Beutekunst: Kohl, übernehmen Sie!
■ „Beutekunst“-Berater Eichwede hält Intervention bei Jelzin für erforderlich
Der deutsch-russische Konflikt um die Rückgabe von Kunstschätzen kann nach Ansicht des führenden deutschen „Beutekunst“-Experten, Prof. Wolfgang Eichwede, nur auf höchster Ebene zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem russischen Präsidenten Boris Jelzin beigelegt werden. Der Direktor des Osteuropa-Instituts der Universität Bremen und Berater der Bundesregierung und der Länder sagte am Samstag, nach der Entscheidung des russischen Parlaments komme es nun darauf an, Jelzin „persönlich zu erreichen, und das kann nur der Kanzler“.
Das russische Parlament hatte am Freitag mit großer Mehrheit ein Gesetz gebilligt, daß die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion gebrachten Kunstschätze zum Eigentum Rußlands erklärt. Jelzin und der Föderationsrat müssen dem Gesetz aber noch zustimmen.
Nach Ansicht von Eichwede stellt Rußland mit dem Duma-Beschluß letztlich „seine eigene Solidität“ in der Welt in Frage, da nun plötzlich eine neue Rechtsposition eingenommen werde, die im Gegensatz zum Völkerrecht und dem deutsch-russischen Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag stehe.
Statt sich als Kriegssieger großzügig zu zeigen, habe Rußland „altes Abrechnungsdenken anstelle neuen Versöhnungs denkens“ unter Beweis gestellt. Während die Grenzen Europas friedlich verändert und Sowjet-truppen heimgeholt worden seien, „ist es aber nicht möglich, Dürer aus dem Verlies des Depots zu entlassen.“ Grundsätzlich sei aber „ein Parlamentsbeschluß in Rußland nicht das letzte Wort, nicht das Ende aller Gespräche“.
Das vom russischen Parlament verabschiedete Gesetz, wonach alle Beutekunst im Lande zum Eigentum Rußlands werden soll, hält der Bremer Rechtsexperte Rudolf Blaum für „abenteuerlich und ungeheuerlich“. dpa
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