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Kochs geschäftsführende RegierungRegieren als Spießrutenlauf

Für Roland Koch wird das Regieren künftig nicht gerade einfacher: Die Opposition kann seine Politik jederzeit torpedieren. Überblick über die Knackpunkte.

Auch wenn Koch erstmal Landeschef bleibt: An der Opposition führt kein Weg vorbei. Bild: dpa

BERLIN taz Hessen steuert auf eine geschäftsführende Regierung unter Roland Koch zu. SPD, Linke und Grüne werden versuchen, Gesetze einzubringen, die Koch gegen seinen Willen dann durchsetzen müsste. Die Regierung Koch hätte zwar ein Einspruchsrecht, jedoch nur mit aufschiebender Wirkung. Insbesondere in der Bildungspolitik könnte es SPD, Grünen und der Linken so gelingen, symbolische Teile ihrer Politik durchzusetzen. Zumal Koch hier gleich auf zwei Minister ganz verzichten muss: Kultusministerin Karin Wolff und Wissenschaftsminister Udo Corts (beide CDU), die aus dem Amt ausscheiden.

Beispiel Studiengebühren: Grüne, Linke und SPD sind dagegen. "Wir werden unseren Antrag einbringen, die Studiengebühren abzuschaffen", sagt der hessische Grünen-Chef Tarek Al-Wazir. Auch die hessische SPD hat schon einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung der von der CDU eingeführten Campus-Maut in der Schublade. Dort steht auch, dass Hessens Hochschulen die Ausfälle von 120 Millionen Euro im Jahr erstattet werden. Unklar ist allerdings, wie das erreicht werden soll. Denn einen Haushalt können SPD, Grüne und Linke nicht auf die Beine stellen.

Auch gegen die sogenannte "Unterrichtsgarantie plus" wollen SPD und Linke nach Angaben ihrer bildungspolitischen Sprecherinnen Anträge einbringen. Unter dieser Bezeichnung hatte Kultusministerin Wolff versucht, die Zahl der ausfallenden Schulstunden mit pädagogisch nicht ausgebildeten Laien zu verringern. "Wir wollen nur qualifizierte Fachkräfte in den Schulen", sagt der bildungspolitische Sprecher der Hessen-Grünen, Mathias Wagner. Hier hat die CDU Entgegenkommen signalisiert und den Schulen 50 Millionen Euro mehr für reguläre Lehrkräfte in Aussicht gestellt.

Ein weiterer Kampfschauplatz: das achtjährige Gymnasium. SPD und Linke würden das Schnellabitur gerne wieder zurücknehmen, die Grünen zumindest das achtjährige und das neunjährige Gymnasium parallel erlauben. "Wir wollen schauen, was man machen kann, damit sich bis zum nächsten Schuljahr schon etwas ändert", kündigt Linken-Bildungspolitikerin Barbara Cárdenas an. "Eine geschäftsführende Regierung muss den Willen des Landtags umsetzen", sagt Grünen-Bildungsexperte Wagner. "Sie hat kein Mandat, die CDU-Politik fortzusetzen."

Die von SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti angekündigte Bildungsrevolution wird aber ausfallen müssen. Ursprünglich sollten die Schulen in Hessen zu "Häusern der Bildung" umgebaut werden, wo Schülerinnen und Schüler gemeinsam bis zur zehnten Klasse lernen. Für die Revolution verantwortlich sollte Rainer Domisch sein, leitender Mitarbeiter der Schulbehörde im Pisa-Siegerland Finnland. Domisch befindet sich derzeit in Finnland. Dass er Kultusminister wird, ist unwahrscheinlich. Einen Umbau des Bildungssystems mit Guerilla-Anträgen gegen eine geschäftsführende Regierung Koch schließt Domisch aus. "Für so ein Konzept braucht man einen gesellschaftlichen Konsens und stabile Mehrheiten", sagte er. "Das dauert zehn bis fünfzehn Jahre."

Die erneuerbaren Energien bieten hingegen Potenzial für Sticheleien: 14 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms werden aus regenerativen Energien gewonnen. In Hessen lediglich 1,85 Prozent. "Nicht geografische Gründe wie die Windverhältnisse sind dafür verantwortlich, sondern politische", urteilt Hermann Scheer, der Umwelt- und Wirtschaftsminister in Ypsilantis Schattenkabinett. Und er erklärt auch, wie Koch die Erneuerbaren aus seinem Land hält: "Das Instrument zur Verhinderung ist die Raumordnungspolitik, die hauptsächlich in der Entscheidungskompetenz der Länder liegt." Und über dieses Instrument versprach die SPD im Wahlkampf, den Einzug erneuerbarer Energien in Hessen zu begründen. Scheer soll eine Gesetzesvorlage in der Schublade haben. Als sicher gilt, dass Grüne und Linke zustimmen werden.

Die Atomreaktoren in Biblis. "Der Pannenreaktor Biblis A muss so schnell wie möglich stillgelegt werden." Diese Aussage stammt in diesem Fall nicht von den Grünen, die seit Jahren die Stilllegung fordern. Auch Scheer ist nicht für dieses Statement verantwortlich, obschon sich vergleichbare Sätze im Wahlprogramm finden. Urheber ist der linke Ulrich Wilken, der die Abschaltung von Biblis A will. "Es gibt eine politische Mehrheit im Hessischen Landtag für einen Atomausstieg und den Einstieg in eine neue, ökologisch sinnvolle Energiepolitik", so Wilken. Diese gelte es zu nutzen. Das dürfte aber schwer werden: Die Atomaufsicht liegt zwar beim Land Hessen, aber nicht im Parlament, sondern bei der Verwaltung. Und die ist in der Hand vom CDU-Minister Wilhelm Dietzel.

Beim Thema Mindestlöhne sind SPD, Grüne und Linke einig. Doch diese sind Sache der Bundespolitik. "Wir werden eine Bundesratsinitiative in den Hessischen Landtag einbringen", kündigte Grünen-Fraktionssprecherin Elke Cezanne nach der gestrigen Klausur an. Denkbar sei auch, das Vergabegesetz auf Landesebene zu ändern und dort Tariflöhne beim Auftragnehmer als bindend festzuschreiben.

Und Hessens Bündnisgrüne denken über eine Gesetzesinitiative zur Rückkehr in die Tarifgemeinschaft der Länder nach. Kochs Regierung war aus dieser ausgetreten und hatte im vergangenen Jahr seinen Landesbediensteten einen halben Prozentpunkt weniger Lohn zugestanden als im Bundesdurchschnitt.

"Wir werden jetzt Anträge ins Parlament einbringen und testen, was passiert", kündigte die Grünen-Fraktionssprecherin Elke Cezanne an. Natürlich werde man mit SPD und Linken im Vorfeld sondieren, ob die Anträge mehrheitsfähig sind.

Der Berliner Politikwissenschaftler Richard Stöss hält es allerdings für völlig ausgeschlossen, dass SPD, Grüne und Linke gegen eine Regierung Koch tatsächlich sinnvolle Politik betreiben können. "Das ist eine absurde Vorstellung", sagte Stöss. "Man kann nicht versuchen, mit einer linken Mehrheit aus dem Parlament heraus gegen eine konservative Verwaltung in den Ministerien zu regieren. Dort würde die Umsetzung der Gesetze verzögert, aufgeweicht oder ganz abgeblockt." Sein Fazit deshalb: Eine Interimsregierung könne allenfalls nur für eine sehr kurze Zeit bestehen. "Es muss so bald wie möglich eine tragfähige Regierung geben - im Zweifel auch eine große Koalition", sagte Politikwissenschaftler Stöss.

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