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Kohl legt noch mal nach

Exkanzler greift Thierse an: Amt wird parteiisch ausgeführt. Keine Stellungnahme zum Göring-Vergleich

BERLIN dpa ■ Im Streit über seine angebliche Nazi-Beleidigung von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat Exkanzler Helmut Kohl (CDU) gestern noch nachgelegt: Thierse sei „der Bundestagspräsident, der sein Amt am parteiischsten ausübt“, erklärte Kohl in Berlin. Dabei dementierte er den ihm vorgeworfenen Vergleich zwischen Thierse und dem NS-Politiker Hermann Göring erneut nicht, sondern betrieb Journalistenschelte. Die SPD-Fraktion sprach von einer „maßlosen Unverschämtheit Kohls“ und warf der Union eine „Wahlkampf-Hetzkampagne“ gegen Thierse vor.

Es liege ihm fern, ein Mitglied einer demokratischen Partei Deutschlands mit einem Mitglied einer totalitären Partei zu vergleichen, betonte Kohl in der Erklärung. Den ihm vorgeworfenen Satz über Thierse – „Das ist der schlimmste Präsident seit Hermann Göring“ – dementierte er jedoch nicht. Vielmehr richtete Kohl schwere Vorwürfe gegen den Spiegel, der über die Äußerung berichtet hatte. Den Reportern warf er Unseriösität vor.

Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) hat in diesem Streit die volle Unterstützung seiner drei Vizepräsidentinnen. Die „verbale Entgleisung“ Kohls sei „mit Bestürzung zur Kenntnis genommen“ worden, schrieben Anke Fuchs (SPD), Antje Vollmer (Grüne) und Petra Bläss (PDS) in einer gestern veröffentlichten Stellungnahme des Bundestages.

Fuchs erklärte zu der angeblichen Kohl-Äußerung: „Solche Vergleiche sind eines Demokraten unwürdig.“ Die Parlamentsvizepräsidentinnen appellierten an den Gemeinsinn aller Demokraten. Eine solche „pamphletische Äußerung“ dürfe nicht ignoriert werden. Insbesondere die Unionsspitze mit Edmund Stoiber, Angela Merkel und Friedrich Merz müsse sich von der „unglaublichen Attacke“ distanzieren. Merz hatte dem Kölner Stadt-Anzeiger gesagt, Thierse sei „der schlechteste Bundestagspräsident, den wir je hatten“.

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