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Koalitionsausschuß tagt zu BVG-Tariferhöhung

■ Verkehrsbetriebe werden 160 Millionen Mark Verlust machen / SPD drängt CDU, Verlängerung der Busspuren zuzustimmen / Weitere Themen besprochen

Im Streit um die Berliner Verkehrspolitik sollte es gestern einen Schritt voran gehen: Der Koalitionsausschuß von CDU und SPD hatte sich nachmittags im Senatsgästehaus im Grunewald zusammengesetzt, um die Partner auf eine gemeinsame Linie zurückzubewegen. Wie berichtet, will die SPD die ab Januar geplante Tariferhöhung bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) verhindern, wenn das Unternehmen vorher kein schlüssiges Unternehmenskonzept vorlegt.

Auf der Tagesordnung standen gestern aber noch weitere Themen: Die CDU und SPD wollen bei der Verwaltungsreform dem Senat auf die Sprünge helfen. Dabei geht es um die Kompetenzverteilung zwischen Hauptverwaltung und Bezirken. Auch soll der Senat dafür sorgen, daß die für 95 und 96 längst beschlossenen Globalhaushalte für die Bezirke umgesetzt werden. Die Beratungen dauerten bis Redaktionsschluß an.

Eins war gestern trotzdem klar. Die Finanzlage bei den BVG sieht alles andere als rosig aus. Die Verluste, die das Unternehmen im laufenden Jahr eingefahren hat, sind noch nicht vollends gedeckt, da tun sich bereits neue Löcher in den Finanzkalkulationen auf. 1,2 Milliarden Mark sind bereits aus dem Landeshaushalt zur Deckung von Verlusten im Jahr 1994 bereitgestellt, doch werden die Verluste diese Summe um 160,5 Millionen Mark überschreiten. Wie dem Wirtschaftsplan des Unternehmens zu entnehmen ist, hätte diese Lücke lediglich unter der Voraussetzung geschlossen werden können, daß die Ostberliner Fahrpreise an den Westtarif angeglichen werden und der Einheitstarif zudem um 20 Prozent erhöht würde. Zum anderen wäre erforderlich, daß es „für einen größeren Mitarbeiterkreis“ zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Wollte die BVG dies vermeiden, müßte sie die 160,5 Millionen aus ihren Rücklagen entnehmen.

Allerdings ist fraglich, ob diese Rücklagen reichen, um auch die bisher nicht absehbaren Mehrkosten zu decken. In einem Schreiben an den Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses weist Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) auf zwei weitere Kostenrisiken hin. Sollten nicht alle 1.700 S-Bahn-Beschäftigten von der Reichsbahn übernommen werden, so wären für die BVG mit Kosten zu rechnen, die er auf maximal 120 Millionen Mark beziffert. Zudem könnte ein beim Bundesarbeitsgericht anhängiges Verfahren die volle Angleichung der Ostlöhne und -gehälter an Westniveau erforderlich machen. Dies würde jährliche Mehraufwendungen von 13 Millionen Mark bedeuten. Diese Beträge müßten, falls die Eigenmittel der BVG nicht ausreichen, aus dem Landeshaushalt ausgeglichen werden.

Kostenminimierungen ließen sich durch die Ausweitung des zur Zeit 52 Kilometer umfassenden Busspurnetzes erreichen. Würden sämtliche von der Großen Koalition in Aussicht genommenen 270 Kilometer Busspur umgesetzt, könnten „Aufwandsminderungen von 60 Millionen Mark pro Jahr prognostiziert werden“. Die nun geplante Ausweitung auf 110 Kilometer schlägt noch mit 33 Millionen Mark jährlich in den Bilanzen der BVG zu Buche.

Die Umsetzung all dieser Maßnahmen wird Aufgabe des neuen Vorstandes der BVG sein, der im Januar seine Arbeit aufnimmt. Zu dessen Vorsitzenden wird aller Voraussicht nach Rüdiger vom Walde ernannt werden, der bislang Geschäftsführer eines Verkehrsunternehmens in Salzgitter war. dr/taz

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