Koalitionsgespräche in Brandenburg: Platzecks Herz schlägt links
SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck wird eine Koalition mit der Linkspartei aushandeln. Die Landesvorsitzende der Union, Johanna Wanka, spricht von "Verrat an 1989".
POTSDAM taz | Am Ende ging alles ganz schnell. Um 11 Uhr am Montagvormittag hatte sich Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) mit der Linken zur vierten und letzten Sondierungsrunde getroffen. Bereits eine Stunde später war sich die SPD einig: Man wird mit der Linkspartei Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Um 12.10 Uhr teilte Platzeck Brandenburgs CDU-Chefin Johanna Wanka seine Absage telefonisch mit.
Die Entscheidung sei einstimmig im Parteigremium gefallen, das die bisherigen Gespräche mit der Linken führte, teilte Platzeck mit. Genauere Gründe für das Votum wollte der 55-Jährige vor Redaktionsschluss nicht nennen. Die Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser erklärte: "Wir hoffen nun auf einen Politikwechsel." Sie hoffe auf ein Land, "in dem soziale Aspekte trotz der Wirtschaftskrise eine Rolle spielen." Bereits am Donnerstag sollen die Koalitionsgespräche aufgenommen werden.
Am Ende war es wohl eine Frage von Mehrheiten. Eine stabile Regierung sei sein oberstes Ziel, hatte Platzeck stets betont. 12 Stimmen Mehrheit hat die SPD mit der Linken, nur 5 wären es mit der CDU gewesen. Aus SPD-Kreisen hieß es, Platzeck habe um Wackelkandidaten in den eigenen Reihen gewusst, deren Gefolgschaft bei schwierigen Fragen unsicher sei. Zudem zeigte sich auch die CDU zuletzt schwer berechenbar. Entgegen der Parteilinie hatte CDU-Fraktionschefin Saskia Funck ein Ende der Neuverschuldungen im Land bis 2014 gefordert. Platzeck wies dies als "unseriös" zurück. Auch der CDU-Vize Sven Petke gilt in der SPD als unberechenbar. Die Linke war der SPD in den Gesprächen dagegen weit entgegengekommen. Die SPD-Forderungen eines Schüler-Bafögs und eines Vergabegesetzes zum Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen wurden von der Linken voll unterstützt. Auch ob der märkischen Haushaltsmisere zeigte sich die Linke kompromissbereit, ihre Wahlforderungen anzupassen. Zuletzt gab die Partei auch ihren Widerstand gegen neue Braunkohletagebaue auf - ein ursprünglich zentraler Dissens mit der SPD. Den Weg frei machte aber letztendlich Kerstin Kaiser, indem sie am Sonntag ihren Verzicht auf einen Ministerposten erklärte. Sie war zu DDR-Zeiten als IM bei der Stasi tätig.
Sichtbar zerknirscht zeigte sich CDU-Landeschefin Johanna Wanka. Seit 1999 regierten SPD und CDU gemeinsam in Brandenburg. Inhaltlich habe es keinerlei Dissenz für eine Fortsetzung der Koalition gegeben, so Wanka. "Platzeck hat am Ende um die Mehrheit für seine Wiederwahl gefürchtet." Für Wanka ist die Entscheidung für Rot-Rot ein "Verrat an 1989". Die CDU werde nun eine "Jamaika-Opposition" mit den neueingezogenen Grünen und der FDP bilden. Bei der Landtagswahl vor zwei Wochen errang die SPD 33 Prozent der Stimmen. Die Linke erhielt 27,2 Prozent und die CDU 19,8 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana