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Koalitionsvertrag Baden-WürttembergSo öko wird der Südwesten

Ausbau der Windenergie, neues Mobilitätskonzept, Förderung der Öko-Landwirtschaft: Der designierte grüne Ministerpräsident Kretschmann will Baden-Württemberg umbauen.

Künftig sollen sich überall im Ländle Windräder drehen. Bild: dpa

Dass Baden-Württemberg vor allem dank seiner Wirtschaftskraft bislang als Musterländle tituliert wird, reicht Winfried Kretschmann nicht mehr. Der wohl erste grüne Ministerpräsident will den Südwesten auch zum ökologischen Vorreiter machen. Und das nicht nur in zwei der grünen Kernbereiche - Energie und Landwirtschaft. Auch die in Baden-Württemberg stark vertretene Autowirtschaft soll den Politikwechsel spüren.

Laufen, Radfahren, Zugfahren - das gehört für Kretschmann zur Mobilität von morgen. Er will weg von schweren, Sprit schluckenden Autos. "Wir müssen in Zukunft Mobilitätskonzepte verkaufen und nicht nur Autos", sagte er der Bild am Sonntag. Es müsse weniger und umweltfreundlichere Autos geben. Denn Kretschmann sagt: "Wenn die Automobilindustrie es nicht schafft, grüner zu werden, wird sie keine Zukunft haben."

Klar, dass die Autobranche bei solchen Sätzen des designierten Ministerpräsidenten aufhorcht. Der Sportwagenhersteller Porsche bot Kretschmann nach dessen Aussagen umgehend Gespräche an. "Wir wollen ihn einladen, um mit ihm in einen Dialog zu treten. Dieser sollte der Beginn einer konstruktiven Zusammenarbeit sein", sagte ein Porsche-Sprecher. Zu der Vorstellung Kretschmanns, künftig weniger Autos zu bauen, wollte sich der Sprecher nicht äußern. "Die Fahrzeuge, die wir bauen, sind in hohem Maße effizient."

Keine grüne Spinnereien

Heftige Kritik musste Kretschmann auch aus den Reihen der CDU einstecken. Deren Generalsekretär Hermann Gröhe warf ihm vor, den Wirtschaftsstandort zu gefährden. "Herrn Kretschmanns abstruse Forderung macht deutlich, wer der große Verlierer von Grün-Rot sein wird: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Daimler, Porsche und den vielen Zulieferern", sagte Gröhe.

Wenn es an die Umsetzung seiner Ideen geht, dürfte Kretschmann ähnliche Argumente auch noch von seinem Koalitionspartner SPD zu hören bekommen. Deren Landeschef Nils Schmid hatte an der Basis bereits versprochen, grüne Spinnereien zu verhindern. Angesichts der zahlreichen Arbeitsplätze "wird es ein klares Bekenntnis der SPD zum Industriestandort geben", sagte er vor wenigen Wochen auf einer Regionalkonferenz in Karlsruhe. In Bezug auf die Autobranche vertritt er die Ansicht, dass nur der Verkauf der Premiumklassen ökologische Innovationen finanzieren könne.

Auch hatte er unterschiedliche Ansichten in der Verkehrspolitik deutlich gemacht: "Allein Straßenbahnen und Fahrräder werden nicht ausreichen im Straßenverkehr", so Schmid.

Wie viel Geld in den Neubau von Straßen fließen soll, war neben dem Bahnprojekt Stuttgart 21 der große Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen zur Verkehrspolitik. Die Sozialdemokraten hatten dafür gekämpft, 50 Millionen Euro mehr für Straßenerhaltung und -neubau auszugeben als die Vorgängerregierung. Die Grünen wollten dieses Geld lieber in den Schienen- und Radverkehr stecken. Am Montag verriet Kretschmann, dass es inzwischen eine Einigung gebe. Wie diese aussieht, ließ er aber noch offen. "Das verraten wir am Mittwoch", versprach er.

Windräder im ganzen Ländle

Schnell einig waren sich die beiden Koalitionäre über den Ausbau der erneuerbaren Energien. Künftig sollen sich überall im Ländle Windräder drehen, die den Südwesten bislang kaum prägen. Gerade mal 0,8 Prozent des Stroms produziert Baden-Württemberg derzeit mit Windrädern. Zum Vergleich: Das deutlich kleinere Bundesland Rheinland-Pfalz stellte vergangenes Jahr bereits 6,5 Prozent seines Stroms aus Windkraft bereit.

Auch die Zahl neu gebauter Anlagen zeigt, wie gering die schwarz-gelben Windenergie-Ambitionen waren: Mit insgesamt 8 neuen Anlagen bildete Baden-Württemberg noch hinter dem Saarland (13 Anlagen) und hinter Bremen (12) das Schlusslicht.

An diesen Ländern will Kretschmann in Zukunft vorbeiziehen. Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil der Windenergie 10 Prozent betragen. "Wir wollen das Musterländle auch zu einem Musterland für erneuerbare Energien machen", sagte er vor einigen Tagen.

Mehr Diskussionsbedarf gab es hingegen zum Thema Landwirtschaft - für die Grünen anders als für die SPD ein wichtiger Bereich zur Profilierung. Ihnen war deshalb klar, dass für sie der Verhandlungsspielraum in diesem Punkt gering sein wird. Letztlich haben sie durchgesetzt, dass künftig Bauern gefördert werden sollen, die von konventioneller Landwirtschaft zum Biolandbau wechseln wollen. Auch soll Baden-Württemberg vollständig gentechnikfrei bleiben.

Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, dass die SPD darauf gedrängt hätte, im Landwirtschaftshaushalt rund 50 Millionen Euro zu streichen. Hätten die Grünen das nicht verhindern können, hätte ihnen wie im Fall Stuttgart 21 großer Ärger mit ihrer Klientel gedroht. Der Naturschutzbund (Nabu) hatte bereits Alarm geschlagen. "Im Namen der über 71.000 Nabu-Mitglieder in Baden-Württemberg fordere ich Sie auf, Wort zu halten", hatte der Landesvorsitzende Andre Baumann in einem offenen Brief an Kretschmann und SPD-Landeschef Nils Schmid geschrieben. An ihre versprochenen Maßnahmen im Natur-, Umwelt- und Landschaftsschutz werde die Koalition sie "jederzeit unverblümt erinnern".

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10 Kommentare

 / 
  • VC
    Voll CDU

    "Sichere Strassen" war Koch's Wahlkampfthema in Hessen und sichere Strassen gibt es nur ohne Autos, es sei denn sie werden pedaliert.

    Wenn in 2025 sich eh kein Arsch mehr Sprit leisten kann, fragt man sich wozu überhaupt Autos gebaut werden oder Schiffe und Flugzeuge.

    Die Armee, die am schnellsten ohne Sprit fährt, wird die Weltherrschaft übernehmen.

  • H
    Heusteigviertel

    Alles was bisher aus dem Koalitionsvertrag so zu hören ist, finde ich gut, nur bin ich gespannt, wie führungsstark Kretschmann sein wird und wie er grüne Positionen, z.Bsp. beim Verkehr oder der Industriepolitik durchsetzen kann.

    Es wird nicht einfach...Es ist und bleibt das Land der Automobilindustrie, mal sehen, wie mutig Kretschmann hier bleibt, ich hoffe, er bleibt es!!!

  • G
    gerd.

    "Das deutlich kleinere Bundesland Rheinland-Pfalz stellte vergangenes Jahr bereits 6,5 Prozent seines Stroms aus Windkraft bereit."

     

    Hört, hört, das kleinere Bundesland schafft prozentual zur Größe mehr als das größere Bundesland!

    Als ob es nicht gerade für ein kleineres Bundesland gleich aufwändig wenn nicht sogar einfacher wäre, solche Zahlen zu erreichen, indem mal drei oder sieben Windräder aufgestellt werden, und dann eben viel schneller ein höherer Prozentanteil an Windenergie erzielt wird.

  • KK
    Karl Krise

    Lieber ein Spinner mit Zukunftskonzepten als versteinerte Mumien wie Rot und Schwarz.

     

    Karl Krise

  • G
    Gramsci

    Vllt. mag jetzt BaWü etwas öko werden, aber mehr auch nicht. Als Sozialist sehe in der Grünen-Partei keinen Wegbereiter für eine wirklich neue Zukunft. Solange man versucht am Kapitalismus festzuhalten, ist jedes Öko-Projekt nicht mehr als ein Feigenblatt für ein besseres Gewissen. Die Ausbeutung des Planeten geht dann halt an anderer Stelle weiter.

    Auch vergessen diese Grünen an die Kleinen zu denken! Mag sein, daas ihre Ideen gut sind, aber solange aber es dzu führt, dass der/die einfache ArbeiterIn/AngestellteR belastet wird und nicht die bürgerliche Klaaase, wird sich niemals was ändern. Das ganze momentane Grüne Konzept ist nichts anderes als eine grüne CDU/ Konservative-Partei. So werden nur bestehenden Strukturen gestützt und ein echter Wandeln wird nicht stattfinden. Doch das bürgerliche Klientel der Grünen ist gar nicht an wirklicher veränderung interessiert, da diese besitzänderung bedeutet...

  • JA
    Jonas Amazonas

    Endlich spricht einmal jemand zum Thema Auto aus, was seit dreißig Jahren erkennbar überfällig ist. Darauf habe ich ebenso lange gewartet. Hoffen wir, dass den Worten auch Taten folgen.

  • J
    JoBln

    Windräder....macht noch mal Fotos von euren Kulturlandschaften bevor sie verschwinden. Die SPD ruiniert den Sozialstaat, die Grünen ruinieren die Umwelt, die FPD den Liberalismus. Each man kills the things he loves.

  • C
    Christian

    Und was wird mit den zahlreichen Benachteiligungen von Eingetragenen Lebenspartnerschaften? Von der Öffnung der Standesämter bis zur Gleichstellung in der Beamtenversorgung?

     

    Diskriminierungsschutz in der Landesverfassung? Aktionsplan gegen Homophobie?

     

    Wie schauts aus?

  • M
    MRE

    "Laufen, Radfahren, Zugfahren - das gehört für Kretschmann zur Mobilität von morgen."

     

    Dass sich die SPD und vor allem die Grünen das Thema Sicherheit der Bürger nicht auf die Fahnen geschrieben haben - das dürfte hinreichend bekannt sein. Man schaue in die von diesen Parteien regierten Länder.

     

    Herr Kretschmann soll die Infrastruktur schaffen, dass man sicher Zug fahren (inklusive Bahnhofaufenthalte) und sicher zu Fuß unterwegs sein kann - auch bei Nacht und in jedem Alter jeden Geschlechts und eben allerorts. Dann fahren die Bürger gerne U-Bahn, Straßenbahn und tun was für die Umwelt.

     

    Wer aber die Sicherheit zur Farce erklärt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Eltern ihre Kinder lieber mit dem Auto abholen, oder der Bürger in seinem halbwegs sicheren Käfig lieber im Stau steht, sich diesen zumutet, als Opfer einer Straftat zu werden.

     

    Die lieben Grünen sollten endlich das Thema Sicherheit der Bürger auf die Tagesordnung nehmen, dann klappt es auch besser mit Öko-Überzeugung.

  • F
    farbe

    Erst wenn ihr den letzten Produktionsstandort geschlossen habt, werdet ihr merken, dass man ohne eigene Stärke keine hochtrabenden Pläne mehr in die Welt tragen kann. Naja, wahrscheinlich wird man es schon früher merken... Jedenfalls freu' ich mich schon, wenn bei Daimler die neuen Mobilitätskonzepte vom Band Rollen, da kauf ich mir ein grünes und ein blaues, das schafft Beschäftigung.

     

    Witzig, gerade mal 16% der Wahlberechtigten hinter sich, und schon muss (basisdemokratisch) das ganze Land umgekrempelt werden. Und wo fangen wir beim verschlimmbessern an? Da, wo das Land seine Stärken hat, natürlich.

     

    Aber nur so klappts, denn mit teurem Ökostrom könnte man eh keine große Produktion mehr laufen lassen.