Ibbenbüren oder Herne.

Es ist ein Ende mit Ansage: Jahrzehntelang wurde über ihre Subventionierung gestritten, vor zwei Jahren einigten sich Bundesregierung und EU-Kommission schließlich auf ein Auslaufmodell. Ab 2018 gibt es europaweit keine Subventionen mehr.

Anders als Braunkohle wird Steinkohle auf dem Weltmarkt gehandelt – die aus Deutschland ist zu teuer. Die rund 800 Millionen Tonnen, die noch im Saarland liegen sollen, werden wohl nicht gehoben.

Hoffen auf private Investoren

Ende auf Raten

Mit dem Ende der Steinkohlesubventionen ist Steinkohle hierzulande nicht mehr wettbewerbsfähig. Nach der Grube Saar schließt am 31. 12. die Grube West in Kamp-Lintfort. Für Prosper-Haniel gibt es noch keinen Beschluss, die Bergwerke Auguste Victoria und Ibbenbüren machen 2018 dicht - zunächst für immer.

Und 2018 ist auch in Nordrhein-Westfalen Schluss. Allerdings können sich viele das Land ohne Kohleförderung nicht recht vorstellen. „Die Option für private Investoren zur Gewinnung von Kokskohle für die nordrhein-westfälische Stahlindustrie ist zu sichern“, heißt es im jüngst geschlossenen rot-grünen Koalitionsvertrag. Ergo: In Düsseldorf hofft man, dass sich ein privater Investor für das Anthrazitkohlebergwerk im westfälischen Ibbenbüren findet.

„Völlig utopisch“ sei das, sagt Dirk Jansen, Geschäftsleiter des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW. Kein wirtschaftlich denkendes Unternehmen werde in den Bergbau investieren, schließlich müsse es für die enormen Folgeschäden haften. Die RAG hat eigens eine Stiftung gegründet, um für die Milliardensummen aufkommen zu können.

Weil sich der Erdboden durch entstandene Hohlräume gesenkt hat, muss etwa ständig Grundwasser abgepumpt werden. Ob dies auch im Saarland notwendig ist, wird gerade untersucht. Erst im Mai hatte die RAG dort einen Vergleich mit von Grubenbeben Betroffenen geschlossen und zahlt nun 17.000 Eigentümern und Mietern 110 bis 1.250 Euro, insgesamt rund 7 Millionen Euro.

Das Kohle-Gen

Viele SPD-Abgeordnete trügen eben noch ein „Kohle-Gen“ in sich, lästert Jansen, das trübe den Blick für das Machbare. Immerhin: Kürzlich hätten die Sozialdemokraten im Bundestag eine Initiative für die Novellierung des Bergrechts eingebracht. Ihr Antrag sei zwar nicht weitgehend genug, weise aber in die richtige Richtung.

SPD, Grüne und Linke hatten im Wirtschaftsausschuss des Bundestags jeweils Anträge eingebracht, das verstaubte deutsche Bergrecht zu reformieren. Das stammt in seinen Grundzügen noch aus der Zeit, als der Steinkohlebergbau im Saarland seinen ersten großen Aufschwung nahm.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Bergbau im französischen Grenzland durch die neue Eisenbahn angekurbelt. Und Preußen führte ein wegweisendes Gesetz über den Abbau von Bodenschätzen ein. Sein Credo, dass die Gewinnung von Rohstoffen von so hohem Interesse für Staat und Gemeinwohl seien, dass andere Rechte dagegen zurücktreten müssten, ist noch heute im Bundesberggesetz wirksam.

„Dieses Gesetz ist ein Zulassungsrecht“, sagt der Frankfurter Anwalt Dirk Teßmer, der sich auf die Verteidigung von Bergbaubetroffenen spezialisiert hat. Die Behörden wägen die Interessen der verschiedenen Beteiligten oft nicht ausreichend gegeneinander ab, sondern entscheiden im Zweifel für das Unternehmen.

Während die SPD das Bergrecht nur sanft entschlacken will, streben Grüne und Linkspartei eine grundlegende Reform an. Sie wollen den automatischen Vorrang der Rohstoffgewinnung beenden. Die Bundesregierung sieht dagegen keinen Änderungsbedarf. Kürzlich lehnte sie die Gesetzesinitiativen der Opposition ab.

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3 Kommentare

 / 
  • B
    Branko

    Subventionen züchten Dinosaurier.

    Eine Spezies riesiger, hungriger Viecher, die auf sich selbst gestellt in der freien Wildbahn nicht überlebensfähig sind.

     

    Nur, um das mal zur Verdeutlichung nebeneinander zu stellen:

     

    Der deutsche Steinkohlebergbau ist vor allem wegen der zu bezahlenden Folgeschäden in Millionenhöhe nicht rentabel.

    Ohne Subventionen wäre die letzte Zeche Deutschlands schon vor über zwanzig Jahren dichtgemacht worden.

     

    Die Folgekosten für Kernenergie (Endlagerung) gehen in die Milliarden; im Falle eines Unfalls in die Billiarden.

    Kernenergie wird dagegen als höchst rentabel angepriesen.

     

    F:

    Warum ist die eine Technologie rentabel, obwohl sie das mehr als das Zehnttausendfache der Kosten mit sich bringt, als die unrentable?

     

    A:

    Im Steinkohlebergbau kommt der Unternehmer für die durch seinen Betrieb verursachten Schäden auf.

    In der Kernenergie zahlen - wenn überhaupt - Alle, nur nicht der Unternehmer.

     

    Würde man den dt. Steinkohlebergbau genauso betreiben, wie die "Heilsbringerin Kernenergie", wäre sicher auch der Steinkohlebergbau immer noch rentabel.

    Denn zu einstürzenden Häusern, absackenden Landschaften und Überflutungen durch Flüsse, die sich neue Wege suchen und Seen bilden hieße es dann nämlich nur:"Diese fortschrittsfeindlichen Verhinderer und Protestler von Ökospinnern haben doch gar keine Ahnung. Derartige geologische Vorgänge hat es immer und überall gegeben. Das dies jetzt ausgerechnet oberhalb eines Bergwerks passiert ist purer Zufall. Da besteht kein Zusmmenhang."

    Und Entschädigung gäbe es selbstverständlich natürlich auch keine.

     

    Der Unterschied:

    Derartige Schäden wären in zwei bis vier Generationen herausgewachsen und vergessen.

    Die Schäden der Kernenergie sind dauerhaft und bleiben weiterhin schädigend.

     

    Die Nutzung der Kernenergie kann man ganz schnell unterbinden:

    Man muss den Betreibern nur dieselben Auflagen machen, wie sie für jedes andere Gewerbe auch gelten.

     

    Sie müssten alle Kosten in voller Höhe selbst tragen, die durch ihren Betrieb entstehen.

     

    Binnen weniger Tage würde Deutschlands Medienlandschaft ersticken im Geheul und Gejammere der Betreibergesellschaften, wie unrentabel das doch alles sei, und dass man sich dringenst von dieser völlig überschätzten Technologie verabschieden müsse und neue Alternativen suchen müsse.

    Man werde sofort sämtliche KKW stillegen, egal ob es dann zu Versorgungsengpässen käme oder nicht - es komme schon nicht, es sei genügend Kapazität vorhanden, denn dies sei wirtschaftlich schlichtweg keinem Unternehmen zumutbar. Das könne man nicht mal mehr als unrentabel bezeichnen, sondern das sei sinnlose Geldvernichtung in monströsem Ausmaß.

    Und sowieso ohnehin viel zu gefährlich und unverantwortbar.

  • B
    Beteigeuze

    Als ehemaliger Beschäftigter der Saarbergwerke (habe meine Lehre in den Bergwerken Camphausen und Göttelborn gemacht) sehe ich diesen Tag als einen großen Verlust an- kurzfristig kulturell, langfristig auch wirtschaftlich.

    Irgendwann werden die Vorräte wieder interessant, bis dahin allerdings ist wohl der größte Teil unserer Bergbautradition und unseres Wissens darüber verschwunden.

    Schade drum...

     

    Ein festes 'Glück Auf!' an alle Kameraden!

  • J
    jenny

    Der Wirtschaftswissenschaftler M. Miegel hat er-

    rechnet, dass die Bergbausubventionen seit den 50ger

    Jahren sich auf ca. 250 Milliarden Eu. ! belaufen,

    ein sehr hoher Betrag, wenn man ihn mit dem wirt-

    schaftlichen Ergebnis kontrastiert !

     

    In der Blütezeit nach dem 2. Weltkrieg bestimmten die

    Kohel/-Stahlbarone von der Ruhr das Tempo des wirt-

    schaftlichen Wiederaufbaus, konnten Fantasiepreise

    verlangen u. ihre Produkte der verarbeitenden In-

    dustrie regelrecht zuteilen !

     

    Aber schon Ende der 50ger Jahre wurde Importkohle

    günstiger; Wirtschaftsminister Erhard weigerte sich

    Anfang der 60ger Jahre die Kohle zu subventionieren,

    in weiser Voraussicht !

    Aber spätestens mit der grossen Koalition 1966 konnte

    sich die Bergbaulobby durchsetzen, die nicht nur aus

    Unternehmern, sondern auch aus Gewerkschaftlern u.

    der NRW-Ruhr SPD bestand !!

     

    So wurden die Milliarden durch direkte Subventionen

    seitens des Wirtschaftsministeriums, über den "Kohlepfennig" u. renten/-sozialpolitische, sehr

    teure Massnahmen an die frühverrenteten Bergleute via Knappschaft etc. "ausgestreut" !

     

    Was war der volkswirtschaftliche Erfolg : keiner !!

     

    das Ruhrgebiet ist heute das "Armenhaus" im Westen

    mit der höchsten Arbeitslosigkeit bis zu 15% !

     

    Die "Strukturförderung" hat kaum etwas sinnvolles

    erreicht, neue industrielle Kerne sind nicht ent-

    standen.

    Das Saarland hat es etwas besser, das liegt aber

    auch an der ausgewogeneren, mittelständischen Struktur u. der Selbsthilfementalität der Saarländer;

    sie verdienen zwar weniger als der Durchschnitt in

    Deutschland, dafür hat fast jede Familie ihr eigenes

    Haus !!

     

    Eigentlich ist die "Kohlesubvention" ein Beispiel

     

    für fehlgeleitete Steuergelder in unvollstellbarer

    Grössenordnung, sie zeigt wie sich Dinge verselbständigen, wenn von politisch/-wirtschaftlich

    interessierter Seite kein Vweto kommt.

     

    Die Kohelsubventionierung könnte man auch als Negativ-Beispiel für die "Pigsländer"-Förderung in der Eurozone ansehen, nur dort geht es um 10 x grössere Dimensionen u. Kosten !!

    zone