Koch triumphal wiedergewählt: Der Heiland von Offenbach

Der mächtige CDU-Fürst Koch galt als geschlagen - doch wählen Hessens Koservative triumphal ihn als ihren Chef wieder. Bald will der Verbalbrutalo wieder regieren - mit den Grünen.

95,33 Prozent für Roland Koch - ein Wahlergebnis von sozialistischer Deutlichkeit. Bild: dpa

OFFENBACH taz Zwischen Niederlage und Neubesinnung lagen 47 Minuten. So lange brauchte Roland Koch in seiner Rede auf dem hessischen CDU-Parteitag, bis er jenes Wort aussprach, auf das alle gewartet hatten: Jamaika.

Wie der Ministerpräsident am vergangenen Samstag seinen Parteifreunden erklärte, dass sie womöglich bald mit den verhassten Grünen paktieren müssten und eine krachende Niederlage zum Wählerauftrag für Schwarz-Gelb-Grün umdeutete, zeigte eines: Roland Koch ist noch lange nicht am Ende. Seine Rede könnte zur Handlungsanweisung für alle Unionisten werden, die ihre Basis auf neue Koalitionen einschwören müssen.

"Natürlich gibt es hier den einen oder anderen", rief Koch den 330 Delegierten in Offenbach zu, "den allein beim Gedanken das Blut in den Adern gefriert." Aber die Aussicht auf eine Kooperation mit dem einstigen Lieblingsfeind schmerze die Grünen noch mehr. Und niemand dürfe vergessen, dass die Truppe um den viel befeindeten Fraktionschef Tarek al-Wazir keine Skrupel habe, mit den "Kommunisten" zu kooperieren. So gesehen, wird eine Zusammenarbeit gar zur vaterländischen Pflicht.

"Ob es klappt, weiß ich nicht", sagte Koch. Aber eine Neuwahl wäre nur "Faulheit vor dem Wähler." Auch inhaltlich hätten Union und Grüne weit mehr gemeinsam, als beide Seiten wahr haben wollten. Ob Integration, Finanzen, Kinderbetreuung, Umweltschutz oder Bildung - die CDU habe Hessen in neun Jahren zu einem Vorbild gemacht. Der Lehrermangel sei behoben, die Zahl der Ganztagsschulen steige, jene der Verbrechen sinke seit Jahren. Das Problem: "Es glauben uns zu wenig Leute."

Schuld daran ist auch Koch selbst, der im Wahlkampf zu Jahresbeginn ausgiebig gegen "kriminelle Ausländer" wetterte. Die Rechnung ging bekanntlich nicht auf, und so musste der brutalst mögliche Wahlkämpfer auf dem ersten Parteitag seit der verlorenen Wahl dafür noch einmal Abbitte leisten. Koch nannte seine Angstkampagne eine "sehr starke Konzentration auf das Thema der inneren Sicherheit". Durch die Medien sei bei den Wählern der Eindruck entstanden, die Union habe das Thema zu Wahlkampfzwecken inszeniert: "Das ist falsch."

Kurzum: Die Medien waren Schuld am Absturz des einst mächtigsten CDU-Landesfürsten, und die Grünen sind weniger schlimm als SPD und Linke. Doch am Eingeständnis seiner Verantwortung kam selbst der unangefochtene Landesvorsitzende nicht herum. Das Wahlergebnis vom 27. Januar sei "eine bittere Niederlage" gewesen. Er habe sich auch gefragt, "ob das die Zeit ist zu gehen."

Selbstgeißelung aber ist nicht Kochs Sache, und auch nicht die der hessischen Union. Sie machte ihrem Ruf als politischem Kampfverband erneut Ehre. Die Aussprache beschränkte sich auf drei kurze Wortmeldungen von Delegierten, die ihrem Chef frank und frei ins Gesicht sagten, wie gut sie ihn finden.

Dass der Verlust von 14 Landtagsmandaten selbst die hessische Wagenburg-CDU nicht kalt lässt, offenbarte das Wahlergebnis für Michael Boddenberg. Der Generalsekretär bekam, wie in Parteien üblich, stellvertretend für den Chef den Unmut zu spüren. Nur rund 73 Prozent der Stimmen erhielt Boddenberg bei seiner Wiederwahl, fast 15 Prozentpunkte weniger als vor zwei Jahren.

So war der Weg frei für die fulminante Wiederwahl Kochs. 95,3 Prozent der Stimmen, die sechs Enthaltungen nicht eingerechnet, erhielt der alte und neue Landesvorsitzende. 2006 waren es 97,8 Prozent gewesen. Sichtlich um Rührung bemüht, zeigte sich Koch demütig und angriffslustig zugleich: "Das ist schon eine tolle Partei, vor der die anderen auch in Zukunft Angst haben sollten."

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